Die Einsatzgebiete von Medizinalhanf sind äußert weitreichend. So können Patienten mit Parkinson eine symptomatische Linderung ihrer Krankheitssymptome, wie dem auffälligen Zittern spürbar erfahren oder selbst HIV-Patienten erhalten dank des Gebrauchs von THC-haltigem Cannabis eine verbesserte Kognition. Gerade was das Denken anbelangt, scheinen die in potentem Hanf enthaltenen Cannabinoide eine gewisse Auswirkung zu haben, die nicht als negativ zu beschreiben ist.
Wenngleich Gegner des seit Jahrtausenden von Menschen gebrauchten Naturheilmittels heute noch gerne darüber berichten, dass man vom Kiffen vergesslich oder sogar gleich dumm werden würde, spricht die Forschung eine etwas andere Sprache. Schließlich kann auch das nicht berauschend wirkende Cannabidiol (CBD) bei Alzheimerpatienten die Konzentration eines bestimmten Proteins reduzieren, das mit den hohen Entzündungswerten aufgrund der Krankheit in Verbindung gebracht wird. Dazu verbesserte CBD die kognitiven Fähigkeiten bei Versuchstieren im Labor.
Aufgrund der fortschreitenden Legalisierung von Genusscannabis, hat sich jetzt ein Team der Upstate Medical Universität im Staat New York damit beschäftigt, inwieweit der Gebrauch von Marihuana in der Freizeit subjektive kognitive Beeinträchtigungen (Subjective Cognitive Decline – kurz SCD) verursachen könnte. Das überraschende Ergebnis: Cannabiskonsum schützt vor kognitivem Verfall.
Wahrscheinlichkeit von SCD sinkt gewaltig
Die von Zhi Chen, einer „Master of Public Health“-Studentin, und Professor Roger Wong durchgeführte Untersuchung widerlegt frühere Forschungsergebnisse, die einen negativen Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und der kognitiven Gesundheit nahelegten. Da der legale Cannabiskonsum in den Vereinigten Staaten rasch zugenommen hat, aber nur wenige Forschungsarbeiten sich mit der Frage befassen, ob Cannabis mit kognitiven Funktionen in Verbindung gebracht werden kann, wollte man hier Genaueres erfahren. Dabei konzentrierte man sich konkret auch auf die unterschiedlichen Dimensionen des Cannabiskonsums, wie Grund, Häufigkeit und Art des Konsums.
Genutzt wurden dazu die Daten von 4.744 US-Bürgern im Alter von 45 Jahren und älter, die im Rahmen des „Behavioral Risk Factor Surveillance System“ (BRFSS) im Jahr 2021 erhoben wurden. So konnte die Entdeckung gemacht werden, dass der nicht medizinische Cannabiskonsum, also einfach zu Freizeitzwecken, mit einer um 96 Prozent geringeren Wahrscheinlichkeit für SCD verbunden war als bei Nichtkonsumenten. Wie Earth.com berichtet, wurde dieser Schutz auch bei medizinischem und dualem (also medizinischem und nicht medizinischem) Konsum beobachtet. Er verringerte ebenfalls die Wahrscheinlichkeit von subjektiven kognitiven Beeinträchtigungen, wenn auch nicht derart statistisch signifikant. Überraschenderweise wurden auch die Häufigkeit und die Art des Cannabiskonsums nicht eindeutig mit SCD assoziiert.
Bislang nur Momentaufnahme
Professor Wong, der wohl ebenfalls von dem Ergebnis überrascht wurde, sagte, dass die wichtigste Erkenntnis wäre, dass Cannabis unsere kognitiven Fähigkeiten schützen könnte. Es sei aber wirklich wichtig, in der Zukunft Längsschnittstudien durchzuführen, da die Daten nur eine Momentaufnahme des Jahres 2021 zeigten. Der Assistenzprofessor in der Abteilung für öffentliche Gesundheit und Präventivmedizin weist auch darauf hin, dass es nicht eindeutig wäre, ob Genusscannabis zu besserer Kognition führe oder ob es andere Gründe gebe.
Es könnte schließlich ebenfalls so sein, dass diejenigen mit besserer Kognition eher auf Cannabis während ihrer Freizeit zurückgreifen würden. Da Cannabis auf Bundesebene in den USA aber noch immer nicht legal ist, würde die Forschung leider derzeit behindert, doch man müsse Längsschnittstudien durchführen, um das jetzige Ergebnis untermauern zu können. Nur so könne herausgefunden werden, ob der „nichtmedizinische Cannabiskonsum“ die kognitiven Fähigkeiten im Laufe der Zeit schütze, so Wong. Dies sei etwas, was man noch nicht genau wisse.
Drei Facetten des Cannabiskonsums unter Beobachtung
Um Genaueres herauszufinden, konzentrierte man sich bei der Studie in Gegensatz zu vorheriger Forschung auf Menschen im mittleren oder höheren Alter und differenzierte auch zwischen der Art des Konsums. Dabei unterschied man zwischen medizinischen und nicht medizinischem Konsum, der Häufigkeit des Konsums und der Art des Konsums (Rauchen, Verdampfen, Essen oder Dabben). Deswegen wäre die Studie so großartig, da alle verschiedenen Dimensionen des Cannabiskonsums untersucht worden wären, was laut Professor Wong in der Vergangenheit noch nie geschehen wäre.
Daher sei ein wichtiger Beitrag zur Forschung geleistet worden. Es gäbe aber einige Einschränkungen, da die spezifischen Cannabisvorschriften der einzelnen Bundesstaaten nicht berücksichtigt werden konnten. Dies könnte zu einer potenziellen Verzerrung der Auswahl führen, weil somit bestimmte Staaten aufgrund unterschiedlicher Messungen des Cannabiskonsums in der Studie über- oder unterrepräsentiert wären. Zu den Stärken der Studie gehöre jedoch die Verwendung eines nationalen Datensatzes, was die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse erhöhe. Veröffentlicht wurden die wichtigen Ergebnisse nun im Journal „Current Alzheimer Research“.
Besserer Schlaf und Stressabbau, ein Grund?
Professor Wong versucht den Grund für die etwas unterschiedlichen Auswirkungen von Genuss- und Medizinalhanf zu ermitteln. Er vermutet, dass die Unterschiede bezüglich des Schutzes vor SCD auf die jeweiligen Cannabinoide zurückzuführen sein könnten, die im Cannabis vorhanden sind. Während Genusscannabis oft eine höhere THC-Konzentration aufweise, würde medizinisches Cannabis meist eine höhere CBD-Konzentration besitzen. Ebenfalls würden Menschen, die in ihrer Freizeit Cannabis konsumierten, damit gegen Schlafprobleme vorgehen und ihr Stress-Level reduzieren wollen. Beides wären Risikofaktoren für Demenz.
Die schützende Wirkung von „nicht medizinischem Cannabis“ vor SCD könnte somit auf einen verbesserten Schlaf und auf den Abbau von Stress zurückzuführen sein. Während, wie erwähnt, CBD bei Alzheimerpatienten gegen die Auswirkungen der Krankheit hilfreich ist, so würde man auf Grundlage der Ergebnisse nicht erkennen können, dass CBD in medizinischem Cannabis der kognitiven Gesundheit ähnlich zuträglich wäre, erklärt Wong.
Trotz alledem dient diese Studie als Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen des potenziellen Nutzens von nicht medizinischem Cannabiskonsum für die kognitive Gesundheit. Dabei unterstreicht die Studie, wie wichtig es ist, die verschiedenen Facetten des Cannabiskonsums zu berücksichtigen, wenn man die Auswirkungen von Cannabis auf das Gehirn untersucht.