Israel gilt als ein Pionier in Sachen Hanfforschung. Schon früh begann das Land, spezielle Krankheiten und Alterserscheinungen mit Cannabisprodukten zu behandeln und sorgte global mit den Ergebnissen für Aufsehen. Ebenfalls stammt die Entdeckung des Wirkstoffs THC aus Israel, wo sich bereits in den Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts Dr. Raphael Mechoulam mit der chemischen Zusammensetzung von Marihuana auseinandersetzte.
Auch die Isolation von CBD geht auf das Konto des in Jerusalem arbeitenden Professors. Die von ihm betriebene Grundlagenforschung führte Jahrzehnte später dazu, dass viele Krankheiten mit Cannabinoiden erfolgreich behandelt werden können. Beispielsweise auch Autismus. Selbst bei Kindern kam bereits der nicht berauschende Wirkstoff Cannabidiol zum Einsatz und Eltern von unter Epilepsie leidenden Heranwachsenden schwören ebenfalls auf die Fähigkeiten von CBD.
Nun hat in Israel eine neue Forschungsreihe bezüglich Autismus aber überraschende Ergebnisse hervorgebracht, die die bisherigen Erkenntnisse ein wenig in Frage stellen und einen wissenschaftlichen Wendepunkt bedeuten könnten. Laut Forschern der Tel Aviv Universität scheint es nämlich so, als ob Tetrahydrocannabinol – also das berauschend wirkende THC – die effektivere Substanz im Kampf gegen Autismussymptome darstelle.
Mit Mäusen der Wahrheit hinterher
Es wird seitens der israelischen Wissenschaftler davon berichtet, dass autistische Mäuse geselliger werden und deren Zwangsstörungen verringert werden können, wenn man ihnen THC-haltige Cannabisprodukte verabreichen würde. Die Studie könne die Richtung aller Bemühungen bezüglich der Verwendung von Cannabis zur Behandlung der Störung ändern, sagen die Forscher. Die Ergebnisse würden darauf hindeuteten, dass derzeit nicht die richtige chemische Verbindung der Pflanze im Mittelpunkt stehe. Aktuell würden sich viele Patienten selbst mit CBD-Produkten behandeln und die wissenschaftlichen Untersuchungen konzentrierten sich in erster Linie ebenfalls auf das nicht berauschend wirkende Cannabinoid.
2019 zeigte eine ebenfalls in Israel durchgeführte Studie, dass die meisten Patienten mit CBD behandelt würden und damit positive Ergebnisse bezüglich der Eindämmung ihrer Krankheitssymptome erzielten. In der jetzt an einer großen Anzahl Mäusen durchgeführten Untersuchung kam aber ein anderes Bild zum Vorschein. Die Forscher gehen davon aus, dass THC weitaus wirksamer ist. Nicht nur die Symptome wären für das betroffene Individuum besser verträglich, sondern die Fähigkeiten, sozial zu agieren, würden auf diese Weise gesteigert.
THC bei Autismus effektiver
Die laufenden Studien hätten sich meist nicht genügend auf die Details konzentriert, was in Cannabis tatsächlich enthalten ist und was den Menschen helfen könne, erklärte die beteiligte Forscherin Shani Poleg gegenüber der Times of Israel. „In unserer Studie haben wir uns die Details angeschaut und sind zu überraschenden und interessanten Ergebnissen gekommen. Nachdem man CBD-Öl einsetzte, beschränkte man sich auf Öl, das überhaupt kein Cannabidiol, aber dafür geringe Mengen THC enthielt. Das Ergebnis: THC war wirksamer. Der Hauptunterschied bestand darin, dass die THC-Behandlung auch das Sozialverhalten verbesserte, nicht nur das repetitive, zwanghafte Verhalten, so Poleg.
Die Behandlung mit CBD half den Mäusen in der Studie vor allem bei der Bewältigung sich wiederholender, zwanghafter Verhaltensweisen. Shani Poleg sagte, dass THC zwar Rauschzustände hervorrufe, die Forschung aber darauf hindeute, dass die Menge der Verbindung, die benötigt würde, um Ergebnisse zu erzielen, ziemlich gering sei. Die Studie zeige, dass bei der Behandlung von Autismus mit medizinischem Cannabisöl weder hohe CBD- noch THC-Mengen erforderlich seien. Man habe bereits eine signifikante Verbesserung der Verhaltenstests nach der Behandlung mit Cannabisöl beobachten können, das nur geringe Mengen an THC enthielt. Auch stellte man keine langfristigen Auswirkungen bei kognitiven oder emotionalen Tests fest, die man eineinhalb Monate nach Beginn der Behandlung durchgeführt hatte.
Gute Gründe für THC-Behandlungen
Shani Poleg erläuterte dazu, warum THC-haltige Cannabisprodukte von Nutzen sein könnten. Die vorherrschende Theorie besagt, dass Autismus mit einer Übererregung des Gehirns einhergehe, die das zwanghafte Verhalten verursache würde. Im Labor konnte man aber zusätzlich zu den Verhaltensergebnissen eine signifikante Abnahme der Konzentration des erregenden Neurotransmitters Glutamat in der Rückenmarksflüssigkeit feststellen, was die Verringerung der Verhaltenssymptome erklären könnte.
Poleg betonte aber auch, dass es sich bei der von Prof. Daniel Offen geleiteten und kürzlich in der Zeitschrift Translational Psychology veröffentlichten Studie um eine vorläufige Studie handle, die noch nicht als Behandlungsempfehlung verstanden werden sollte. Sie wies auch noch darauf hin, dass die Mutation, die bei ihren Mäusen Autismus verursachte, Shank3, nur für eine kleine Minderheit der menschlichen Autismusfälle verantwortlich sei. Gerade einmal ein Prozent der Fälle sind auf diese Mutation zurückzuführen.
Man hoffe aber sehr, dass dies die weitere Erforschung bezüglich der Verwendung von medizinischem Cannabis bei Autismus fördere und somit zukünftig wirksameres Cannabis verwendet werden könne. Die Forschungsgruppe arbeitet nun daran, die beste Zusammensetzung des Öls herauszufinden, um die positiven Auswirkungen zu maximieren.