Nach den Cannabinoiden sind vermutlich die Terpene die pharmakologisch wichtigste Stoffgruppe im Hanf. Viele dieser Terpene, wie Beta-Caryophyllen sind bereits in der breiten Masse bekannt und aufgrund ihrer gesundheitlichen Vorteile geschätzt. Ein noch eher unbekanntes Terpen, welches aber eine ebenso interessante medizinische Wirksamkeit aufweist, ist Nerolidol. Der Gehalt an Nerolidol, kann je nach Hanfsorte erheblich schwanken.
Sorten, die reich an Nerolidol sind, sind unter anderem Royal Jack Automatic oder Royal Cookies. Neben Hanf ist dieses Terpen auch noch in weiteren Pflanzen wie dem Teebaum oder auch im Lavendel enthalten. Chemisch ist Nerolidol ein Sesquiterpen und wird aufgrund seiner Struktur auch zu den Alkoholen gezählt.
Antiparasitäre und antibiotische Wirkung
Pflanzen produzieren Terpene unter anderem deshalb, um Fressfeinde abzuschrecken, aber auch um vor mikrobiellen Krankheitserregern geschützt zu sein. Eine besondere Eigenschaft von Nerolidol ist, dass es gegen eine ganze Palette unterschiedlicher mikrobieller Parasiten wirksam ist. Infektionen mit einzelligen Parasiten betreffen Millionen Menschen weltweit. Eine der bekanntesten Erkrankungen durch Parasiten ist vermutlich Malaria. Der Erreger ist ein einzelliger Parasit namens Plasmodium falciparum.
Aber auch die Schlafkrankheit oder Leishmaniose sind gefährliche, durch Parasiten ausgelöste Erkrankungen. Mehrere Studien konnten nachweisen, dass Nerolidol genau diese Parasiten effektiv bekämpfen kann. Sowohl bei in vitro Studien, als auch bei Beobachtungen an Mäusen konnte festgestellt werden, dass Nerolidol ein effektives Mittel ist, um die parasitären Erreger der genannten Infektionen zu eliminieren.
Bei in vitro Tests konnte innerhalb von 24 Stunden eine fast 100-prozentige Auslöschung der Parasiten erzielt werden. Eine weitere erstaunliche Feststellung war das antibiotische Potenzial von Nerolidol. Das Terpen zeigte sich gegen zahlreiche pathogene Bakterien als wirksam. Auch gegen solche, die bereits gegen zahlreiche Antibiotika resistent sind. Das Besondere am Wirkungsmechanismus von Nerolidol ist hierbei, dass es offenbar antibiotikaresistente Bakterien sozusagen wieder sensibilisieren kann, sodass diese mittels herkömmlicher Antibiotika bekämpft werden können. In einer US-Studie wurde festgestellt, dass Bakterienkulturen, nachdem sie mit einer geringen Menge Nerolidol versetzt worden waren, daraufhin wieder sensibel auf Antibiotika wurden.
Ein multiresistenter Stamm von Staphylococcus aureus, wurde, nachdem die Kultur mit einer Konzentration von 0.5 bis 2.0 Nanomol Nerolidol versetzt wurde, wieder empfindlich auf alle gängigen Antibiotika. Ebenso konnte ein gegen das Antibiotikum Polymyxin B resistenter Stamm von Escherichia coli, mit der gleichen Methode wieder auf dieses Antibiotikum sensibilisiert werden. Forscher gehen davon aus, dass Sesquiterpene, wie Nerolidol, sozusagen als eine Art Verstärker für gängige Antibiotika eingesetzt werden könnten. Auch bestimmte Desinfektionsverfahren könnten durch die Zugabe von diesem Terpen weiter optimiert werden.
Verstärker für transdermale Aufnahme
Eine besondere Eigenschaft von Nerolidol ist außerdem, dass es die Aufnahme anderer Wirkstoffe durch die Haut hindurch, erheblich verbessern kann. Viele Arzneimittel, primär lokal wirksame, müssen mittels einer Salbe möglichst effektiv in das lokale Gewebe eingebracht werden. Forscher sprechen bei diesem Vorgang von einer sogenannten transdermalen Penetration. Bereits bei einer Studie im Jahr 2006 konnte festgestellt werden, dass Sesquiterpene, insbesondere aber Nerolidol, genau diese Aufnahme um das Vielfache verstärken können.
Getestet wurde in dieser Studie der Wirkstoff Diclofenac-Natrium. Dieser Wirkstoff ist in vielen Salben enthalten, die gegen Sportverletzungen oder rheumatische Beschwerden eingesetzt werden. Ziel dieser Studie war es festzustellen, welchen Einfluss auf die Konzentration des Wirkstoffes im umliegenden Gewebe es hat, wenn verschiedene Terpene in einer Konzentration von 0,25 % beigemischt werden. Dabei wurde festgestellt, dass Nerolidol die Durchlässigkeit des entsprechenden Gewebes für den Wirkstoff, um den Faktor 198 erhöhen kann.
Vielfältige neuroprotektive Wirkung
Der Begriff „neuroprotektiv“ ist eigentlich ein Überbegriff, der eine schützende Wirkung auf Gehirn und Zentralnervensystem bezeichnet. Dabei kann diese schützende Wirkung auf ganz unterschiedliche Weise erfolgen. Beispielsweise kann oxidativer Stress in diesen Regionen gehemmt werden, aber auch molekularbiologische Prozesse, die degenerative Erkrankungen wie Parkinson fördern, können damit beeinflusst werden. Genau so eine breit gefächerte neuroprotektive Wirkung scheint Nerolidol aufzuweisen.
Durch Beobachtungen an Mäusen konnte in Studien gezeigt werden, dass Nerolidol genau jene intrazellulären Prozesse stoppt, die für den degenerativen Prozess bei Parkinson verantwortlich sind. Ferner hemmt es in den Nervenzellen oxidativen Stress und blockiert zahlreiche entzündungsfördernde Botenstoffe, die mit neurologischen Erkrankungen in Zusammenhang gebracht werden. Insbesondere bei Parkinson, kann die heutige Schulmedizin nicht den auslösenden Prozess stoppen, sondern lediglich die Symptome lindern. Forscher gehen davon aus, dass hier Nerolidol in Zukunft ein interessanter Kandidat sein könnte, um die eigentlichen krankheitsauslösenden Prozesse eliminieren zu können.