Hanf ist ein sehr vielseitig einsetzbarer und nachwachsender Rohstoff, der während des Wachstums sogar noch zuträglich für den genutzten Boden ist. Nahrungsmittel, Fasern für Textilien, Bau- und Dämmstoffe sowie sogar Ersatz für Plastik lässt sich aus der Hanfpflanze mittels der richtigen Technologie gewinnen. Dazu wird das Einsatzgebiet für Hanf stetig erweitert und Forscher suchen nach neuen Möglichkeiten, die praktische Pflanze in anderen Gebieten sinnvoll einzusetzen.
Jetzt haben Wissenschaftler in den USA biologisch abbaubare Materialien entwickelt, die eine sehr starke Flüssigkeiten absorbierende Fähigkeit aufweisen und beispielsweise für die Herstellung Windeln genutzt werden können und damit den Umweltschutz ein Stück nach vorn bringen. Auch bei Hygieneartikeln für Frauen und in der Landwirtschaft könnte die aus Hanffasern extrahierte Zellulose in Zukunft praktische Verwendung finden.
Zurück zur Natur
Wie schon zuletzt Cem Özdemir, der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, festhielt, ist Hanf ein äußerst praktischer Rohstoff, der dazu beitragen kann, eine klimafreundliche Alternative für bislang im Einsatz befindlicher Materialien in den verschiedensten Bereich zu sein. So sehen das auch die Forscher der Purdue Universität in Lafayette im US-Bundesstaat Indiana. Sie entwickelten aus Hanfzellulose „suberabsorbierende“ Materialien, die biologisch abbaubar und damit wesentlich umweltfreundlicher als erdölbasierte Absorptionsmittel sind. So können Umweltprobleme reduziert werden, die nicht erneuerbare und nicht biologisch abbaubare Produkte aktuell verursachen.
Alleine bei der Produktion dieser Waren werden die auftretenden Probleme durch den erheblichen Energieaufwand für ihre Herstellung noch verschärft. Senay Simsek, die Leiterin der Abteilung für Lebensmittelwissenschaften der Universität und Leiterin eines Forscherteams im Hanfprojekt, erklärt auf HempToday.net, dass Hanfschäben aufgrund ihres hohen Zellulosegehalts und ihres geringen Ligningehalts sehr saugfähig seien. Sie befinden sich im inneren Holzkern des Hanfstängels und eigneten sich hervorragend als Alternative für superabsorbierende Anwendungen, wie sie beispielsweise auch bei Windeln benötigt werden.
Veränderung der molekularen Struktur
Senay Simsek führt aus, dass die aus Hanffasern gewonnene Zellulose eine modifizierbare Molekularstruktur besäße, die dahin gehend verändert werden könne, dass das Wasserrückhaltevermögen erhöht wird. Dies mache sie ideal für Produkte, die eine hohe Saugfähigkeit erfordern. Hanfbastfasern, die strähnigen Fasern am äußeren Kern der Hanfpflanzenstängel, seien zwar weniger saugfähig, böten aber Festigkeit und Haltbarkeit, fügt Simsek hinzu.
Das Verfahren der Universität zur Veredelung der aus Hanf gewonnenen Zellulose umfasse eine sorgfältig konzipierte Abfolge von Behandlungen, die zunächst die natürliche Struktur des Materials aufbrechen und anschließend seine Oberfläche und Porosität vergrößern würde. Ungefähr so, als würde man „einen kompakten Schwamm in einen offeneren, flauschigeren Schwamm verwandeln“, so die Forscherin. Die Einzigartigkeit der entwickelten Technologie läge dazu in der Vielseitigkeit, die sie für verschiedene Anwendungen von superabsorbierenden Materialien in unterschiedlichen Branchen hervorragend geeignet machen würde.
Andere Anwendungen angepeilt
Laut Simsek könnte die so gewonnene Hanfzellulose neben Windeln und Hygieneprodukten auch bei anderen wichtigen Anwendung zukünftig eine praktische Rolle spielen. Das Material könnte zum Beispiel auch in Zusatzstoffen verwendet werden, die dem Boden helfen, Wasser zu speichern, und damit eine nachhaltige Alternative zu herkömmlichen Supersaugstoffen darstellen. Bisher im Einsatz befindliche Superabsorber würden schließlich den Boden schädigen und somit das Pflanzenwachstum hemmen können.
Ihr Ansatz spare Wasser und unterstütze das Ökosystem, indem sie eine biologisch abbaubare Lösung anböten, die sich nahtlos in die natürlichen Kreisläufe einfügen würde. Auch wäre es denkbar, die Absorptionsmittel auf Hanfbasis für Biosensoren zu verwenden, die in einer Vielzahl von Branchen zum Einsatz kommen, unter anderem bei Glukosestreifen und Schwangerschaftstests. Die Vielseitigkeit ergäbe sich aus der Fähigkeit des Materials, dynamisch auf Umweltveränderungen zu reagieren. Diese Eigenschaft sei für eine zeitnahe und genaue Biosensorik unerlässlich, erklärt Simsek.
Gut für die Umwelt
Die Abfälle aus gebrauchten, biologisch nicht abbaubaren Wegwerfwindeln belasten die Gesundheit des Planeten, so das Weltwirtschaftsforum in einem Report aus dem Jahr 2023. Jede Minute würden mehr als 300.000 Wegwerfwindeln verbrannt oder auf Mülldeponien entsorgt und alleine in den USA landeten jährlich Milliarden von Menstruationsbinden und Tampons im Müll. Und neben Umweltbedenken führe die Herstellung von Absorptionsmitteln auf Erdölbasis zur Erschöpfung begrenzter Ressourcen und würde diese Produkte an schwankende Ölpreise und geopolitische Spannungen binden, fügt Senay Simsek bezüglich des Umweltfaktors ihrer Forschung hinzu.
Der nächste Schritt bestehe daher jetzt darin, die Technologie auf ein industrielles Niveau zu bringen, um superabsorbierenden Materialien für den jeweiligen Einsatz auf den Markt bringen zu können. Diese Skalierungsphase wäre nicht nur für die Verfeinerung des Verfahrens von entscheidender Bedeutung, sondern auch deshalb, um die praktischen Anwendungen der Innovation in der Landwirtschaft und bei Lebensmittelverpackungen zu demonstrieren. Dies wären laut Simsek die Bereiche, in denen nachhaltige Lösungen dringend benötigt würden.
Ein großer Markt
Dass die Entwicklung eines supersaugfähigen Materials auf Hanfbasis nicht für die Umwelt, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht viel Sinn ergibt, verraten Zahlen, die die Marktgröße von Windeln und Hygieneartikeln beschreiben. So soll der weltweite Umsatz mit Einwegwindeln für 2023 auf eine Summe zwischen 80 und 90 Milliarden US-Dollar geschätzt worden sein, während der Markt für Damenhygieneprodukte – einschließlich Tampons, Binden und Einlagen – bis 2025 voraussichtlich 50 bis 55 Milliarden US-Dollar erreichen werde.
Die Möglichkeiten für solche Materialien sind somit enorm. Die kombinierte Marktgröße für Biosensor-Glukosestreifen, die von Diabetikern verwendet oder für Heim-Schwangerschaftstests eingesetzt werden, wurde laut HempToday.net im letzten Jahr weltweit auf etwa 20 bis 25 Milliarden Dollar geschätzt. Der Markt für Wasserrückhaltesysteme in der Landwirtschaft ist dagegen ein relativ kleines Segment, das auf etwa 500 Millionen bis 1 Milliarde Dollar geschätzt wird. Doch aufgrund der zunehmenden Sorge über eine mögliche Wasserknappheit und der zunehmenden Einführung nachhaltiger landwirtschaftlicher Praktiken könne erwartet werden, dass der Markt in den kommenden Jahren ein erhebliches Wachstum verzeichnen wird.
Wohl auch aus diesen Gründen hat man die Erfindung des supersaugfähigen Materials auf Hanfbasis beim Kommerzialisierungsbüro der Universität eingereicht, das bereits ein Patent beim US-Patent- und Markenamt beantragt hat.