Cannabichromen, kurz CBC, ist ein weiteres medizinisch bedeutsames Cannabinoid im Hanf. Raphael Mechoulam entdeckte zusammen mit Yechil Gaoni dieses Cannabinoid erstmals im Jahr 1966 bei Untersuchungen von einem Hanfextrakt. Trotz seines zahlreichen Vorkommens war lange Zeit unklar, an welchen Cannabinoidrezeptoren CBC wirkt. Der aktuelle Wissensstand ist, dass CBC ein CB2-Agonist ist.
Dies konnte in einer Untersuchung eines australischen Forscherteams im Jahr 2019 experimentell nachgewiesen werden, indem man die Aktivität von CBC in einer Zellkultur untersuchte. In einer speziell angefertigten Zellkultur, die über CB1- und CB2-Rezeptoren verfügte, konnte gezeigt werden, dass CBC am CB2-Rezeptor eine intrazelluläre Reaktion auslöst, die im Anschluss mittels einer Gegenprobe durch die Zugabe eines CB2-Antagonisten wieder aufgehoben werden konnte. Damit war nachgewiesen, dass CBC ein CB2-Agonist ist.
Da es keine Aktivität am CB1-Rezeptor zeigt, ist CBC nicht psychoaktiv. Die Forscher gehen davon aus, dass CBC ebenfalls ein hohes therapeutisches Potenzial besitzt. Zwar gibt es im Gegensatz zu THC und CBD bislang nur vergleichsweise wenige Studien, jedoch lassen diese bereits auf ein breites Einsatzgebiet hoffen.
Einfluss auf die Neuroplastizität
Die Neuroplastizität bezeichnet die Fähigkeit des Gehirns, sich selbst bis zu einem gewissen Grad zu reparieren und neu zu strukturieren. Dies ist besonders in der Entwicklungsphase von Bedeutung, doch auch darüber hinaus ist eine funktionierende Neuroplastizität unverzichtbar, wenn es darum geht, neue Verbindungen im Gehirn zu erstellen. Forscher gehen davon aus, dass eine Fehlfunktion in der Neuroplastizität bzw. in der Neurogenese, ein entscheidender Faktor bei der Entstehung von neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer ist. Genau diese Fähigkeit des Gehirns, sich bis zu einem bestimmten Grad selbst regenerieren zu können, scheint durch CBC verbessert zu werden.
Ein italienisches Forscherteam konnte 2013 experimentell nachweisen, dass CBC eine direkte Wirkung auf neurale Stammzellen hat. Neurale Stammzellen sind jene Vorläuferzellen, aus denen letztlich die neuen funktionsfähigen Gehirnzellen entstehen. In einer Zellkultur aus neuralen Stammzellen wurden die Auswirkungen von verschiedenen Cannabinoiden getestet, darunter auch CBC. Die Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass CBC die Lebensdauer der neuralen Stammzellen erhöht und außerdem jene Prozesse fördert, die dafür verantwortlich sind, dass sich aus diesen Stammzellen neue funktionsfähige Nervenzellen bilden. Man geht davon aus, dass Cannabichromen durch seinen Einfluss auf genau diesen Prozess, zukünftig ein Kandidat sein könnte zur verbesserten Rehabilitation nach Schlaganfällen. Auch der Verlauf von Alzheimer kann verlangsamt werden, indem CBC in diesen Prozess eingreift.
Neuer Wirkungsmechanismus in der Schmerzbehandlung
Eine besondere Eigenschaft von CBC ist, dass es nicht nur am bekannten CB2-Rezeptor wirkt, sondern auch an zwei weiteren Rezeptoren andocken kann. Es kann an bestimmten Untertypen der TRPV- und TRPA-Rezeptoren wirken, woraus sich eine Reihe möglicher interessanter medizinischer Zwecke ergeben. Bereits 2011 konnte durch Beobachtungen an Ratten festgestellt werden, dass CBC durch seine Wirkung an den beiden Rezeptoren, einen neuen Wirkungsmechanismus in der Schmerzmedizin darstellen könnte. Die beiden genannten Rezeptoren spielen eine zentrale Rolle bei der Übertragung von Schmerzreizen. CBC scheint auf diese Rezeptoren eine antagonistische Wirkung auszuüben und auf diese Weise die Schmerzübertragung zu blockieren.
CBC hemmt die Weiterleitung von Proteinen in den Kanälen dieser Rezeptoren, die für die Vermittlung der Schmerzwahrnehmung zuständig sind. In dieser Untersuchung konnte zusätzlich festgestellt werden, dass sich durch die Verabreichung von CBC, der Spiegel an körpereigenen Cannabinoiden wie Anandamid erhöht. Der Abbau bzw. die Wiederaufnahme von körpereigenen Cannabinoiden findet unter anderem über den TRPA-Rezeptor statt. Blockiert man diesen, so wird die Konzentration von körpereigenen Cannabinoiden im Blut erhöht. Ein Mangel an körpereigenen Cannabinoiden kann mit einer Vielzahl an Erkrankungen einhergehen. An dieser Stelle könnte CBC eine einfache, aber effektive Möglichkeit sein, einem Mangel an Endocannabinoiden entgegenzuwirken.
Entzündungshemmende Wirkung
Da es sich bei CBC um einen CB2-Agonisten handelt, liegt die Vermutung nahe, dass es auch eine entzündungshemmende Wirkung aufweisen könnte. In der Tat konnte dies in mehreren Studien nachgewiesen werden. 2016 konnte in einer ungarischen Studie an einer Zellkultur menschlicher Hautzellen nachgewiesen werden, dass CBC jene Prozesse blockiert, die bei der Entstehung von Akne eine zentrale Rolle spielen. Durch Beobachtungen an Mäusen ist bekannt, dass CBC Entzündungen im Darm ähnlich effektiv bekämpfen kann wie andere CB2-Cannabinoide.
Die Forschung geht außerdem davon aus, dass CBC eine synergetische Wirkung mit THC und CBD hat und auf diese Weise deren entzündungshemmende Wirkung weiter verstärken kann. Zu der synergetischen Wirkung von CBC gibt es bereits erste klinische Pilotstudien. In einer 2022 veröffentlichten australischen Studie, konnte an freiwilligen Testpersonen gezeigt werden, dass die Aufnahme von THC oder CBD verbessert wird, wenn parallel dazu auch CBC verabreicht wird. Auch umgekehrt konnte im Blut eine höhere Konzentration von CBC nachgewiesen werden, wenn das CBC gleichzeitig mit einem der beiden anderen Cannabinoide verabreicht wurde.