Verschiedene Wirkstoffe, die in Cannabis vorkommen, sind schon lange bekannt dafür, nicht nur Rauschwirkungen hervorrufen zu können. Gerade das nicht berauschend wirkende Cannabidiol (CBD) hat sich in den letzten Jahren zu einem Inhaltsstoff entwickelt, dem in vielen Bereichen das Hervorrufen positiver Effekte nachgesagt werden konnte.
Wissenschaftliche Untersuchungen betreffend Epilepsie oder auch Alzheimer sorgten in der Vergangenheit immer wieder für Aufsehen, da sie das Potenzial des Cannabinoids ins rechte Licht rücken konnten. Selbst gegen das Corona-Virus sollen Säuren, die als Vorläufer des Cannabionids CBD gelten, große Wirkung zeigen. Jetzt haben sich Forscher erneut mit einem bislang weniger untersuchten Cannabinoid auseinandergesetzt, um herauszufinden, welche Verbesserungen bei der Behandlung von Alzheimer damit erzielbar sind.
Cannabinol – wenn THC zerfällt
Wenn das berauschende Tetrahydrocannabinol aus Marihuana länger gelagert wird, zerfällt es in Teilen in das circa 75 Prozent schwächer wirkende Cannabinoid Cannabinol – kurz CBN. In großen Dosen kann CBN also im Gegensatz zu CBD noch eine berauschende Wirkung entfalten. Insgesamt gibt es weit weniger Forschungsergebnisse über Cannabinol als über die beiden anderen viel bekannteren Cannabinoide, doch ein bisschen nachgewiesenes Wissen über die Substanz besteht.
So wurde bislang festgestellt, dass es gegen Einschlafprobleme eingesetzt werden könnte, Gelenk und Muskelschmerzen damit behandelt werden können und dass es den Ausbruch der amyotrophen Lateralsklerose (ALS) verzögern kann – einer Krankheit, die Zellen im Gehirn und im Rückenmark befällt. CBN ist in der Regel schwerer zu erwerben als CBD-Produkte, doch in Ölen und Tinkturen, Kapseln und Vapo-Kartuschen oder Isolaten und in Teebeuteln kann man unter den richtigen Umständen an das seltenere Cannabinoid gelangen.
Cannabinol gegen Alzheimer
Forscher zweier Einrichtungen im kalifornischen La Jolla haben sich aktuell mit CBN näher beschäftigt, um dessen Potenzial im Kampf gegen Alzheimer und bei der Behandlung von Sportverletzungen zu ergründen. Die Ergebnisse des Salk Institute for Biological Studies weisen darauf hin, dass CBN Nervenzellen vor oxidativen Schäden schützen kann, einem wichtigen Richtungsgeber, der zum Zelltod führt. Letzten Monat wurden die Forschungsergebnisse in der Publikation Free Radical Biology and Medicine veröffentlicht, die davon ausgehen lassen können, dass CBN das Potenzial zur Behandlung altersbedingter neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer besitzt.
„Wir haben herausgefunden, dass Cannabinol die Neuronen vor oxidativem Stress und Zelltod schützt, zwei der Hauptfaktoren, die zur Alzheimerkrankheit führen können“, sagte die Hauptautorin der Studie, Pamela Maher, Forschungsprofessorin und Leiterin des Salk-Labors für Zelluläre Neurobiologie.
„Diese Entdeckung könnte eines Tages zur Entwicklung neuer Therapeutika zur Behandlung dieser Krankheit und anderer neurodegenerativer wie der Parkinsonkrankheit führen“, so die Wissenschaftlerin. Frühere Forschungsarbeiten aus Mahers Labor ergaben schon einmal, dass CBN neuroprotektive Eigenschaften hat. Doch es war nicht ersichtlich, wie es genau funktioniert. In der neuen Studie wird nun der Mechanismus erklärt, durch den CBN die Gehirnzellen vor Schäden und Tod schützt.
Versuchsablauf der Studie
Mahers Team untersuchte bei den jetzigen Untersuchungen den Prozess der Oxytose, von dem man annimmt, dass er in alternden Gehirnen stattfindet. Es gibt mittlerweile immer mehr Hinweise darauf, dass die Oxytose eine Ursache der Alzheimerkrankheit sein könnte. In der Studie behandelten die Wissenschaftler Nervenzellen mit CBN und führten dann einen Wirkstoff ein, der oxidative Schäden anregt. Sie fanden außerdem während der Untersuchungen heraus, dass das CBN die Mitochondrien in den Neuronen schützt. Mitochondrien gelten als Kraftwerke der Zellen. Bei geschädigten Zellen führte die Oxidation dazu, dass sich die Mitochondrien zusammenrollten – eine Veränderung, die auch bei alternden Zellen aus den Gehirnen von Menschen mit Alzheimer beobachtet werden konnte.
Die Behandlung der Zellen mit CBN verhinderte laut Studienergebnissen, dass sich die Mitochondrien zusammenrollten. Sie funktionierten weiterhin gut. Um die Wechselwirkung zwischen CBN und den Mitochondrien zu bestätigen, wiederholten die Forscher das Experiment mit Nervenzellen, bei denen die Mitochondrien entfernt worden waren. In diesen Zellen zeigte CBN seine schützende Wirkung nicht mehr. „Wir konnten direkt aufzeigen, dass die Aufrechterhaltung der Mitochondrienfunktion für die schützende Wirkung des Wirkstoffs erforderlich ist“, so Forschungsleiterin Maher.
Kein Andocken an Cannabinoidrezeptoren
Ein weiteres interessantes Ergebnis wurde während der Untersuchung eingeholt. Und zwar, dass CBN nicht an die Cannabinoidrezeptoren andockt, die regulär dafür benötigt werden, um eine psychoaktive Resonanz im Organismus hervorzurufen. Eine Behandlung mit Cannabinol führt laut Forschern somit nicht zu einem berauschten Zustand der Patienten.
„CBN ist keine kontrollierte Substanz wie THC … und es hat sich gezeigt, dass CBN bei Tieren und Menschen sicher eingesetzt werden kann. Und da CBN unabhängig von den Cannabinoidrezeptoren wirkt, könnte CBN auch in einer Vielzahl von Zellen mit reichlich therapeutischem Potenzial wirken“, schätzt Autor Zhibin Liang, Postdoktorand im Labor von Pamela Maher. Um die Sicherheit und die Ergebnisse zu untermauern, soll nun in einem nächsten Schritt das Team um Maher prüfen, ob sich die Ergebnisse in einem präklinischen Modell mit Mäusen reproduzieren lassen.
Cannabidiol gegen Schmerzen
Um den Wirkungsgrad von Cannabidiol, also CBD, genauer herausfinden zu können, hat sich ausgerechnet die National Football League an zwei wissenschaftliche Institutionen gewand, die bei einem auf eine Million Dollar dotierten Wettbewerb ausgewählt wurden. Die University of California San Diego und die University of Regina in Kanada sollen die Auswirkung des nicht toxisch wirkenden Cannabinoids CBD auf die Schmerzbehandlung und die Genesung nach Sportverletzungen untersuchen.
106 Forschungseinrichtungen bewarben sich für die Studie, bei der die UCSD nun das therapeutische Potenzial bezüglich der „Linderung von Schmerzen bei Weichteilverletzungen nach Wettkämpfen unter Spitzensportlern“ zu untersuchen hat. Laut einer Erklärung der NFL werden Athleten, die außerhalb der NFL aktiv sind, nach Verletzungen im Spiel mit Vaporizern behandelt, wobei die Ergebnisse über Telefon-Apps überwacht werden sollen.
Placebo, THC, CBD oder beides
Die UCSD wird entweder eine Behandlung mit 4 Prozent THC, 12 Prozent CBD, einer Kombination aus CBD und THC oder einem Placebo an den teilnehmenden Athleten durchführen, um die konkrete Effizienz der jeweiligen Behandlung herauszufinden. Auch wenn noch keine abgeschlossenen Ergebnisse vorhanden sind, glauben die Forscher, dass die beste Wirkung mit THC oder den THC/CBD-Kombinationen zu erzielen sei. Die UC San Diego Health wählte professionelle Rugbyspieler für die erste Studie aus, bei der nicht nur die Schmerzlinderung und Genesung, sondern auch die Auswirkungen auf die körperliche Funktion, den Schlaf, die Wahrnehmung und die Stimmung untersucht werden sollen.
„Die Innovation dieser Forschung ist die Verwendung des realen Modells einer Verletzungslast bei der NFL mit einer Gruppe von Spitzensportlern, die ähnliche Verletzungen erleiden“, sagte Thomas Marcotte, ein Professor für Psychiatrie an der UCSD School of Medicine. Es sei die erste zufällige Studie dieser Art, die die mögliche Wirksamkeit von Cannabinoiden bei Schmerzen nach Wettkämpfen auf praktische Weise untersuche. Auch dieses Ergebnis dürfte sich dann sicher wieder sehen lassen.