Nachdem Cannabis sich aufgrund aufgeweichter Gesetzeslagen hat immer weiter erforschen lassen, ist seitens der Wissenschaft viel Neues in Erfahrung über die seit Jahrtausenden im Einsatz befindlichen Pflanze gebracht worden. Vor gerade einmal 60 Jahren wurde durch den israelischen Forscher Raphael Mechoulam reines Cannabidiol aus Cannabis gewonnen, während ein Jahr später Tetrahydrocannabinol von ihm entdeckt wurde.
Diese Forschung an der alten Nutz- und Heilpflanze bringt teils auch heute noch überraschende Ergebnisse zum Vorschein, die selbst Cannabisenthusiasten verwundern lassen. Während in den vergangenen Jahren davon ausgegangen wurde, dass insbesondere die aromatischen, organischen Verbindungen namens Terpene für den eigentümlichen Geschmack und Geruch von verschiedenen Cannabissorten verantwortlich wären, wurde nun diesbezüglich eine neue Entdeckung gemacht.
Eine neue Studie, die von der American Chemical Society veröffentlicht wurde, hat „bisher unentdeckte Cannabisverbindungen“ identifiziert, die diese konventionelle Weisheit infrage stellen. Was also wirklich jeder Sorte ihr einzigartiges Geruchsprofil verleiht, könnte somit tatsächlich einen anderen Ursprung haben als nur das Terpenprofil.
Terpene offenbar überbewertet
Die von einem Team von Wissenschaftlern aus verschiedenen Marihuana-Extraktions- und Testunternehmen durchgeführte Untersuchung besagt, dass das Aroma zwar eine Schlüsseleigenschaft bei der Unterscheidung von Cannabissorten und den Vorlieben der Konsumenten wäre, die Bedeutung der Terpene hier aber offenbar überbewertet würde. Im Oktober 2023 wurden die Ergebnisse der Untersuchungen in der Zeitschrift ACS Omega veröffentlicht, die zwar auch aussagen, dass Terpene sicherlich zum Geruch von Marihuana beitragen, jedoch im Allgemeinen kaum Informationen über die einzigartigen aromatischen Eigenschaften vieler Cannabissorten bieten.
Circa ein bis vier Prozent der Gesamtmasse von getrockneten Cannabisblüten würden die Terpene insgesamt ausmachen, doch selbst bei Cannabisvarietäten mit einem ähnlichem Terpenprofil können die Gerüche von einer Sorte zur nächsten bereits sehr stark variieren. „Sorten aus den Klassen von süßen und herzhaften exotischen Varietäten haben oft sehr ähnliche Terpenprofile, was darauf hindeutet, dass sie nicht die treibende Kraft hinter den einzigartigen aromatischen Unterschieden sind“, sagen die Forscher.
Aroma dank Aromastoffen
Der Bericht führt einen Großteil dieser gruppeninternen Unterschiede im Aroma auf die sogenannten Aromastoffe zurück, eine Klasse von Chemikalien, zu der Ester, Alkohole und andere Verbindungen gehören. Wie Terpene werden auch Aromastoffe als flüchtige Stoffe kategorisiert und verbreiten sich in der Regel leicht über die Luft. Bei der Forschung wurde nun herausgefunden, dass diese Aromastoffe auch bei Marihuanasorten mit unterschiedlichen dominanten Terpenen ähnliche Aromen erzeugen können.
Bei der Analyse der flüchtigen chemischen Profile von 31 Eis-Hash-Extrakten stellten sie fest, dass man eine Vielzahl von nicht terpenoiden Verbindungen identifizieren könne, die die einzigartigen aromatischen Eigenschaften von Cannabis stark beeinflussen würden. Man hätte insbesondere eine neue Klasse tropischer flüchtiger Schwefelverbindungen (VSCs) identifiziert, die einen wichtigen Beitrag bei bestimmten Sorten mit starkem Zitrus- oder Tropenfruchtaroma leisten würden. Skatol (3-Methylindol) hingegen, wäre eine sehr scharfe Verbindung, die als Schlüsselaromastoff in würzigen/chemischen Sorten identifiziert worden sei, heißt es weiter.
Klassifizierung von Cannabissorten verbessern
TJ Martin, der Vizepräsident für Forschung und Entwicklung beim Extraktionsunternehmen Abstrax, sagte in einer Unternehmensmitteilung, dass das Forscherteam eine klare Korrelationen zwischen wichtigen Nebenverbindungen gefunden hätte, die bislang noch nie zuvor in Cannabis entdeckt worden wären und wohl einige der begehrtesten Aromen erzeugen könnten.
Er sagte auch, dass nach der Analyse durch das Sensorik-Team und der Überprüfung von analytischen Daten deutlich geworden sei, dass Terpene zwar bei der Erzeugung vieler typischer Cannabis-Aromen eine wichtige Rolle spielten, aber nicht unbedingt viele Sorten mit ausgeprägten Düften unterscheiden ließen. Neben einem besseren Verständnis darüber, was das einzigartige Aroma einer Cannabissorte ausmache, böte die Katalogisierung neuer Verbindungskategorien eine neue Möglichkeit, Sorten anhand der wichtigsten wünschenswerten Aromaattribute klassifizieren zu können, heißt es dazu in dem abgeschlossenen Bericht. TJ Martin war eines der Mitglieder des 14-köpfigen Forschungsteams, zu welchem auch Mitarbeiter der Unternehmen 710 Labs, SepSolve Analytical und Markes International zählten.
Wichtige Ergebnisse für die Cannabisbranche
„Die Entdeckung dieser Verbindungen wird eine entscheidende Rolle bei der Validierung der Authentizität von Cannabis und der genauen Klassifizierung von Cannabissorten in der Zukunft spielen“, sagte Max Koby, Mitbegründer und CEO von Abstrax zu den Ergebnissen der Forschung. Er fügte hinzu, dass die Erkenntnisse „für Verbraucher, Forscher, Marken, Züchter, Labore, Regulierungsbehörden und alle dazwischen“ wirklich wichtig wären. Wie in der Studie auch festgehalten wird, sind Terpene zu einem immer häufigeren Mittel zur Unterscheidung zwischen Cannabissorten geworden. Dies sei wohl teilweise als Reaktion auf die häufig verwendete, aber ungenaue Klassifizierung von Cannabis als Indica, Sativa oder eine Kreuzung der beiden Hauptarten zurückzuführen.
Um die Ungenauigkeiten der „binären Indica/Sativa-Klassifizierung zu überwinden und Cannabissorten auf der Grundlage ihrer psychoaktiven und aromatischen Eigenschaften besser zu kategorisieren“, wären Terpene ein wichtiger Forschungsschwerpunkt geworden. Doch nach den neuen Erkenntnissen zufolge würden Terpene nicht die ganze Wahrheit preisgeben. Sie schränkten dazu auch die Kontrolle von Züchtern, Anbauern und Verarbeitern über ihre Endprodukte ein.
Eine breite Palette von Aromastoffen
Beispielsweise wären Zitrusaromen derzeit ein bedeutungsvoller Trend in der Aromawissenschaft, wobei viele Marken daran arbeiten würden, Zitrusalternativen zu entwickeln, heißt es in der Mitteilung von Abstrax. Mit der Entdeckung der neuen Verbindungen, die unter anderem auch für den kultigen „Tangie-Geschmack und das Tangie-Aroma“ verantwortlich wären und als „Tropicannasulfur“ bekannt sind, könnten andere Industrien diese entdeckten Verbindungen nun nutzen, um extrem einzigartige sowie wünschenswerte Geschmacksaromen zu kreieren.
Weiter heißt es, dass eine breite Palette von Aromastoffen in Cannabis identifiziert worden wäre, zu denen Ester, Alkohole, Ketone und weitere zählten. Diese würden zu den Beeren-, Tropen-, Bonbon-, Frucht-, Erdbeer-, Ananas- und anderen süßen Noten beitragen, wird diesbezüglich erwähnt. „Diese Aromastoffe spielen eine wichtige Rolle bei exotischen Sorten wie Apple Fritter, Zkittlez, Gelato und Runtz. Obwohl sie nur in kleinen Mengen vorkommen, sorgen diese Verbindungen für viele der verschiedenen süßen oder fruchtigen Noten im modernen Cannabis“, so der Bericht.
Hoffnung für den medizinischen Einsatz
Die Autoren hegen dazu auch noch die große Hoffnung, dass ihre Erkenntnisse zur Innovation im Bereich von therapeutischem Marihuana beitragen könnte. „Cannabis wird medizinisch bei vielen Beschwerden eingesetzt, aber es gibt noch so viele Fragen, wie es funktioniert und ob wir diese Eigenschaften durch die Schaffung neuer Sorten mit spezifischen chemischen Eigenschaften verbessern können“, sagte Iain Oswald, Mitautor und leitender Forscher bei Abstrax in diesem Zusammenhang.
Man hoffe, dass mit dieser Arbeit anderen Forschern neue Wege eröffnet würden, um diese einzigartige Pflanze besser verstehen und ihr volles therapeutisches Potenzial nutzen zu können. Ebenfalls könnten die Ergebnisse neben den Patienten und Verbrauchern auch für Züchter und Landwirte von Bedeutung sein, die versuchen, ein bestimmtes Profil zu erreichen oder konsistente Produkte zu erzeugen.
Veränderung des Marktes vorhergesehen
„Die Entdeckung, dass Terpene einen geringeren Einfluss auf die Unterscheidungsmerkmale des Cannabisaromas haben als in der Vergangenheit angenommen, könnte wichtige Auswirkungen auf die legale Cannabisindustrie habe. Die betrifft die Produktkennzeichnung und -vermarktung, Labortests und Qualitätsindikatoren für Endverbraucher und Produzenten gleichermaßen“, heißt es in dem Papier abschließend. Selbst in der Verpackungsindustrie könnten die Ergebnisse nützlich sein, wolle man daran arbeiten, die Haltbarkeit von Cannabisprodukten zu verlängern. Brad Melshenker, ein Mitautor der Studie und der Co-CEO von 710 Labs, sagte darüber hinaus, dass die Forschung dabei helfen würde, den Geschmack bezüglich der Cannabiserfahrung besser verstehen zu können.
Dies würde es ermöglichen, Kunden besser zu informieren und ideale Phänotypen für die „genetische Bibliothek“ auszuwählen. Abstrax sagte, dass die Studie letztlich zu vier Abhandlungen führen werde, in denen die Ergebnisse auf leichter zugängliche Schlussfolgerungen heruntergebrochen werden können. Dazu gehörten Papiere über die Erforschung exotischer Geschmacksstoffe, die in „Tangie“ gefundenen tropischen VSC, ein tiefes Eintauchen in die chemischen Bestandteile der GVO-Sorte und eine Erforschung der süßeren Verbindungen in Marihuana.
Diese bahnbrechende Forschung gäbe nicht nur Antworten auf drängende Fragen, sondern entfache auch eine neue Leidenschaft und Neugierde für das, was als Nächstes käme, so das Unternehmen. „Mit jeder neuen Erkenntnis sind wir einen Schritt näher dran, das enorme Potenzial und die Geheimnisse dieser bemerkenswerten Pflanze vollständig zu entschlüsseln.“ Einen Schritt weiter ist man mit der Entdeckung der bedeutenden Aromastoffe jedenfalls eindeutig gekommen!