Lange Zeit galt Hanf als die einzige Quelle für Cannabinoide. THC und CBD sind wohl die bekanntesten Vertreter dieser Stoffgruppe, welche auch abgeleitet von dem lateinischen Wort für Hanf, nämlich Cannabis, benannt wurde. Die Bezeichnung Cannabinoide ist ein diffuser Überbegriff für alle Arten von Substanzen, die an den Cannabinoidrezeptoren wirken.
In den vergangenen Jahren wurde der Forschung immer mehr bewusst, dass nicht nur Hanf Substanzen produziert, die an den Cannabinoidrezeptoren wirken, sondern dass es eine Vielzahl an weiteren Pflanzen gibt, die ebenfalls Substanzen dieser Stoffgruppe produzieren. Davon sind die allermeisten jedoch nicht so stark psychoaktiv wie THC, oder wirken auch auf gänzlich andere intrazelluläre Prozesse ein, indem sie am CB2-Rezeptor andocken.
Neben Pflanzen gibt es auch einige Sorten von Pilzen, die ebenfalls Cannabinoide produzieren. Sogar das körpereigene Cannabinoid Anandamid kann in Pilzen gefunden werden.
Trüffel enthalten Anandamid
Ein italienisches Forscherteam untersuchte im Jahr 2014 die Trüffelgattung Tuber melanosporum. Dabei handelt es sich um die schwarze Wintertrüffel, die auch als Speisetrüffel Verwendung findet. In ihr wurde Anandamid gefunden. Dieses, an den CB1-Rezeptoren wirksame Cannabinoid, kommt auch im menschlichen Körper vor und ist ein wichtiger Bestandteil des Endocannabinoidsystems. Der Grund, warum die schwarze Wintertrüffel Anandamid produziert, liegt höchstwahrscheinlich in der Melatoninsynthese begründet.
Diese Trüffelgattung enthält im ausgereiften Zustand bis zu 15 % Melatonin. Ein wichtiger Ausgangsstoff für die Synthese von Melatonin im Stoffwechsel ist dabei Anandamid. Melatonin wiederum stellt im Stoffwechsel der Trüffel einen wichtigen Botenstoff dar, der unter anderem für die Fortpflanzung benötigt wird. Neben Anandamid wurden in einigen Proben dieser Trüffel auch geringe Spuren von 2-AG (2-Arachinodylglycerol) gefunden. Dabei handelt es sich ebenfalls um ein Cannabinoid des menschlichen Endocannabinoidsystems. Jedoch wurde 2-AG nicht in jeder Probe eindeutig nachgewiesen. Man geht davon aus, dass der Erntezeitpunkt und der Standort, einen Einfluss auf den Gehalt von 2-AG haben.
CB1-Agonist in Cordyceps Gattung
In der Pilzgattung Cordyceps annullata wurden 2 Cannabinoide entdeckt, die sowohl am CB1- als auch am CB2-Rezeptor eine agonistische Wirkung aufweisen. Es handelt sich um die Substanzen Annulatin A und Annulatin B, die chemisch wiederum zur Gruppe der Dihydrobenzofurane gehören. Die stärkste CB1-Aktivität wurde hierbei bei Annulatin A nachgewiesen. Über eine etwaige psychoaktive Wirkung dieses Pilzes ist bislang nichts bekannt. Bei Pilzen der Gattung Cordyceps, handelt es sich um eine häufig als Parasit auftretende Pilzgattung, die primär in der chinesischen Medizin eine lange Tradition als Heilmittel hat.
Möglicherweise krebshemmendes Cannabinoid in Chaga
In einem weiteren Pilz aus der traditionellen chinesischen Medizin, dem Chaga, auch bekannt als Schillerporling, wurde Betulinsäure nachgewiesen. Bei der Betulinsäure handelt es sich um ein Cannabinoid, welches chemisch zur Gruppe der Triterpenoide gehört und sowohl am CB1- als auch am CB2-Rezeptor wirksam ist. Eine im Jahr 2012 an der Texas University durchgeführte Studie, kam dabei zu dem Ergebnis, dass Betulinsäure möglicherweise gegen einen bestimmten Typ von Brustkrebs wirksam ist. In einer Zellkultur wurde festgestellt, dass Betulinsäure über eine Wirkung an den CB1- und CB2-Rezeptoren der Krebszelle, zunächst das Zellwachstum hemmt und schließlich zum Zelltod führt. Gesunde Zellen werden hingegen nicht angegriffen. Vermutet wird außerdem eine entzündungshemmende Wirkung dieser Substanz, aufgrund ihrer Wirkung am CB2-Rezeptor.
Potenzieller Kandidat für die Schmerzbehandlung
Ein ausgesprochen interessantes Cannabinoid wurde in der Schmetterlingstramete gefunden. Dieser weltweit verbreitete Porling, mit der lateinischen Bezeichnung Trametes versicolor, wächst vornehmlich auf Totholz und enthält Polysaccharopeptid. Dieses Cannabinoid gehört chemisch zur Gruppe der Polysaccharide und ist am CB2-Rezeptor wirksam. Forscher gehen aufgrund von seiner agonistischen Wirkung am CB2-Rezeptor von einer entzündungshemmenden Wirkung aus. Zusätzlich wird eine ähnliche krebshemmende Wirkung wie bei Betulinsäure vermutet. Eine besondere Eigenschaft von diesem Cannabinoid ist jedoch, dass es die Toleranz gegenüber Morphin senkt.
Aufgrund von Beobachtungen an Ratten ist bekannt, dass nach der Verabreichung von Polysaccharopeptid die Opioid-Toleranz zurückgeht und selbst bei einer Dauermedikation mit Morphin, nicht mehr in dem Ausmaß ansteigt, wie man es von Morphin ansonsten erwarten würde. Diese Eigenschaft könnte es in der Schmerzbehandlung zu einem sehr interessanten Kandidaten machen. Viele Patienten mit chronischen Schmerzen sind auf Morphin angewiesen. Morphin wiederum ist ein potentes Opiat, welches aufgrund der ständig ansteigenden Toleranz jedoch eine regelmäßige Erhöhung der Dosis erforderlich macht. Genau diese progressive Toleranzbildung könnte mithilfe von dem Cannabinoid aus der Schmetterlingstramete zukünftig eingedämmt werden.