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Lange Zeit nach der erstmaligen Entdeckung des Endocannabinoidsystems ging man davon aus, dass dieses nur aus den altbekannten CB1- und CB2-Rezeptoren besteht. Zwar erfüllen diese die wichtigsten Aufgaben und dienen als primäre Andockstelle der meisten bekannten Cannabinoide, doch bei genauerer Betrachtung erwies sich das Endocannabinoidsystem in den nachfolgenden Jahren als erheblich komplexer.
Mit der Entdeckung mehrerer GPR-Rezeptoren begann man zu verstehen, dass auch an diesen Rezeptoren Cannabinoide wirken können. Eine weitere Gruppe von Rezeptoren, die bislang in der breiten Öffentlichkeit noch kaum bekannt sind, aber ebenfalls mit Cannabinoiden interagieren, sind die TRPV-Rezeptoren.
Funktionsweise
Die Abkürzung TRP stammt aus dem Englischen und steht für „transient receptor potential“. Das V steht für Vanilloid, was bedeutet, dass der Rezeptor wiederum zu der Gruppe der Vanilloidrezeptoren gehört. Auch von den TRPV-Rezeptoren gibt es wiederum verschiedene Subtypen. Die prinzipielle Funktionsweise ist bei allen TRPV-Rezeptoren die gleiche. Sie übermitteln bestimmte Informationen in Form von Ionen, in den sogenannten Ionenkanälen. Ionen sind elektrisch geladene Teilchen. Bei den meisten Ionenkanälen kommen Kalzium- oder Natriumionen zur Anwendung, um eine bestimmte Information von diesem Rezeptor in das Zellinnere oder an das Nervensystem weiterzuleiten. Je nach Stärke und Ladung des Ionenstroms können auf diese Weise verschiedene Empfindungen vermittelt werden.
Unter den TRPV-Rezeptoren ist besonders der TRPV1-Rezeptor interessant. Dieser spielt eine wichtige Rolle bei der Weiterleitung von Schmerzreizen. Berührt man eine heiße Herdplatte, dann wird der dadurch entstehende Schmerz, unter anderem über diesen Rezeptor an das Gehirn weitergeleitet. TRPV1-Rezeptoren sind im gesamten peripheren Nervensystem zu finden, konzentrieren sich aber insbesondere an den für die Schmerzwahrnehmung zuständigen nozizeptiven Neuronen. Auch körperliche Empfindungen durch chemische Einflüsse werden über den TRPV1-Rezeptor vermittelt.
Zum Beispiel sorgt dieser Rezeptor dafür, dass man die Schärfe von Chili spürt, da sein Hauptwirkstoff Capsaicin an diesem Rezeptor andocken und entsprechende Signale über die Ionenkanäle vermitteln kann. Das erstaunliche ist, dass an diesem Rezeptor auch zahlreiche bekannte Cannabinoide aus der Hanfpflanze andocken können. Somit muss der TRPV1-Rezeptor streng genommen ebenfalls zum Endocannabinoidsystem gezählt werden. Es gibt mehrere Studien, die zeigen konnten, dass THC, CBD und viele weitere Cannabinoide aus dem Hanf, an diesem Rezeptor eine Wirkung entfalten können.
Diese Cannabinoide waren in den Versuchen nicht nur am TRPV1-Rezeptor wirksam, sondern auch an mehreren weiteren Rezeptoren aus der TRPV-Gruppe. Je nach verwendetem Cannabinoid, zeigte sich an den verschiedenen Rezeptoren entweder eine agonistische oder antagonistische Wirkung, welche wiederum bewirkte, dass der Ionenfluss in den Ionenkanälen des Rezeptors angeregt oder gehemmt wurde.
Körpereigene Cannabinoide an TRPV-Rezeptoren wirksam
Forscher konnten feststellen, dass das körpereigene Cannabinoid Anandamid, ebenfalls am TRPV1-Rezeptor wirkt. Es wird vermutet, dass Anandamid an diesem Rezeptor eine Rolle bei der Schmerzempfindung, sowie bei der Ausprägung von bestimmten Symptomen von Entzündungsreaktionen, wie Röte und Wärme, spielt. Mehrere wissenschaftliche Arbeiten gehen auch davon aus, dass eine Fehlregulierung des TRPV1-Rezeptors eine Ursache bei der Entstehung chronischer neuropathischer Schmerzerkrankungen sein könnte. Einige weitere molekularbiologische Prozesse, die Anandamid über den TRPV1-Rezeptor reguliert, sind bis heute bisher nicht vollständig verstanden.
Nach aktuellem Wissensstand geht man davon aus, dass das Zusammenspiel aus Anandamid und dem TRPV1-Rezeptor, eine entscheidende Rolle beim Fettstoffwechsel, sowie bei der Appetitregulierung spielt. Möglicherweise ist sogar ein Teil der appetitanregenden Wirkung von THC, auf den TRPV1-Rezeptor zurückzuführen. Auch beim Entstehen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sowie bei Epilepsie, spielt der TRPV1-Rezeptor vermutlich eine Rolle. Durch Beobachtungen an Mäusen ist bekannt, dass Anandamid über seine Wirkung am TRPV1-Rezeptor eine regulierende Wirkung auf den Aufbau von neuen Muskelzellen hat. Die Entwicklung von Myoblasten, einer Vorläuferzelle der eigentlichen Muskelzelle, wird über diesen Prozess maßgeblich reguliert.
Großes Potenzial für die Schmerztherapie
Insbesondere der TRPV1-Rezeptor könnte in der Schmerzbehandlung noch eine größere Bedeutung bekommen. Auch das Verständnis, in welcher Weise THC seine schmerzstillende Wirkung bei neuropathischen Schmerzen entfaltet, könnte durch diese Entdeckung noch einmal aus einer neuen Perspektive betrachtet werden. Während man lange Zeit davon ausging, dass THC seine bekannten Wirkungen nur über die CB1- und CB2-Rezeptoren entfaltet, geht man mittlerweile davon aus, dass in diesem Wirkungsmechanismus primär der TRPV1-Rezeptor, eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt.
Das Verständnis darüber, wie die Schmerzweiterleitung über diesen Rezeptor auf biochemischer Ebene im Detail funktioniert, kann in Zukunft dabei helfen, vollkommen neue Medikamente gegen chronische Schmerzen zu entwickeln. Chronische Schmerzen sind ein enormes gesundheitliches Problem, welches bis heute bislang nicht vollständig befriedigend gelöst werden konnte. Während starke akute Schmerzen in der Anästhesie sehr gut beherrscht werden können, stellen chronische Schmerzerkrankungen bis heute eine enorme Herausforderung dar.
Die meisten konventionellen Schmerzmittel bringen bei Dauergebrauch erhebliche Nebenwirkungen mit sich, oder führen, wenn sie auf Opiaten basieren, zu einer schweren Abhängigkeit. Die Entdeckung, dass gänzlich nicht toxische Cannabinoide wie CBD und viele weitere Cannabinoide, eine Wirkung auf einen bislang kaum bekannten Rezeptor haben, könnte ein wichtiger Meilenstein bei der Entwicklung von Schmerzmitteln mit einem neuen Wirkungsmechanismus sein, die auch bei Dauergebrauch keine nennenswerten Nebenwirkungen aufweisen.