Nach Unfällen auf der Arbeit probieren einer aktuellen Studie aus Kanada zufolge schon gut 15 % der Betroffenen Cannabis als Medizin aus und können auf die übliche chemische Keule verzichten. Wenn es im Job gekracht hat, fragt in Nordamerika schon jeder siebte Arbeitnehmer beim Arzt und im legalen Geschäft nach Medizinalhanf.
Dabei spielt es keine Rolle, ob Verletzungen und Krankheiten nun auf der Baustelle mit dem wackeligen Gerüst passieren oder wenn rund um das Burn-out-Syndrom gesundheitliche Beschwerden diagnostiziert werden. Zum therapeutischen Marihuanakonsum befragten die Forscher von der University of Toronto 1200 Menschen im Abstand von anderthalb und drei Jahren nach einem Arbeitsunfall. Die geheilten Werktätigen wurden durch das Gras weder süchtig noch dumm, wie gerne behauptet, wenn es um regelmäßiges Konsumieren der Cannabinoide geht.
Therapeutischer Hanf nach Feierabend im Überblick
Dank der modernen Drogenpolitik im Land mit dem Ahornblatt auf der Nationalflagge haben Arbeitnehmer beim Heilmittel freie Wahl und nutzen die vielseitigen, exzellent untersuchten Eigenschaften von Gras gerne. Um die Verbreitung von Cannabis nach Unfällen im Job zu messen, wurden die Teilnehmer der neuen Studie in drei Gruppen getrennt analysiert. Cannabinoide zur akuten Behandlung von Beschwerden, Gras rauchen nach Schichtende zum Relaxen ganz ohne therapeutische Absichten oder eben keinerlei Einnahme von THC – ein Querschnitt unterteilt sich in der Arbeitswelt nicht anders auf als in allen anderen Bereichen, in denen Hanfprodukte zum Einsatz kommen.
Verglichen wurden soziodemografische Aspekte und Besonderheiten im Beruf, Gesundheitsdaten und individuelle Konsummuster der Probanden, die umfassend Auskunft gaben zur Einnahme von Haschisch und Marihuana. Auch interessierten sich die Forscher für das Verhalten der Arbeitgeber und die Bereitschaft der Krankenversicherung zur Kostenübernahme, schließlich ist das Naturprodukt Cannabismedizin in Kanada keinen Restriktionen unterworfen und rangiert auf gleicher Ebene wie Tabletten aus dem Pharmalabor. Es ging um Schmerzen, Schlafstörungen, Substitution von chemischen Mitteln und um die Frage, ob künftig auch Betriebsärzte zur Einnahme der Cannabinoide beraten dürfen.
Chemische Keule oder Cannabis rauchen?
Genau 13 % der Teilnehmer nehmen Cannabis ohne Beschwerden ein. Näher untersucht hat man das zwar nicht, aber mit Sicherheit haben weniger Stress durch einen Joint und geringere Risiken für die Gesundheit durch THC als etwa bei Alkohol positive Effekte im Job. Angestellte in Übersee dürften das wohl ähnlich gut wissen wie viele begehrte Fachkräfte in der Bundesrepublik. Fallen die mal von der Leiter, kann bei uns im Gegensatz zu Kanada leider weiterhin jeder Kuhdoktor, Mitarbeiter bei der Krankenkasse oder Richter eine Nachfrage zu Grasblüten auf Rezept willkürlich verweigern.
Nur wer nach einem Arbeitsunfall fast im Sterben liegt, bekommt in Deutschland Medizinalhanf relativ problemlos verschrieben. Kranke, verletzte Menschen müssen sich auf den Schwarzmarkt zu Dealern schleppen und ruinieren im Zweifelsfall durch giftige Streckmittel ihre Gesundheit, nur weil der Gesetzgeber das Lindern von Schmerzen mit Sucht in spe verwechselt. Wenn ein Gabelstapler über den Fuß fährt und im Anschluss Cannabis statt Chemie bevorzugt wird, gilt in Deutschland häufig noch gnadenlos selbstgerechter Paternalismus statt Eigenverantwortung oder hippokratischer Eid. Das Leid von Patienten mit Methoden der modernen Forschung lindern und die Wahl der Behandlung dem Arzt überlassen, ist aktuell leider nur jenseits vom Atlantik selbstverständlich.
Mehr Aufklärung zum Cannabis als Medizin in allen Bereichen der Arbeitswelt
Zwar wachsen in Kanada die Marihuana-Buds ungestört in den Himmel, doch so ganz optimal läuft es auch nach fünf Jahren vollständiger Legalisierung noch nicht. Arbeitsunfälle kurieren die meisten Betroffenen auf eigene Kosten und fragen selten bei Medizinern und Krankenkasse nach. Nach Ansicht der Forscher hat das nicht nur mit dem Preis von Cannabis zu tun, der für nordamerikanische Patienten um Lichtjahre niedriger ist als für Selbstzahler in Deutschland. Hierzulande dürfen Apotheken dank staatlicher Auflagen schon mal 25 € für das Gramm Gras abrechnen, was wiederum der Kasse wohl absichtlich auf die Nerven gehen soll – die Kanadier stören sich laut Studie hingegen vorwiegend an fehlender Kompetenz bei Beratungen.
Krankenversicherungen wollen überall auf der Welt am liebsten nicht zahlen und stellen sich gerne dumm, doch auch die Ärzteschaft und Apotheken, Arbeitgeber und schließlich Physiotherapeuten könnten nach Ansicht der Befragten mehr staatliche Informationen über Cannabinoide gut gebrauchen.
Wahrscheinlich kramt der Mediziner in Vancouver nicht mehr so viele Horrorstorys und Fake News rund um Marihuana aus der Mottenkiste wie sein Kollege im Allgäu, aber welcher THC User mit positiven Erfahrungen will heutzutage nach einem Arbeitsunfall noch endlos diskutieren statt möglichst rasch ohne Schmerzen zu Hause auf dem Sofa eine Tüte rauchen? Trotzdem müssen Weißkittel jederzeit in der Lage sein, Chancen und Risiken vom Cannabiskonsum versiert zu erklären und nach Sicht der Forscher braucht es für den Gesundheitsbereich im Allgemeinen deutlich mehr Weiterbildung.
Totschweigen wie in der Bundesrepublik oder gar totschlagen wie in Singapur lässt sich die offenbar sehr rege Verbreitung von Hanf nach Dienstschluss bei einer fairen Gesetzgebung nicht mehr. In Kanada dürfen sich Betroffene nach Unfällen auf der Arbeit künftig über eine deutlich kompetentere Beratung freuen. Für einen demokratischen Rechtsstaat im 21. Jahrhundert auf der Suche nach Fachkräften sicher kein Nachteil, schließlich wünschen sich mündige Arbeitnehmer klare Informationen statt leiernder Belehrung.
Möglich, dass viele junge Leute am Beginn ihrer Karriere auch auf die Gesetze beim Marihuana achten. Freier Verkauf ohne Gängelei klingt in den Ohren von hoch qualifizierten Migranten wahrscheinlich attraktiver als Eigenanbau nach einem langen Tag im Büro oder Cannabis Social Clubs nur für Mitglieder, die gerne mal von der Polizei kontrolliert werden.