Kommen bald passgenaue Hanfprodukte für den Zappelphilipp? Was früher ganz ohne wissenschaftliche Analyse nur in Kinderbüchern wie dem „Struwwelpeter“ zu Erziehungszwecken ironisiert wurde, ist als medizinische Indikation unter dem Sammelbegriff der Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) umfassend erforscht.
Bis zu sechs Prozent der Kinder und Jugendlichen und immer mehr Erwachsene sind von Problemen beim Konzentrieren oder unkontrollierten, impulsiven Bewegungen betroffen. Laut einer neuen Studie aus Großbritannien bietet sich möglicherweise Cannabis als natürliches Heilmittel zur Linderung der Beschwerden an, deren bisher sonst übliche Behandlung mit der chemischen Keule keineswegs so zuverlässig effektiv oder gut verträglich funktioniert wie von Big Pharma dargestellt.
Cannabinoide gegen Ängste und schlechten Schlaf
Ein Jahr lang begleiteten britische Wissenschaftler ADHS-Patienten und dokumentierten die Auswirkungen von deren Cannabiskonsum auf die Lebensqualität. Bekanntlich haben von den Störungen betroffene Menschen häufig mit vielen Ängsten zu kämpfen, können nachts kaum schlafen und sind tagsüber entsprechend gereizt, was Probleme beim Fokussieren und Kontrollieren logischerweise noch verschärft. Zwar sind Hanfprodukte mit THC auf der Insel derzeit noch verboten, aber wie in Deutschland probiert man auch in Großbritannien dann eben heimlich immer öfter aus, was über Cannabinoide aus der Wissenschaft so berichtet wird. Wo Politiker und unterwürfige Behörden nach dem Schafott rufen und auch schwer leidende Leute wegen Cannabis vorzugsweise hinter Gittern sehen, ist die Forschung bei ADHS wie vielen anderen Erkrankungen endlich aufgewacht.
Als vielleicht älteste Medizin der Menschheit stand der Alleskönner Hanfpflanze zwar immer zur Verfügung, doch die berüchtigte Gemengelage aus Paternalismus, Gier und Trunkenheit sorgte für ein weltweites Verbot von THC, dessen therapeutische Eigenschaften nur selten wirklich kompetent erforscht wurden. Mag sein, dass ein Teil der zahllosen spannenden Studien von Unternehmen erstellt sind, die sich künftig Profit durch pflanzliche Heilkraft erhoffen, aber beim Cannabis bleibt das aus guten Gründen eben weniger riskant als etwa bei Contergan oder Silomat. Die botanischen Wirkstoffe interagieren mit unserem körpereigenen Endocannabinoidsystem und stimulieren, helfen, pushen den Organismus sozusagen ganz natürlich, statt mit dem Flammenwerfer im Leib zu wüten wie manches chemische Medikament.
Auch spricht die lange Geschichte der Verwendung von THC, CBD und anderer Inhaltsstoffe aus dem Hanf für dessen potenziellen Einsatz gegen physische wie psychische Störungen. Die mit ADHS einhergehenden Belastungen sind gewissermaßen holistisch und sorgen wahrscheinlich selbst im Schlaf für Albträume, was das Leben von jungen wie alten Patienten praktisch vollständig in Geiselhaft nimmt. Ob Cannabis das meistens vom Arzt eingesetzte Methylphenidat, besser bekannt unter einem seiner Handelsnamen Ritalin, wirklich in großem Stil ersetzen kann, klärt die neue Studie von der Insel natürlich bisher nicht – aber es gibt Anlass zur Hoffnung!
Neurodivergenz ADHS und Hanf: ein Traumpaar?
Eigentlich sprechen Experten bei Schwierigkeiten mit der Konzentration nicht mehr von einer Störung, sondern bezeichnen ADHS und einige andere Indikationen als Neurodivergenz. Gemeint sind die menschlich allzu menschlichen Varianten von neurologischer Aktivität und der Arbeit im Gehirn, was jenseits der Probleme auch Chancen haben kann, etwa für die Kreativität oder unsere Energie beim Lösen von Aufgaben. Cannabis beziehungsweise die Inhalte von Hanfpflanzen sind rund um solche Aspekte ebenfalls sehr beliebt und erfolgreich in der Verwendung. Kunst und Kultur ohne Cannabinoide sind ziemlich sicher genauso wenig denkbar wie das Oktoberfest ohne Alkohol!
Bei den berichteten, vorteilhaften Effekten von Hanf auf Menschen mit ADHS könnte es sich nicht nur um eine biologisch optimale Interaktion auf Abläufe im Organismus handeln, sondern auch um einen weiteren Nachweis der enormen Schubkraft von Haschisch und Marihuana beim Denken. Freizeitkonsum für mehr Schwung im Kopf, Bett und Leben ist sicher nett und kann oft helfen, doch bei einem klinischen Aufmerksamkeitsdefizit braucht es schon noch mehr aus den Schatztruhen von Mutter Natur.
ADHS macht Betroffene vielfach depressiv und paranoid, zu Nachzüglern in Schule und Beruf und kann selbst die besten sozialen Beziehungen vor extreme Herausforderungen stellen. Ob also aus dem hyperaktiven Menschen dank THC vielleicht der nächste Picasso wird, bleibt aktuell noch eine sehr theoretische Frage. Die britische Studie legt aber schon mal die Grundlagen für neue therapeutische Optionen.
Cannabis als Substitut für chemische Medikamente
Wer ADHS hat und vom Doktor Präparate der Schulmedizin wie Ritalin oder Adderall verschrieben bekommt, erfährt häufig zwar eine Linderung der Symptome, zugleich aber auch manchmal heftige Nebenwirkungen von Gewichtsverlust bis Herzrhythmusstörungen. Darauf verspüren viele Patienten wenig Lust und nehmen die Mittel widerwillig ein und wirklich nur, damit Lernen, Erinnern und Motivieren im Alltag wenigstens einigermaßen funktionieren. Laut der neuen Untersuchung kann Cannabis nicht selten sehr gut verträglich aushelfen und die kognitiven Prozesse verbessern, ohne dass man sich nach der Einnahme wie ein Zombie fühlt.
Teilgenommen haben 68 Leute mit einer ADHS Diagnose, denen in Großbritannien offiziell Hanf als Heilmittel ärztlich verschrieben wird. Ein Jahr lang sammelten die Forscher Daten im Abstand von 1,3 und 6 Monaten, analysierten zudem im Gras enthaltene Cannabinoide und deren Dosierung. Im Ergebnis berichteten elf Personen von eher unangenehmen Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, während immerhin neun Probanden die chemische Keule weglassen konnten. Der Rest gab eine Reihe von Vorteilen für die eigene Lebensqualität an. Deutlich verbessern konnte das Cannabis demnach die Schlafqualität, während im gleichen Zeitraum jene gefürchteten Panikattacken weniger auftraten.
Eine Besonderheit ist die frische Analyse wegen der Verwendung explizit menschlicher Daten. Ähnliche Studien über Cannabis und ADHS forschten lediglich mit Tieren und an Zellen oder basieren in erster Linie auf Umfragen in der Bevölkerung. Wegen der vielversprechenden Ergebnisse fordern die Fachleute nun einen deutlichen Ausbau der Forschung und etwa die Berücksichtigung einzelner Hanfsorten oder auch der Konsummethoden. Toleranz gegen THC und Co sollte bei künftigen Studien ebenso eine Rolle spielen. Private Selbstversuche sind darüber hinaus immer nur für Erwachsene zu empfehlen, bei denen mögliche Wechselwirkungen zwischen Hanf und Chemie ausgeschlossen werden.