Wenn von Cannabinoidrezeptoren die Rede ist, sind in der Regel der CB1- und der CB2-Rezeptor gemeint. An ihnen binden die gängigen bekannten Cannabinoide wie THC oder CBD. In den vergangenen Jahren wurden durch ein immer besseres Verständnis des Cannabinoidsystems, mehrere weitere Rezeptoren entdeckt, an denen gängige Cannabinoide ebenfalls andocken können.
Nun ist es teilweise noch eine molekularbiologische, sowie formale Frage, ob diese neu entdeckten Rezeptoren auch zu den Cannabinoidrezeptoren und somit zum Endocannabinoidsystem gezählt werden können. Wenn sowohl Endocannabinoide als auch von außen zugeführte Cannabinoide, nicht nur an den beiden bislang bekannten Rezeptoren wirken, könnte das unser Grundverständnis von der Funktionsweise des Endocannabinoidsystems noch einmal entscheidend erweitern. Daraus könnten sich in Zukunft deutlich breitere Anwendungsmöglichkeiten von Cannabinoiden in der Medizin ergeben, als es bislang der Fall ist.
Mehrere Kandidaten unter den GPR-Rezeptoren
Sowohl die altbekannten CB1- und CB2-Rezeptoren, als auch die neu entdeckten potenziellen Kandidaten für neue Cannabinoidrezeptoren, gehören zu der Gruppe der sogenannten GPR-Rezeptoren. Diese Abkürzung steht für G-Protein gekoppelte Rezeptoren. Das bedeutet, dass die Signalübertragung innerhalb der Zelle mithilfe von einem speziellen Protein, dem G-Protein, funktioniert. Ein Wirkstoff dockt am Rezeptor an und löst dann eine Kaskade an biochemischen Reaktionen aus, die dazu führt, dass vom G-Protein ein Fragment abgespalten wird. Dieses Proteinfragment dient dann maßgeblich der Weiterleitung des Signals in das Zellinnere, wo dieses eine entsprechende Modulierung eines Prozesses durchführt.
Beispielsweise könnte CBD an so einem Rezeptor andocken und durch das dadurch abgespaltene G-Protein einen immunologischen Prozess in dieser Zelle beeinflussen. Genau in dieser Gruppe von Rezeptoren, wurden mehrere neue Rezeptoren entdeckt, an denen ebenfalls Cannabinoide andocken können, auch wenn es in den feinen Details einige Unterschiede gibt. Die exakte Einordnung dieser Rezeptoren in eine bestimmte Gruppe lässt sich am ehesten vergleichen mit der altbekannten Frage in der Astronomie, ob Pluto zu den Planeten gezählt werden soll oder nicht.
Bekannte Cannabinoide wirken an neuem Rezeptor
Der wahrscheinlich aussichtsreichste Kandidat für einen neuartigen Cannabinoidrezeptor ist der GPR55-Rezeptor. Er wird auch als der sogenannte vermeintliche CB3-Rezeptor bezeichnet. Obwohl er in seinem genetischen Aufbau nur etwa 15 % strukturelle Ähnlichkeit mit dem CB1- und CB2-Rezeptor hat, weist er einige charakteristische Eigenschaften auf, die ihn unter Umständen als weiteren Cannabinoidrezeptor klassifizieren könnten. Seit seiner erstmaligen Entdeckung im Jahr 1999 an der Universität von Toronto, war er Gegenstand zahlreicher weiterer Untersuchungen. Mehrere voneinander unabhängige Studien stellten mithilfe von tierischen Gewebeproben fest, dass am GPR55-Rezeptor auch altbekannte Cannabinoide wie THC oder auch das körpereigene Anandamid andocken können.
Der dadurch ausgelöste intrazelluläre Signalweg ist aber ein anderer als bei den beiden bekannten Cannabinoidrezeptoren. Zusätzlich stellte sich heraus, dass manche synthetische Cannabinoide am GPR55-Rezeptor keine Wirkung haben. Dies liegt vermutlich darin begründet, dass synthetische Cannabinoide eine völlig andere Struktur haben als klassische Cannabinoide. Gleichzeitig ist auch der Aufbau dieses Rezeptors ein anderer, sodass er strukturell nicht mit jedem Cannabinoid kompatibel ist. Bei CBD wurde festgestellt, dass es an diesem neuen Rezeptor zwar andockt, dort aber nur eine antagonistische Wirkung aufweist und keine teil-agonistische, wie an den CB2-Rezeptoren.
Ein weiterer neuentdeckter Rezeptor, an dem Cannabinoide wirken, ist der Rezeptor GPR18. Im Jahr 2012 stellte ein Forschungsteam an der Universität in Nottingham, anhand einer aufbereiteten Gewebeprobe fest, dass an diesem Rezeptor sowohl THC als auch Anandamid als Vollagonist wirken. Wie sich die dadurch ausgelöste intrazelluläre Signalkette von den bekannten Cannabinoidrezeptoren oder auch vom GPR55-Rezeptor unterscheidet, ist bislang nicht im Detail erforscht. Im weitesten Sinne kann auch noch GPR119 als neuartiger Cannabinoidrezeptor gezählt werden. An diesem Rezeptor kann Oleoylethanolamid andocken, was wiederum ein Analog vom körpereigenen Cannabinoid Anandamid ist. Andere Cannabinoide, die an diesem Rezeptor wirken, wurden jedoch bisher nicht experimentell nachgewiesen.
Funktion im Körper bisher nicht vollständig geklärt
Welche genaue Funktion die neu entdeckten Rezeptoren im Körper haben und in welcher Weise sie mit dem bislang bekannten Endocannabinoidsystem interagieren, ist weiterhin nicht abschließend geklärt. Als gesichert gilt bislang, dass der GPR55-Rezeptor eine Rolle bei entzündlichen Darmerkrankungen spielt. Ein Forschungsteam untersuchte 2015 von 50 freiwilligen Patienten Proben des Darms und stellte dabei fest, dass bei Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen, wie Morbus Chron, die Beschaffenheit dieses Rezeptors deutlich anders ist. Dies ist eine weitere starke Ähnlichkeit zu den bisher bekannten Cannabinoidrezeptoren. Es ist bekannt, dass es ein enges Zusammenspiel zwischen dem Mikrobiom im Darm und dem Endocannabinoidsystem gibt.
Auch finden sich im Darm zahlreiche klassische Cannabinoidrezeptoren, was wiederum ein Grund ist, warum auch Cannabis so effektiv gegen entzündliche Darmerkrankungen wirkt. Beim GPR119 Rezeptor geht man aktuell davon aus, dass er eine Rolle bei der Entstehung von Diabetes spielen könnte. Außerdem ist ein Einfluss auf den Körperfettanteil sehr wahrscheinlich, da das an ihm wirksame Oleoylethanolamid eine zentrale Rolle im Fettstoffwechsel spielt. Über GPR18 ist bislang aufgrund von Untersuchungen an Mäusen bekannt, dass er einen Einfluss auf die Regulierung des Augeninnendrucks hat. Das Verständnis über die Funktionsweise dieser neu entdeckten Rezeptoren könnte in Zukunft Medikamente mit völlig neuen Wirkmechanismen hervorbringen.