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Viele Menschen benutzen Cannabis am Abend zur Entspannung und als Einschlafhilfe. Durch eine zunehmende Entkriminalisierung wird dies zum Glück auch in immer mehr Regionen der Welt auf legalem Weg möglich.
Ein ewiges Streitthema in diesem Zusammenhang ist die etwaige Beeinträchtigung am Tag danach. Kritiker gehen davon aus, dass am Morgen nach dem Konsum von Cannabis das Führen von Fahrzeugen oder das Betätigen von Maschinen beeinträchtigt sein könnte. Eine 2024 veröffentlichte Studie kam nun zu dem Ergebnis, dass bei moderatem Konsum von THC am Morgen danach keine messbaren motorischen und kognitiven Defizite bestehen.
Studie im Schlaflabor
2024 veröffentlichte ein australisches Forscherteam eine neue Studie, die zu dem Ergebnis kam, dass eine moderate Menge THC, die zum Einschlafen eingenommen wird, am Morgen danach keine objektiv messbaren Beeinträchtigungen verursacht. Für die Studie wurden 20 Personen ausgewählt, die an Schlafstörungen litten. Erwähnenswert ist an dieser Stelle, dass 75 % der Teilnehmer angaben, noch nie in ihrem Leben Cannabis konsumiert zu haben. Das bedeutet, ihre Toleranz war sehr niedrig und man würde vermuten, dass durch die überraschend starke Wirkung eine Nachwirkung am nächsten Tag deutlich wahrscheinlicher sein könnte. Alle Studienteilnehmer gaben an, keine anderen Medikamente gegen Schlaflosigkeit einzunehmen.
Jene Teilnehmer, die bereits Erfahrung mit Cannabisprodukten hatten, konsumierten diese nicht vor der Studie, was durch einen Urintest bestätigt wurde. Bei den Studienteilnehmern wurden zwei 24-stündige Sitzungen durchgeführt, bei denen die Auswirkungen am Morgen danach umfassend untersucht wurden. Eine Hälfte der Teilnehmer erhielt ein Placebo, die andere Hälfte erhielt eine Kombination aus 10 mg THC und 200 mg CBD. Das Präparat wurde als Öl in oraler Form eingenommen. Nach einer achtstündigen Schlafphase wurden mit den Teilnehmern eine Reihe an motorischen und kognitiven Tests durchgeführt, um Beeinträchtigungen objektiv feststellen zu können.
Tests am Morgen danach
Am nächsten Morgen wurden die Teilnehmer innerhalb der ersten 2 Stunden nach dem Aufwachen einer Reihe von Tests unterzogen, wobei der Fahrsimulator das wichtigste Instrument darstellte. In einem Fahrsimulator wurde eine 30-minütige Autofahrt nachgestellt. Um sich mit dem Fahrsimulator vertraut zu machen, absolvierten die Teilnehmer vor Studienbeginn bereits eine Testfahrt. Ziel der Fahrsimulation war es, eine typische Fahrt im Berufsverkehr möglichst realitätsnah nachzustellen. Auch die Verkehrsdichte wurde an den typischen Berufsverkehr am Morgen angepasst.
Die Teilnehmer mussten zum Auto vor ihnen einen ihrer Ansicht nach sicheren Abstand gleichmäßig einhalten, während der vordere Teilnehmer die Geschwindigkeit regelmäßig zwischen 90 und 110 km/h änderte. Gemessen wurde außerdem die Fähigkeit, in der Mitte der Spur zu fahren. Dabei wurde der Abstand zwischen der Mittellinie und dem Straßenrand zentimetergenau erfasst. Natürlich mussten auch alle üblichen Verkehrsregeln eingehalten werden. Die simulierte Fahrstrecke zur Arbeit umfasste auch einen Abschnitt auf der Autobahn.
Ferner wurden weitere Tests durchgeführt, welche die kognitiven Fähigkeiten der Teilnehmer messbar überprüften. In diesen Tests ging es darum, Ziffernkombinationen schnell und fehlerfrei einzutippen und sich verschiedene Formen und Symbole zu merken. Die Fähigkeit, nicht automatisiert, sondern konzentriert zu handeln, wurde mithilfe von einem Stroop-Test untersucht. Der Test besteht darin, dass der Teilnehmer Wörter von Farben gezeigt bekommt, die aber in einer jeweils anderen Schriftfarbe dargestellt werden. Ziel ist es nun, so schnell und fehlerfrei wie möglich das Wort und nicht die Farbe zu nennen. Weiterhin füllten die Teilnehmer einen standardisierten Fragebogen aus, um ihre subjektive Befindlichkeit zu erfassen.
Keine messbaren Unterschiede
Die wichtigste Nachricht an dieser Stelle ist, dass keinerlei messbarer Unterschied in der Fahrsicherheit festgestellt werden konnte, zwischen den Teilnehmern, die 10 mg THC bekommen hatten, und der Placebogruppe. Auch bei den anderen geschilderten Tests konnte kein statistisch relevanter Unterschied gemessen werden. Die subjektive Befindlichkeit unterschied sich ebenfalls nicht im Vergleich zur Placebogruppe.
Diese Studie zeigt einmal mehr, dass ein geringer Cannabiskonsum am Vorabend absolut nicht die Abnahme des Führerscheins rechtfertigt. Diese Vorgehensweise hat nichts mit Verkehrssicherheit zu tun, sondern ist eine Ungleichbehandlung und Stigmatisierung, die auf längst überholten Annahmen beruht.
Zwar hat Deutschland jetzt endlich einen Grenzwert von 3.5 ng/ml eingeführt, jedoch ist es in anderen Ländern noch immer gängige Praxis, wegen Spuren von THC den Führerschein zu verlieren. Würde man in Österreich 10 mg THC einnehmen, könnte man den Führerschein mangels Grenzwerten selbst eine Woche später noch verlieren und würde in der Statistik als Drogenlenker aufscheinen.