Wo liegt der Unterschied zu den herkömmlichen Methoden der CO2- oder Ethanolextraktion?
Das Berliner Unternehmen Becanex wirbt mit seiner einzigartigen One-Step Extraction. Dabei sollen Qualität, Geschmack und Farbe besser sein. Wie ist das möglich und hält das Extrakt, was es verspricht?
Eral Osmanolgou, Co-Founder und technischer Direktor von Becanex lacht. „Ich war ein dickes Kind, habe immer gerne gegessen. Lebensmittel waren also schon in früheren Jahren meine Leidenschaft.“ Wie kommt ein kleiner Junge dann dazu, eines der spannendsten Start-ups im Cannabis-Sektor zu gründen? „Während der Schulzeit habe ich in einer Kantine gejobbt, erst als Tellerwäscher, aber mein Interesse für das Kreative am Kochen hat mich schnell in die Küche gebracht. Mein Zeugnis war ausreichend gut, um studieren zu können. Wenn du in den Niederlanden aufwächst und im Bereich Lebensmittel studieren möchtest, dann ist die WUR (kurz für Wageningen Universität und Research) das Ziel. Hier habe ich meinen Master in Prozesstechnologie für Lebensmittel abgeschlossen“.
Die Universität Wageningen ist ein Mythos in den Bereichen Landwirtschaft und Lebensmittel. In den Niederlanden für 15 Jahre hintereinander als beste Universität des Landes gewählt, liegt sie auch in internationalen Rankings ganz weit oben. Ihre Mission fasst die Universität wie folgt zusammen: „To explore the potential of nature to improve the quality of life.“ Die Forschung, vorwiegend im Bereich Prozesstechnologie, ist herausragend. Hier schließt sich der Kreis zu Erals heutigen Tätigkeit: Nach seinem Studium hat er in Wageningen neun Jahre in einem Inkubator für neue Technologien gearbeitet. Eines der Forschungsprojekte versuchte die gängigen Extraktionsverfahren (CO₂ und Ethanol) effizienter zu gestalten. Keine einfache Aufgabe: Hoher Druck und oft hohe Temperaturen fressen viel Strom, zudem sind die Prozesse wenig selektiv, es wird relativ unkontrolliert extrahiert. Das muss doch besser gehen.
Über Literaturrecherchen fand Eral dann zum pensionierten Lebensmittelchemiker Maz. Die Forschungsergebnisse des ehemaligen Mitarbeiters beim Pharmariesen GlaxoSmithKline haben Eral inspiriert. Zudem stimmte die Chemie, auch auf persönlicher Ebene, und Maz wurde Erals Mentor bei der Entwicklung unserer Innovation. „Vier Jahre haben wir mit unserm Team getüftelt, mit sehr schmalem Budget. Den ersten Prototypen haben wir selbst gebaut, tatsächlich im Keller.“ Allerdings war der Keller hier eine riesige Werkstatt mit modernem Equipment, in den oberen Etagen standen die Mitarbeiter des Inkubators zur Verfügung und die Universität war in weniger als fünf Minuten mit dem Fahrrad zu erreichen. Beste Bedingungen also, um einen technologischen Sprung zu entwickeln.
Komplizierte Prozesse auf einen einzigen Arbeitsschritt reduziert. Die Art und Weise, wie Cannabinoide aus der Hanfpflanze extrahiert werden, hat großen Einfluss auf die Qualität des daraus hergestellten CBD-Öls. Hier setzt Becanex mit seiner One-Step Extraction an: Komplizierte und mehrstufige Prozesse wurden auf einen einzigen Arbeitsschritt reduziert. Die Extraktionsbehälter werden mit Biomasse gefüllt, ein Knopf gedrückt und im Erntebehälter wird das verkaufsfertige Extrakt gesammelt. Genau hier liegt der Unterschied zu den beiden herkömmlichen Verfahren der Ethanol- und superkritischen CO₂-Extraktion. Es ist keine weitere nachgelagerte Verarbeitung (Reinigung) des Extrakts jeglicher Art erforderlich. Auf toxische Reinigungsmittel wie Heptan oder Pentan verzichtet der Prozess vollkommen. Das Resultat dieser sehr milden und schonenden Extraktion ist ein besonders volles Spektrum an Cannabinoiden, Terpenen und Flavonoiden, mit dem von Cannabiskonsumenten so geschätzten Entourage-Effekt.
Entscheidender Fortschritt bei der One-Step Extraction
Wie unterscheiden sich die Prozesse im Detail? Wird die One-Step Extraction detailliert mit herkömmlichen Extraktionsmethoden verglichen, dann ergeben sich die folgenden Unterschiede:
Kohlendioxid ist ein superkritisches Fluid (SCF), wenn es einem Druck und einer Temperatur von über 73,9 bar bzw. 31,1 °C ausgesetzt wird. Es hat die Dichte einer Flüssigkeit, die Viskosität und die Diffusionsfähigkeit eines Gases. Es ist als Extraktionslösungsmittel nur bei einem Druck von wesentlich mehr als 150 bar wirksam. Wie bei anderen Lösungsmitteln findet ein Stoffaustausch statt, wenn die SC-Flüssigkeit mit dem pflanzlichen Material in Kontakt kommt.
Mit der superkritischen CO2-Extraktion sind folgende gravierende Nachteile verbunden:
Die Extraktion unter sehr hohem Druck führt zu hohen Prozesskosten durch hohen Energieaufwand. Der hohe Extraktionsdruck führt zu einer schlechten Selektivität und damit zur Extraktion vieler unerwünschter Moleküle wie Wachse und Chlorophyll. Das macht nachgeschaltete Reinigungsschritte und die Einführung unerwünschter Lösungsmittel wie Ethanol erforderlich.
SC-CO2 ist sauer und verursacht den Abbau der empfindlichen Mono- und Diterpene, was zu schlechtem Geschmack, Aroma und Farbe führt.
Die zweite bekannte Extraktionsmethode für Cannabis ist die Ethanolextraktion. Ein Verfahren, bei dem der Stoffaustausch durch Kontakt der Biomasse mit Ethanol erreicht wird. Die verbrauchten Biomasserückstände werden durch Filtration entfernt, und man erhält eine geklärte ethanolische Lösung. Das Ethanol wird dann durch Vakuumverdampfung bei erhöhten Temperaturen entfernt.
Dieses Verfahren hat die folgenden Nachteile:
- Der Alkohol ist nicht selektiv, viele unerwünschte Verbindungen, darunter Wachse und Chlorophyll, werden mit extrahiert, sodass weitere Verarbeitungsschritte erforderlich sind.
- Erhöhte Verdampfungstemperaturen führen zum Abbau der empfindlichen aromatischen Terpene und damit zu schlechtem Geschmack und Aroma.
- Die meisten der gewünschten flüchtigen aromatischen Moleküle werden zusammen mit Ethanol verdampft.
- Die Verdampfung von Lösungsmitteln ist kostenintensiver.
Die oben genannten Nachteile beider Verfahren führen zu Extrakten, die die bekannte dunklere Farbe, einen teilweise stark bitteren Nachgeschmack und ein schlechtes, flüchtiges Aroma haben. Der Entourage-Effekt wird je nach Reinigung nur schwach ausgeprägt sein.
Hier setzt Becanex an: Das einzigartige Verfahren von Becanex verwendet eine Reihe von Lösungsmitteln, die als Phytosole bekannt sind. Das Lösungsmittelsystem, die Prozessmethodik und die kritischen Parameter, wie unter anderem das Verhältnis zwischen Lösungsmittel und Biomasse, die Kontaktzeiten, Temperatur und der Druck werden durch Becanex genauestens kontrolliert. Dies ist der große Entwicklungserfolg des Unternehmens. Prozessstabilität ist in der Lebensmittelverarbeitung entscheidend, und führt im Kontext mit Cannabis dazu, dass eine optimale chemische Zusammensetzung der Produkte routinemäßig erreicht werden kann.
Zusammengefasst hat die One-Step Extraction die folgenden Vorteile:
Das Lösungsmittelsystem ist ungiftig, nicht korrosiv, nicht entflammbar, inert und pH-neutral und im Extrakt finden sich keine Lösungsmittelrückstände.
Effizient und hochselektiv – keine Wachse oder unerwünschten Polyphenole werden mit extrahiert. Es entsteht ein sehr angenehmer, fruchtig-nussiger Geschmack. Eine weitere nachgeschaltete Reinigung oder Verarbeitung des Extrakts ist nicht erforderlich.
Die chemische Zusammensetzung des Extrakts ähnelt sehr stark der Cannabispflanze, kein anderes Extrakt ist so nah an der Pflanze, der Entourage-Effekt kommt voll zur Entfaltung.
Das Produkt überzeugt mit hervorragendem Geschmack, Farbe und Aroma.
Was kommt als Nächstes?
Das Forschungsteam um die Wageningen-Absolventen Eral Osmanoglou, Dr. Ties van der Laar, Dr. Dilek Saglam und Stella Moris arbeitet am Upscaling der Technologie. „Wir sind derzeit ein kleines, hoch spezialisiertes Extraktionsunternehmen. Mit Unterstützung von staatlichen Fördergeldern arbeiten wir an einer Weiterentwicklung und Vergrößerung der Maschine“, erklärt Sebastian Kamphorst, Co-Founder und Geschäftsführer. „In zwei Jahren wollen wir die 15-fache Menge an Hanf-Biomasse pro Stunde verarbeiten und zudem auch reine Terpenmischungen anbieten.“ Hierzu gab es bislang unter anderem Fördergelder vom Bundeswirtschaftsministerium und dem Land Berlin.
Überhaupt Berlin: Bereits im Gründungsjahr wurde Becanex als eines von nur ganz wenigen Start-ups als „Partner für Berlin“ aufgenommen und seitdem bei der Unternehmensentwicklung besonders gefördert. „Die Stadt hat schon sehr früh das Potenzial von Cannabis und dann auch von unserem technologischen Wissen erkannt. Wir sind Unternehmer und tragen das Unternehmensrisiko, aber es hilft zu wissen, dass unsere Forschung und Arbeit breit geschätzt und unterstützt wird.“
Neben Extrakten entwickelt Becanex eine Vielzahl von Anwendungsformen, z. B. Extrakte in Pulverform, die in Smoothie-Mischungen gemixt werden, kosmetische Anwendungen bis hin zu Emulsionen für Getränke.
Senior Researcher Dr. Ties van der Laar sagt dazu: „Unser großes Wachstum wird erst nach erfolgreich freigegebenem Novel Food Antrag starten. Den ersten Schritt hat unser Antrag gemacht, er wurde von der Europäischen Kommission angenommen und zur Bewertung an die EFSA (European Food & Safety Authority) übergeben. Da sind wir schon stolz, dass unsere detaillierte und gewissenhafte Arbeit so zügig positiv bewertet wurde.“
Und Medizinalcannabis?
„Dronabinol werden wir im Jahr 2022 herstellen können“, führt Eral Osmanoglou aus. „Zudem haben wir schon viele Experimente zu Extrakten mit hohem THC-Gehalt gemacht und parallel zu den Extrakten auf Hanf hervorragende Resultate erzielt. Wir denken, dass eine Legalisierung von Cannabis für unser Unternehmen eine riesige Entwicklungschance bedeutet, wir sind vorbereitet. Bis dahin wird Becanex weiter im Hintergrund als Lieferant an CBD Marken und traditionelle Unternehmen arbeiten.
Für Vielnutzer werden wir über die Seite www.cannabis-selbstzahler.de größere Gebinde unserer Extrakte (30 ml, 100 ml) und reines CBD-Öl (Isolat) anbieten. So können wir die Kostenvorteile unserer Produktion direkt an die Konsumenten weitergeben und unserem Ziel Cannabinoide für alle zugänglich zu machen einen Schritt näherkommen.