Boris Moshkovits ist ein bekannter Cannapreneur. Wir haben mit dem erfahrenen Gründer in der Medien-, Pharma- und Internetbranche sowie Mitgründer und Geschäftsführer von alephSana gesprochen und ihn gefragt, wie er die Cannabisindustrie einschätzt, was er sich für diese erhofft, was alephSana von anderen Cannabis-Unternehmen unterscheidet und welche Ziele er verfolgt.
Eins wird in diesem Gespräch schnell klar: Boris Moshkovits hat eine bewegte und sehr interessante Vergangenheit. Hier einige Eckpfeiler: Mit 15 Jahren veröffentlichte er seinen ersten Artikel. Später war er US-Redakteur der Kunstzeitschrift „Flash Art International“, gründete eine eigene PR-Agentur und lebte in New York. Als er nach Berlin zurückkehrte, rief er das Magazin „Berliner“ ins Leben. Danach führte ihn sein Weg nach Moskau, als Gründungsdirektor für das Jüdische Museum. Schließlich kehrte er zurück nach Berlin.
Seine ersten Berührungspunkte mit Cannabis hatte Boris mit dem US-amerikanischen Unternehmen Weedmaps. Diesem verhalf er, auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen. Nachdem er sich mit den Cannabismärkten in Deutschland und den Vereinigten Staaten auseinandergesetzt hatte, hielt er im Frühjahr 2016 einen Vortrag auf der re:publica zu dem Thema „The Grass is always Greener on the other side“.
Cannabisindustrie in Europa bleibt lethargisch
Boris weist darauf hin, dass sich die Cannabisindustrie in den USA rasant weiterentwickelt. Europa bleibe hingegen lethargisch. Dabei könnten wir von den amerikanischen Vorbildern so viel lernen.
Wenige Monate später nach dem Vortrag auf der re:publica sprach Boris auf der Hanfparade vor dem roten Rathaus und rief die Aktivisten auf, sich zu digital zu engagieren und zu vernetzen. Im April 2017 folgte ein Auftritt als Speaker bei der ICBC-Konferenz in Berlin, auf der Boris über Cannabis in den Mainstreammedien sprach.
Auf weiteren internationalen Veranstaltungen lernte der Marketingspezialist viele Pioniere der Cannabisindustrie kennen. Darunter unter anderem den Gründer von Bedrocan Tjalling Erkelens und Bruce Linton von Canopy Growth.
Wie sieht die Zukunft des Cannabis-Business aus?
Nachdem das neue Cannabis-Gesetz im März 2017 in Deutschland in Kraft getreten war, wurde medizinisches Cannabis für eine größere Gruppe von Patienten zugänglich. Doch wie wird sich das Geschäft rund um Medizinalcannabis entwickeln?
Es gab viele Hürden zu überwinden. Zwar wurde vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Cannabis-Agentur gegründet, die den Anbau von Cannabis für medizinische Zwecke in Deutschland steuern und kontrollieren sollte, bis die ersten Unternehmen in Deutschland jedoch Medizinalcannabis anbauen konnten, dauerte es noch etwa zwei Jahre. Und auch bis zum jetzigen Zeitpunkt wurde in Deutschland noch kein Cannabis geerntet. Die Patienten sind weiterhin auf Importe angewiesen.
Gemeinsam mit Konrad Lauten und Max Okonetschnikow gründete Boris den CannaBusinessClub in Berlin. Anfang 2017 organisierte er eine Veranstaltung mit Pierre Debs (damals CEO von MedCann) und Michael Knodt (Journalist und Cannabis-Aktivist) mit über 150 Gästen, um unter anderem über die Zukunft des Cannabis-Business zu diskutieren.
Boris blickt zurück und erklärt uns, welche Ereignisse er im Jahr 2020 für wichtig empfindet.
„Im Bereich des verschreibungspflichtigen Medizinal-Cannabis war die neue deutsche Monografie wichtig, außerdem haben neue Anlagen begonnen, in Portugal, Spanien und Dänemark Lieferengpässe zu überbrücken. Die wichtigsten Impulse im Bereich der CBD Therapien gab es zum Ende des Jahres vom EuGH, der CBD nicht als Betäubungsmittel einstuft. Gemeinsam mit der Veränderung bei der UNO Einschätzung von Cannabis können wir im Jahr 2021 viel Spannendes erwarten.“
Doch welche Meilensteine werden die europäische Cannabis-Industrie prägen? Hierzu erklärt uns Boris:
„Nachdem die ersten Jahre der Cannabis Industrie durch Blütenkonsum geprägt war, können wir 2021 mit mehr Extrakten, Rezepturarzneimitteln und auch Fertigarzneimitteln rechnen. Es werden sicherlich auch wichtige Studien auf den Weg gebracht. Zusätzlich wird die Entwicklung in Frankreich und Luxemburg im Hinblick auf die Legalisierung interessant. Sollte zur Bundestagswahl 2021 tatsächlich eine Grünen-Regierungsbeteiligung in Deutschland kommen, können wir mit noch weiteren Lockerungen im pharmazeutischen und möglicherweise auch im nicht pharmazeutischen Umgang mit Cannabis rechnen.“
Versorgung des Patienten rückt in den Vordergrund
In Boris Leben haben sich immer viele Türen gleichzeitig geöffnet und es war nicht leicht zu entscheiden, in welche Richtung es gehen soll. Doch Cannabis als Medizin ist für ihn eine Herzensangelegenheit.
„Ich habe meinem verstorbenen Schwiegervater damals geholfen, einen Arzt zu finden, der Dronabinol als Begleitmedikament neben den schulmedizinischen Maßnahmen bei Lungenkrebs verordnet. Doch selbst das war in den Jahren 2016 und 2017 noch keine Selbstverständlichkeit. Mich haben das fehlende Wissen bei Ärzten, die Stigmatisierung im Umfeld und letztlich auch die damaligen Therapiemöglichkeiten schockiert.“
Grund genug für Boris, um mit seinen Partnern das Unternehmen alephSana zu gründen.
„Noch immer stehen wir am Anfang einer spannenden Entwicklung des Marktes in Deutschland und Europa. Es motiviert mich zu wissen, dass ich gemeinsam mit meinen Partnern in Europa Pionierarbeit leiste, die das Potenzial von Cannabis als Medizin auch früh erkannt haben.“
alephSana bringt eigene Produkte auf den Markt
alephSana hat sich als pharmazeutischer Großhandel auf den Vertrieb von medizinischen Cannabis-Produkten spezialisiert. Wir waren neugierig und fragten Boris, wie er auf den Firmennamen alephSana gekommen ist.
„alephSana ist ein Hybrid aus Hebräisch und Griechisch. Meiner Partner und ich fühlen uns mit Israel verbunden und waren von Anfang an begeistert von der dortigen Forschung und dem Umgang mit Medizinalcannabis. Es ist kein Geheimnis, dass sich Prof. Raphael Mechoulam dort frühzeitig mit der Zusammensetzung der Pflanze auseinandergesetzt hat und als erster CBD und THC isolierte. „Aleph“ ist der erste Buchstabe im hebräischen Alphabet. „Aleph“ steht für den „Anfang“. Das griechische „Sana“ ist im weitesten Sinne als „gesund“ zu übersetzen. Für uns bedeutet alephSana, dass die Gesundheit des Menschen an erster Stelle steht und wir uns immer im Sinne des Patientenwohls weiterentwickeln.“
Boris erzählte uns, dass neben den Bedrocan Sorten, auch Extrakte von LittleGreenPharma aus Australien und die Produktpalette von Aphria in Deutschland erhältlich seien. Ein wirkliches Highlight ist aber wohl, dass im Juni 2021 die ersten eigenen alephSana-Produkte auf den Markt kommen, zunächst aleph 18/1. Weitere Blüten und Extrakte sollen folgen.
Als Gründungsmitglied der Deutschen Medizinal Cannabis Gesellschaft e. V. ist Boris in der Aufklärungsarbeit und Entstigmatisierung sehr engagiert. Verantwortlich ist die Gesellschaft auch für den Medicinal Cannabis Congress in Berlin. Dieser findet im 2021 zum zweiten Mal statt und wird auch von alephSana unterstützt.
Was unterscheidet alephSana von anderen Importunternehmen?
Nach dem Inkrafttreten des neuen Cannabis-Gesetzes kamen zig Importunternehmen auf den Markt, die vom „Grünen Gold“ profitieren wollten. Sich auf diesem Markt langfristig zu etablieren, ist nicht leicht. Was unterscheidet also alephSana von anderen Importunternehmen?
„alpehSana ist ein europäischer Multi-Brand-Großhändler mit einem Schwerpunkt im Betäubungsmittelbereich. Was uns von anderen Marktteilnehmern unterscheidet ist, dass wir einen Lean-Business-Ansatz verfolgen. Es gibt keine horrende Burn-Rate wie bei anderen Start-ups und keine aufgeblähte Personalstruktur.
Im ersten Moment ging es um die lückenlose Versorgung der Patienten, da es noch wenige Produkte auf dem Markt gab und diese auch oft nur beschränkt oder in nicht adäquater Qualität geliefert wurden.
Diese Engpässe gibt es in dieser Form nicht mehr. alephSana hat sich von Anfang an drauf konzentriert, qualitative Hersteller aus aller Welt zu gewinnen, die den pharmazeutischen Markt verstehen und hochwertige Blüten und Extrakte liefern können.
alephSana hat sich neben der Verbesserung der Versorgung des Marktes, im Rahmen der regulatorischen Möglichkeiten der Aufklärung verschrieben. Ärzte müssen mehr zu möglichen Anwendungen und Indikationen erfahren.
Wir haben seit 2019 hart dafür gearbeitet, die Bedürfnisse der Patienten und des Marktes zu verstehen. Das Team von alephSana ist darauf fokussiert, Ärzte und Apotheker durch die neue Angebotsvielfalt zu manövrieren.
Es gibt inzwischen mehr als 50 verschiedene medizinische Blüten in deutschen Apotheken, wobei einige auch die identische Genetik unter unterschiedlichen Firmennamen führen. Dazu kommen neue THC-CBD Extrakte, deren Konzentrationsbezeichnungen auch irreführend sein können. Aus diesem Grund unterstützen wir digitale Workshops für medizinisches Fachpersonal und ebenso internationale Studien zur langfristigen Anwendung. Im Vergleich zu Kanada, den USA, Israel und Australien haben wir noch viel nachzuholen.“
Die erste Euphorie ist vorüber. Die Marktentwicklung erfüllt längst nicht die damaligen Erwartungen. Sowohl die Umsätze als auch das Gesamtmarktvolumen wachsen, aber langsamer als erhofft. Hierzu erklärt Boris:
„Das erste Aufflammen des Green Rush, das viele Glücksritter angelockt hat, ist erloschen. Der Hype der kanadischen Börsenrallye bei Cannabiswerten ist auch vorbei. Momentan schauen Investoren genauer hin, welche Assets ein Unternehmen aufgebaut hat und welche Potenziale in der Zukunft liegen. Reine Copycats können im Markt nicht bestehen und finden entsprechend auch keine Investoren. Ohne strategische Ausrichtung, entsprechendes Netzwerk und solide Finanzierung hat ein Unternehmen heute keine Chance mehr in diesem hart umkämpften Markt.“
Welche Ziele verfolgt alephSana?
Wir haben Boris gefragt, wo er alephSana in den nächsten Jahren sieht und er erzählt uns, dass er seine Hausaufgaben gemacht habe und dass sich das Unternehmen in einer spannenden Phase befinde.
„In den nächsten Jahren werden wir unsere internationalen Brücken stärken und sowohl neue Länder für die Herstellung als auch für den Absatz gewinnen. Im Produktbereich wird sowohl Forschung & Entwicklung im Vordergrund stehen, aber auch das Scouting von neuen Darreichungsformen und Wirkstoffen, die die Lebensqualität der Patienten verbessern können.
In der anstehenden Konsolidierung des Marktes gehe ich davon aus, dass wir uns unter den Top 10 der spezialisierten Großhändler etablieren werden.“
Auf die Frage, was er sich für die Cannabisbranche erhoffe, erwähnt er die Bundestagswahlen im September. Es wäre hilfreich, wenn die nächste Bundesregierung Klarheit schafft mit einem möglichen Cannabiskontrollgesetz.
„Eine kontrollierte Legalisierung würde auch dem medizinischen Einsatz von Cannabis stärken. Die Unterscheidung von Cannabis als Medizin, als Rauschmittel, oder Lifestyle-Produkt kann die jeweiligen Märkte beflügeln.
Im Idealfall wird Deutschlands Modell auch auf Europa ausgeweitet, sodass wir eine Harmonisierung der Gesetzgebungen der Mitglieder der Europäischen Union sehen. Staatliche Eingriffe sollen Märkte regeln und nicht verhindern. Die Verschreibung von Cannabis als Medizin sollte in den Händen der Ärzte liegen und nicht durch Auflagen, dass der Patient „austherapiert“ sein muss, ausgebremst werden.“
photocredit: Fotos: Jenny Posener / Falko Siewert