Aus Philadelphia kommt dieser Tage eine neue Studie über Cannabistherapien, deren Anordnung durch Behörden nach der Legalisierung rasch und deutlich sinkt. Sind das gute Nachrichten auch für Deutschland, wo die überfällige Entkriminalisierung von THC bevorsteht?
In der Untersuchung geht es um junge Menschen und um erzwungene Behandlungen, die bekanntlich längst nicht immer wirklich nötig sind, ja sogar oft genug richtig großen Schaden anrichten. Natürlich hat Vater Staat eine Fürsorgepflicht und darf auch Entziehungskuren sozusagen befehlen. Jugendschutz aber durch eine völlig an den Realitäten vorbeigehende Dämonisierung der Hanfpflanze betreiben zu wollen, ist wissenschaftlich gesehen weder fair noch vorteilhaft für die Betroffenen.
Landesweit weniger Zwangseinweisungen wegen Cannabiskonsum
Es ist natürlich logisch, dass legale Cannabisprodukte nicht mehr vor jedem Gericht einfach für erzwungene Therapien herhalten können. Die neue Studie zeigt den Rückgang solcher Anordnungen für Leute unter 24 Jahren, aber in den ganzen USA. Möglicherweise gerieren sich nicht nur in den Legal States viele Richter wie Staatsanwälte seltener als Götter in Roben, wenn THC zur Verhandlung steht. Hat die amerikanische Justiz also beim Cannabis endlich kapiert, dass es sich weder um tödliches Kraut noch um eine immer süchtig machende Substanz handelt?
Bemerkenswert ist dabei der ebenfalls untersuchte Zusammenhang mit Straftaten. Wegen Cannabis werden heute glücklicherweise nicht mehr so viele junge Menschen angeklagt und zum maximal blamierenden Klinikaufenthalt verdonnert. Andere Studien konnten umfassend aufzeigen, welche Probleme durch solche Maßnahmen entstehen. Das reicht von sozialer Ächtung über die Entwicklung von Angststörungen hin zu schweren Depressionen und konterkariert leider immer noch ohne Not eigentlich gut gemeinte Eingriffe in die Privatsphäre von jungen Menschen.
Wegen THC strafen statt helfen richtet sinnlos Schaden an
Auch bei uns wird die Cannabistherapie viel zu häufig befohlen, geht es selten um individuelle Bedürfnisse und Hilfe, sondern um pure Einschüchterung der Betroffenen. Aufklärung würde in den meisten Fällen reichen und Zwangseinweisungen in die Entziehungsklinik braucht es normalerweise nur bei Teenagern, deren Hanfkonsum wahlweise den gesamten Tag ausfüllt oder besondere Auffälligkeiten zeigt. Doch selbst im Blut vom Amokläufer an der Schule nachgewiesenes THC muss keineswegs bedeuten, dass ausgerechnet Hanf für ein solches Drama verantwortlich ist. Erziehung durch Entziehung geht laut neuster Analyse aus den USA nur glaubhaft und erfolgreich, wenn gleichzeitig die Cannabis-Gesetzgebung auf der Basis von Fakten beruht.
Alles andere und damit auch die aktuell noch bestehende Drogenpolitik in Deutschland sieht eher nach Willkür aus als nach Jugendschutz, zumal selbst hiesige Studien mittlerweile zugegeben, dass die jahrelangen Verbote und Zwangsmaßnahmen gegen Hanfkonsumenten überhaupt nichts gebracht haben. Muss der pubertierende Teenie wirklich so schnell und wochenlang in die Klapse zum Entzug, nur weil Hanf im Spiel ist? Sicher sind einige Eltern überfordert oder unfähig, aber gerade Cannabinoide nutzt die Politik samt angeschlossener Organe in Justiz und Exekutive nur allzu gerne, um maximales Überwachen und Strafen zu rechtfertigen.
Während nämlich Trinken erst nach mehreren Auffälligkeiten wie einer wiederholten Einlieferung in die Notaufnahme wegen Alkoholvergiftung zu einer Zwangstherapie führen kann, werden die Leute beim THC fast immer gemaßregelt. Findet sich beim Mopedfahrer Cannabis im Rucksack, ist der Führerschein weg. Verurteilte müssen zum Idiotentest reden, die einzelnen Gängeleien selbstverständlich bezahlen und wer ein paarmal vor Gericht landet, darf für den vielleicht völlig belanglosen Hanfkonsum in einer Klinik endlos Zeit vergeuden. Besser wäre es, so die Macher der neuen Untersuchung über Zwangstherapien und Cannabis Legalisierung, die Öffentlichkeit aufzuklären und zu sensibilisieren – es geht demnach um nichts weniger als „soziale Gerechtigkeit!“
Ersetzen Therapieangebote beim Cannabis in Zukunft staatlichen Zwang?
Wünschenswert sei das auf jeden Fall, meint die frische Studie aus Übersee und bei den Worten sozial, gerecht und Wissenschaft ohnehin sollte auch der deutsche Gesundheitsminister von der SPD aufhorchen. Gesundheitsfürsorge wie effektiver Jugendschutz gehören beim Thema Entzug von Cannabis laut Forschung nicht mehr in und unter die Mühlen der Justiz, sondern müssen durch die Beurteilung durch echte Experten unterstützt werden. Jugendmediziner ohne Schere zum Hanf im Kopf und Psychologen dürften im offenen, fairen Gespräch mit Betroffenen viel besser herausfinden, ob ein stationärer Aufenthalt nötig ist – oder ob THC nicht ein ganz anderes, schwerwiegenderes Problem im Leben der Leute verdeckt.
Die Bevölkerung sollte wissen, dass Cannabis kein Gift ist mit der Tendenz zum Amoklauf, sondern vor allem bei einer schwerwiegenden Abhängigkeit Behandlung nötig hat. Beim Alkohol geht die Unterscheidung je nach Einzelfall wohl problemlos, oder? Rund um eine Legalisierung für Hanfprodukte braucht es deshalb eine Umstellung beim Therapieren genauso dringend wie neue THC-Grenzwerte im Straßenverkehr. In die Klinik gehört, wer auffällt und echte Schwierigkeiten hat – zumal die Plätze ohnehin rar sind. Je mehr Leute einfach nur für Cannabinoide eingewiesen werden, desto weniger können tatsächlich Bedürftige behandelt werden.
Die aktuelle Analyse steht übrigens in einer Reihe mit fast identischen Studien, nach denen etwa weniger Kids wegen Hanfkonsum durch die Eltern in eine Pflegefamilie wandern. Legales Cannabis führt statistisch nachweisbar seltener zu Gewalt in den eigenen vier Wänden, verringert Vernachlässigung und Missbrauch ebenfalls. Und natürlich ist es für das Kindeswohl sehr von Vorteil, wenn Mama oder Papa oder beide nicht für den Gebrauch von Haschisch und Marihuana jahrelang eingesperrt werden.
Die gesellschaftlichen Folgekosten der sinnlosen, schädlichen Verbote für Cannabinoide sind mittlerweile so groß und unübersehbar, dass auch in Deutschland sofortiges Handeln die Politik bestimmen sollte.