- Ein neues Gütesiegel für Hanf-Produzenten, Zwischenhändler und Weiterverarbeiter garantiert für Produktqualität
- Beratung und Unterstützung von der Vorbereitung zur erfolgreichen Zertifizierung
Der Hype um THC-Hanf reißt nicht ab, sondern nimmt aktuell primär in der Schweiz an Fahrt auf. Nicht allein die aktuell laufende Liberalisierung in Hinsicht auf Medizinal-Cannabis trägt dazu bei, sondern auch die im vergangenen Jahr angelaufenen Pilotversuche mit THC-Hanf zu nicht medizinischen Genusszwecken. Zahlreiche CBD-Hanf-Produzenten möchten daher gern auf diesen Zug aufspringen, da sie ein lukratives Geschäft wittern. Oftmals wird dabei aber verkannt, dass es ohne die entsprechenden Voraussetzungen hinsichtlich einer qualitativ hochwertigen Herstellung der pflanzlichen Ausgangsmaterialien nicht geht. Diese sicherzustellen und die Einhaltung vor allem auch wichtigen Stakeholdern gegenüber nachweisen zu können, stellen aber nicht unerhebliche Hürden dar, die viele Produzenten, die in diesen Markt vordringen wollen, gern unterschätzen.
Medizinal-Cannabis und Pilotversuche zu nicht medizinischen Zwecken – was ist zu beachten?
Um pharmazeutische Wirkstoffe und Arzneimittel auf Hanfbasis produzieren zu dürfen, bedarf es sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz einer pharmazeutischen Herstellungsbewilligung (Betriebsbewilligung) der zuständigen Heilmittelkontrollbehörde. In Deutschland ist dies zunächst das Bundesamt für Arzneimittel (BfArm), welches im Zuge des Föderalismus die konkrete Durchführung den Gesundheitsämtern der Bundesländer überlässt. In der Schweiz ist das nationale Heilmittelinstitut „Swissmedic“ verantwortlich, welches seinerseits die Aufsicht in der Regel an die vier regionalen Heilmittelinspektorate delegiert, in welchen sich die kantonalen Gesundheitsbehörden zusammengeschlossen haben.
Eine wesentliche Grundvoraussetzung zur Erlangung einer Herstellungsbewilligung ist, dass ein Qualitätsmanagementsystem etabliert wurde, welches insb. die Regeln der „Guten Herstellungspraxis“ (GMP – zur Herstellung von pharmazeutischen Wirkstoffen und Arzneimitteln) sowie ggf. auch der „Guten landwirtschaftlichen Praxis“ (GACP – zur Produktion von Cannabis-Biomasse als Ausgangsstoff für Wirkstoffe und Arzneimittel) als Vorstufe zu GMP umsetzt. Für Produzenten und Großhändler kommt zudem noch das Regelwerk der „Guten Distributionspraxis“ (GDP) hinzu, sofern auch der Transport von pharmazeutischen Erzeugnissen in deren Verantwortungsbereich fällt.
Die Einhaltung von GACP wird zudem – neben der Umsetzung der Vorgaben aus der Bio-Verordnung – für die Teilnahme von Produzenten am schweizerischen nationalen Pilotversuch mit Cannabis zu Genusszwecken seitens des Aufsicht führenden Bundesamtes für Gesundheit (BAG) gefordert. Generell sind natürlich auch die jeweils einschlägigen Bestimmungen des Betäubungsmittelrechts zu beachten.
Zusammenfassend ergibt sich in Hinsicht auf die sogenannten GxP-Anforderungen folgendes Bild:
GACP | GMP | GDP | |
Herstellung von med. Hanfblüten (Cannabis Flos gemäß Arzneibuch) | x | x | x* |
Herstellung von Hanf-Biomasse als Ausgangsstoff für Wirkstoffe und/oder Fertigarzneimittel | x | (x)** | – |
Herstellung von Hanfblüten für den Schweizerischen nationalen Pilotversuch zu Genusszwecken | x | – | – |
Herstellung von Extrakten etc. aus Hanf-Biomasse (Wirkstoff und/oder Fertigarzneimittel) | – | x | x* |
Großhandel, Import, Export von Hanferzeugnissen | – | x | x |
** Ob GMP zu beachten ist, hängt maßgeblich vom herzustellenden Endprodukt ab. Sofern die Weiterverarbeitung nicht selbst erfolgt und auch kein Cannabis Flos als Endprodukt oder Ausgangsstoff für Vollspektrum-Hanferzeugnisse hergestellt wird, ist i. d. R. nur GACP zu beachten.
Tabelle 1: Anwendbarkeit von GACP, GMP und GDP bei der Produktion von Medizinalhanf und im Pilotversuch mit Cannabis zu Genusszwecken in der Schweiz
GACP, GMP, GDP – Die „Gute … Praxis“ – Erfahrungen rund um Audits und Inspektionen
Die Umsetzung von GMP und GDP wird seitens der zuständigen Behörden kontrolliert und Herstellerbetriebe werden regelmäßig in dieser Hinsicht auch inspiziert. Daraus ergeben sich für Hersteller und andere Akteure im pharmazeutischen Umfeld wichtige Erfahrungswerte, wie die praktische Ausgestaltung von GMP- und GDP-Anforderungen aus Sicht der Behörden erfolgen sollte. Für GACP gilt dies aber nicht im gleichen Masse, was im Wesentlichen die nachfolgenden zwei Gründe hat:
- Zum einen wird die Einhaltung der GACP-Richtlinien bisher und – gemäß entsprechender Verlautbarungen – wohl auch künftig nicht durch Behördenvertreter kontrolliert. Der Ball liegt hier vielmehr einerseits bei den Produzenten, welche eine Selbstdeklaration zur Einhaltung von GACP abgeben müssen, andererseits bei den weiterverarbeitenden Herstellern und Händlern pharmazeutischer Wirk- und Arzneistoffe, welche gegenüber ihren Lieferanten eine Auditierungspflicht haben und so die Einhaltung von GACP entsprechend regelmäßig selbst überprüfen müssen. Tun sie dies nicht oder nicht in ausreichendem Masse, kann dies sehr negative Auswirkungen auf ihre eigene Betriebsbewilligung bzw. Großhandelserlaubnis haben, denn die Überwachung von GxP-Lieferanten durch einen Bewilligungsinhaber ist Gegenstand behördlicher Inspektionen. Dass es sich bei Cannabis-Blüten um betäubungsmittelhaltige Roh- bzw. Wirkstoffe handelt, macht diesen Sachverhalt besonders kritisch.
- Zum anderen gibt es noch wenig praktische Erfahrungen mit der richtigen Anwendung der GACP-Richtlinien sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland, da bisher kaum ein Betrieb tatsächlich auch nach diesen Regeln produziert und die Umsetzung daher naturgemäß Fragen aufwirft. Hinzu kommt, dass die Grenze zwischen GACP und GMP nicht immer trennscharf ist bzw. auch fließend sein kann. Entsprechend muss man schlüssig darlegen können, wo GACP aufhört und wo GMP und damit die behördliche Aufsicht beginnt.
Entsprechend ausgeprägt sind die Unsicherheiten auf Produzentenseite, was eigentlich wie umzusetzen ist, wie streng man die GACP-Leitlinien auszulegen hat oder wie umfänglich das vorzuhaltende Qualitätsmanagementsystem eigentlich sein muss? Andererseits stellt es aber auch die Abnehmer von Cannabis-Produkten (Blüten, Biomasse) vor nicht unerhebliche Herausforderungen, da diese ja verpflichtet sind, die Einhaltung von GACP bei ihren Lieferanten zu kontrollieren. Auch diese befinden sich also in einem Spagat zwischen „Was ist zu wenig und wird von Behördenseite moniert?“ und „Was ist zu viel und verschwendet unnötig Ressourcen?“
Vergegenwärtigt man sich nun etwa, dass Abnehmer von pharmazeutischen Cannabisprodukten häufig Apotheken sind, die oftmals kaum eigene Kapazitäten haben, ihre Lieferanten regelmäßig selbst zu auditieren, wird deutlich, dass es geeignete Werkzeuge braucht, um die sachgemäße Einhaltung von GACP kontrollieren zu können, „Wildwuchs“ in der Interpretation der Regelwerke zu verhindern und langfristig einen einheitlichen Auslegungs- und Umsetzungsstandard zu schaffen, wie er für GMP und GDP bereits existiert.
GACP – ein bisher schwierig zu bearbeitendes Feld
Als Berater in GxP-Themen wird man vor diesem Hintergrund in letzter Zeit nicht nur häufiger nach Unterstützung zur Erreichung von GACP-Compliance angefragt, sondern auch, ob es denn nicht auch Zertifizierungsmöglichkeiten hinsichtlich GACP gäbe? Die Absicht hinter solchen Anfragen ist dabei sicherlich nicht nur, die Einhaltung der Richtlinien nachweisen zu können – dafür wären eine Selbstdeklaration und regelmäßige Audits durch die eigenen Kunden prinzipiell ausreichend. Sondern hier spielt sicherlich auch der nachvollziehbare Wunsch eine wichtige Rolle, als Hanf-Produzent einen handfesten Qualitätsausweis – nicht zuletzt als Marketinginstrument! – in den Händen halten zu können. So mancher Produzent strebt daher bspw. eine ISO 9001-Zertifizierung an, obwohl er sie aus rein pharmazeutischer Sicht eigentlich nicht bräuchte.
Gefragt nach einer GACP-Zertifizierungsmöglichkeit musste man bis vor Kurzem stets sagen: Nein, leider gibt es diese nicht! Aus Sicht des Fachexperten eine unbefriedigende Situation, zumal auch im Beratungsgeschäft durch die fehlende behördliche Inspektionserfahrung Unsicherheiten zwangsläufig nicht ganz ausbleiben. Dies nicht zuletzt, da im sehr breit gefächerten Abnehmerspektrum für Cannabis-Erzeugnisse sehr viel mehr Interpretationsspielraum für die Regelwerke vorhanden ist, als im relativ kleinen, fachlich versierten und gut vernetzten Behördenspektrum.
Vor diesem Hintergrund reifte im Jahr 2021 der Gedanke, dass, wenn es schon keine öffentlich-rechtlichen Inspektionen gibt, es doch wenigstens privatwirtschaftlich möglich sein sollte, sich gemäß den GACP-Leitlinien zertifizieren zu lassen. Dies vor allem auch, um eine gewisse Einheitlichkeit in den Umsetzungsfragen zu erreichen.
Die SWISO-Zertifizierung – das Label für nachgewiesene GACP-Compliance
In Zusammenarbeit zwischen der SAS-akkreditierten Zertifizierungsstelle SWISO, der IG Hanf-Initiative Swiss Certified Cannabis (SCC) und des GxP-Beratungshauses gempex GmbH wurde im Verlauf des vergangenen Jahres eine GACP-Zertifizierungsmöglichkeit entwickelt und zur Marktreife geführt.
Seit November 2021 ist es seither möglich, sich als Cannabis-Produzent in einem zweistufigen Verfahren gemäß den in Mitteleuropa gültigen GACP-Leitlinien der European Medicinal Agency (EMA) auditieren und für zunächst drei Jahre zertifizieren zu lassen. Die unterschiedlichen Anforderungen in Hinblick auf das herzustellende Endprodukt (Cannabis Flos vs. Biomasse zur Weiterverarbeitung vs. Hanfblüten-Produktion im Rahmen der Schweizerischen nationalen Pilotversuche) werden dabei in einem abgestuften Bewertungsverfahren angemessen berücksichtigt. Nach erfolgreicher Absolvierung eines Audits, erhält der so zertifizierte Betrieb die Erlaubnis, die eingetragene Marke „EMA GACP“ der SWISO gemäß erreichter Anforderungsstufe offiziell zu führen und damit auch nach außen hin zu werben.
„Hiermit eröffnet sich den Akteuren auf dem Hanfmarkt eine vergleichsweise unkomplizierte und zugleich professionell aufgelegte Möglichkeit, GACP-Compliance nachzuweisen. Ich bin gempex und SCC sehr dankbar für die äußerst wertvolle Expertise, die bei der Konzeption der Zertifizierung eingeflossen ist!“ sagt Mischa Grätzer, CEO der SWISO AG.
Die Zertifizierung ist zudem geeignet, das für pharmazeutische Abnehmer pflanzlicher Ausgangsstoffe leidige Thema der Auditpflicht zu vereinfachen, da die Option besteht, Audits nicht mehr selbst durchführen zu müssen, sondern an die SWISO zu delegieren. Die Pflicht der Abnehmer zur Überwachung der Lieferanten könnte sich dadurch schlicht auf das regelmäßige Überprüfen des Vorhandenseins einer aktuellen GACP-Zertifizierung des Lieferanten reduzieren lassen.
Anzumerken ist in dieser Hinsicht noch, dass die GACP-Zertifizierung dabei nicht etwa in Konkurrenz zu bereits etablierten Zertifizierungen – wie ISO 9001 – tritt, sondern diese vielmehr um den Aspekt zwingend zu beachtender Inhalte für die Herstellung pflanzlicher Ausgangsstoffe für pharmazeutische Produkte ergänzen kann. Der Aufbau eines integrierten Qualitätsmanagement-Systems, welches alle Aspekte – sowohl pharmazeutische als auch betriebswirtschaftlich-administrative – vereint, ist vor diesem Hintergrund nicht nur möglich, sondern sogar dringend empfohlen! Bei der Frage des „Wie?“ ist indes Fachexpertise und Kompetenz gefragt, die man sich im Zweifel lieber von extern holen sollte, anstatt unnötig Zeit und Ressourcen auf ein letztlich ungenügendes Ergebnis zu verschwenden.
„Die neue SWISO-GACP-Zertifizierung schließt eine bisher eklatante Lücke in der Cannabis-Branche und wird einen sehr wichtigen Beitrag dazu leisten, einheitliche Qualitätsstandards für Hanfprodukte zur medizinischen Anwendung zu schaffen. Es ergänzt damit hervorragend den Kanon für Qualitätsstandards zur nicht medizinischen Anwendung von Hanfprodukten“ sagt der Qualitätsmanager Fabian von Kaenel, der mit dem Label Swiss Certified Cannabis (SCC) der IG Hanf bereits ein schweizweit anerkanntes Gütesigel für Hanfprodukte zu Genuss- und kosmetischen Zwecken etabliert hat.
GACP-Zertifizierung für Cannabis – der Weg in die Zukunft
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die hier vorgestellte GACP-Zertifizierung für Produzenten und Abnehmer von Cannabis die perfekte Möglichkeit bietet, die sich aus der Liberalisierung des Cannabis-Marktes ergebenden Chancen mit den vorhandenen Risiken und zwingend zu berücksichtigenden Anforderungen in Einklang zu bringen. Gleichzeitig besteht die große Chance, eine dringend gebotene Regulierung des Marktes herbeizuführen, bevor sich der berühmt-berüchtigte „Wildwuchs“ überhaupt erst Bahn brechen kann. Sie ist insofern geeignet, eine jetzt bereits erhebliche Nachfrage am Markt zu bedienen und eine Lücke zu schließen, welche durch behördliche Vorgaben geschaffen wurde und die in den kommenden Jahren immer größer zu werden droht. In jedem Fall hat sie das Potenzial, sich als Standard-Qualitätslabel für die Erzeugung von pharmazeutischem Cannabis sowie im Rahmen der nun effektiv in der Schweiz startenden Pilotversuche durchzusetzen. Einige namhafte Produzenten haben diese Zeichen der Zeit bereits erkannt und streben aktuell schon eine Swiso-Zertifizierung an. Tendenz stetig steigend!
Kontakt zum Autor
Dr. Ralf Prescher, gempex GmbH