Es gibt so viele verschiedene Eigenschaften und Nutzungsmöglichkeiten von Hanf und Cannabis, dass die Überlegung berichtigt scheint, inwieweit die vielseitig einsetzbare Pflanze einen Grund für ihre Existenz besitzt. Als Faserlieferant, als natürliches Arzneimittel oder auch als Stoff zum Berauschen kommt Hanf beziehungsweise Cannabis infrage und viele Einsatzgebiete werden aktuell erst wieder erschlossen.
Beispielsweise bei der Tierfütterung konnte man in den vergangenen Monaten die Erkenntnisse gewinnen, dass Hühner dank Cannabis auf Antibiotika verzichten können oder Kühe einen geringeren Stressmarker aufzeigen, wenn sie mit Nutzhanf gefüttert werden. Gerade was die Nahrungsaufnahme betrifft, zeigt Cannabis verblüffende Wirkungen. So können die Wirkstoffe aus der Pflanze auch therapeutisch dazu eingesetzt werden, gegen eine durch Krankheit hervorgerufene Appetitlosigkeit zu wirken. Dass dies nicht nur bei größeren Lebewesen, sondern auch bei kleinsten Kreaturen der Fall ist, hat nun eine neue Untersuchung ans Tageslicht bringen können.
Fadenwurm Caenorhabditis elegans als Versuchsobjekt
Vor mehr als 500 Millionen Jahren lebten die gemeinsamen Vorläufer von Säugetieren und Fadenwürmern auf unserem Planeten. Der heutzutage noch lebende circa ein Millimeter große Fadenwurm Caenorhabditis elegans ist ein bei Genetikern wie Entwicklungsbiologen überaus beliebter Modellorganismus, der jetzt auch in der Forschungsarbeit eines Neurowissenschaftlers von der University of Oregon in Eugene zum Einsatz kam.
Das Team um Shawn Lockery hat die eingefahrenen Ergebnisse bezüglich der Wirkung von Cannabinoiden auf das Fressverhalten der Würmer im Fachblatt Current Biology veröffentlicht und kann darüber berichten, dass eine bei Cannabiskonsumenten äußerst bekannte Situation auch bei den kleinen Kreaturen auftritt. Wurden die kleinen Bodenbewohner dem Cannabinoid Anandamid ausgesetzt, trat der wohlbekannte „Fress-Flash“ auch bei den Fadenwürmern auf. Das heißt, dass die Würmer trotz einer Abwesenheit von Hunger ein sogenanntes „hedonistisches Fressen“ entwickelten, bei dem sie mehr als sonst zu sich nahmen und ihre Lieblingsnahrung, spezielle Bakterienstämme, nochmals stärker bevorzugten.
Empfindlichkeit der Geruchsnerven wird verändert
Der Wissenschaftler Lockery berichtet über die Beobachtungen, dass man herausgefunden habe, dass die Empfindlichkeit eines Geruchsnerven durch die Cannabinoide dramatisch verändert würden. Dieser sei bei dem Fadenwurm C. elegans hauptverantwortlich, um seine Nahrung erkennen zu können. Die gemessene Wirkung auf den Geruchsnerven sorgt dafür, dass die Tiere für ihr bevorzugtes Futter besonders empfänglich werden. Auch könnte man aus den Beobachtungen schließen, warum „THC bei Menschen leckeres Essen noch leckerer macht“, so Shawn Lockery von der University of Oregon.
Um darüber Gewissheit zu bekommen, ersetzte das Team den in den Würmern vertretenen Cannabinoid-Rezeptor NPR-19 mit einem menschlichen CB1-Cannabinoid-Rezeptor. Doch dies änderte an dem gesteigerten Fressverhalten wenig. Daraus schließen die Wissenschaftler, dass das Vorhandensein des körpereigenen Endocannabinoid-Systems schon lange existiert und weit in der Evolution zurückreichen muss. Wie erwähnt, sind die gemeinsamen Vorläufer der Fadenwürmer und Säugetiere schließlich schon vor über 500 Millionen Jahren anzutreffen gewesen.
Ein bedeutsamer Wurm
Es sei laut Lockery bemerkenswert, dass die Wirkung von Cannabinoiden auf den Appetit über diesen langen Evolutionszeitraum bewahrt wurde, woraus zu folgern wäre, welche Bedeutung der Fadenwurm Caenorhabditis elegans als Modellorganismus einnehmen würde. Schließlich ließen sich aufgrund der Forschung die eindeutigen Parallelen der neuronalen, genetischen und verhaltensbezogenen Basis einer verstärkten Nahrungsaufnahme zwischen Säugetieren und C. elegans nicht von der Hand weisen. Ebendarum böte sich der Fadenwurm auch gut dafür an, etwa Essstörungen beim Menschen genauer zu untersuchen.
In vorangegangenen Untersuchungen konnte unter anderem bei Ratten aufgezeigt werden, dass diese nach Cannabinoidaufnahme nicht nur mehr und am liebsten kalorienreiche Kost zu sich nehmen wollten, sondern während des Prozesses der Nahrungsaufnahme zeitgleich auch mehr Vergnügen dabei empfanden. Und auch Cannabiskonsumenten der menschlichen Gattung berichteten in der Vergangenheit natürlich schon häufiger darüber, dass sie unter dem Einfluss von Cannabis einen dauerhaften Hunger besaßen, sogar wenn sie eigentlich satt waren. Was dann wohl auch den allseits bekannten „Fress-Flash“ erklärt – oder eben die sogenannten „Munchies“.