Einer Studie aus dem Jahr 2019 entsprechend halten viele Menschen den Geruch von Cannabis für äußerst störend. Manche Personen verabscheuen sogar den Geruch, der dem konsumierbaren Pflanzenmaterial auch zu seinem Kosenamen verhalf und vielen Cannabisvarietäten definiert: Skunk – also wie das Stinktier.
Beinahe ein Viertel der in einer Umfrage Auskunft gebenden amerikanischen Teilnehmer antwortete, dass sie den Geruch als widerlich empfinden. Warum das so ist und warum Cannabis tatsächlich ähnliche Düfte wie ein seine Feinde mit stinkender Drüsenflüssigkeit besprühendes Stinktier absondert, hat nun eine weitere Untersuchung herausgefunden, die im November 2021 im Journal ACS Omega veröffentlicht wurde.
Neue Verbindungen mit 2D-Gaschromatografie nachgewiesen
Eine neue Familie von prenylierten flüchtigen Schwefelverbindungen (VSC), die Cannabis das charakteristische, stinkende Aroma verleihen, wurden während der Untersuchungen mittels 2D-Gaschromatografie nachgewiesen. Die Ergebnisse eröffnen die Möglichkeit, die Moleküle auf ihren medizinischen Nutzen hin zu untersuchen, so die Forscher. „Wir vermuteten, dass schwefelhaltige Verbindungen der Ursprung dieses Aromas sind, einfach aufgrund unserer chemischen Intuition als Chemiker“, sagte der Hauptautor der Studie, Lain Oswald, ein analytischer Chemiker bei Abstrax Tech. Dies ist ein Unternehmen, welches in Kalifornien aromatische Verbindungen entwickelt, die als Terpene bekannt sind. Schließlich hätten Stinktiere einen Haufen VOCs in ihrem Aerosolspray, sodass das Team vermutete, dass Cannabis vielleicht ähnliche Eigenschaften aufweisen könnte.
Um die Strukturen der schwefelhaltigen Verbindungen richtig zu verstehen, setzten Oswald und seine Kollegen ein speziell angefertigtes zweidimensionales Gasspektrometriesystem ein, das mit Massenspektrometrie und Schwefel-Chemilumineszenz kombiniert wurde. Mit diesen Techniken konnten sie die Strukturen der insgesamt sieben VSC identifizieren. Die Wissenschaftler stellten daraufhin fest, dass fünf von ihnen eine funktionelle Prenylgruppe enthielten. Das ist ein Merkmal der speziellen Schwefelverbindungen, das so auch in Knoblauch vorkommt.
Einzigartige Moleküle in Cannabis
Der schwefelhaltige Ursprung bezüglich des stechenden Geruchs der Pflanze, über den in der Studie berichtet wird, wäre vielleicht zu erwarten gewesen, aber die Neuartigkeit einiger der aufgefundenen Verbindungen sei äußerst überraschend, sagte Amber Wise gegenüber LiveScience.com. Wise ist die wissenschaftliche Leiterin und analytische Chemikerin bei Medicine Creek Analytics, einem Cannabis-Testlabor in Washington. Der stinkende Geruch, also der Eiergeruch oder auch Furzgeruch, stamme von den Schwefelverbindungen, wie sie zumindest Chemikern bekannt seien, berichtete Amber Wise dem Wissenschaftsportal. Das Überraschende sei jedoch gewesen, dass es so etwas wie einzigartige Moleküle in Cannabis gibt. Zu diesen Verbindungen gehörten VSC6 und VSC7, die laut dem Hauptautor der Studie, Iain Oswald, bislang in noch keiner anderen Pflanze gefunden worden sind.
Über 200 bekannte Aromastoffe
Cannabis sativa L. produziert laut Forschung mehr als 200 bekannte Aromastoffe. Frühere Studien konzentrierten sich in der Regel auf die Terpenoide – Moleküle, deren Geruch von holzig, zitrusartig, blumig bis treibstoffähnlich reicht. Die verschiedenen Cannabisvarietäten weisen zumeist unterschiedliche Mischungen dieser Verbindungen auf, welche somit zu ihren einzigartigen Aromen beitragen. Terpene stellen in Bezug auf die Konzentration die wichtigsten Verbindungen dar. Etwa sechs dieser aromatischen Verbindungen können bereits einzeln für bis zu 50 Prozent der Variation der Gerüche zwischen unterschiedlichen Cannabissorten verantwortlich sein, schreiben die Autoren in der Studie.
So erhalte beispielsweise die Cannabissorte OG Kush ihren charakteristischen benzinartigen Geruch durch die Terpene β-Myrcen und β-Caryophyllen. Die höheren Konzentrationen von Terpinolen und D-Limonen sorgen dagegen dafür, dass die Sorte Jack Herer nach Zitrusfrüchten und Holz riechen würde. Praktisch sind die Terpenoide für die Pflanzen, da sie sich damit gegen Fressfeinde wie Insekten verteidigen oder um Bestäuber anzulocken. Doch obwohl Terpenoide die am häufigsten vorkommenden Aromastoffe in Cannabis sind, gibt es bislang kaum darauf Hinweise, dass sie für den stinkenden Geruch gewisser Sorten verantwortlich sind.
Dem Grasgeruch hinterher
Während die Rolle der Terpene in den einzelnen Sortenprofilen bereits gut bekannt ist, wollte Oswald mit seinen Kollegen den genauen Verbindungen auf die Spur kommen, die allen Cannabissorten ihren stinkenden Geruch verleihen. Drei der forschenden Personen, darunter auch Oswald, haben nun ein Patent angemeldet, das im Zusammenhang zu ihren Erkenntnissen steht. VSCs haben relativ komplexe Strukturen, die ihre Analyse erschweren. Dazu sind die Konzentrationen von VSCs – die beispielsweise auch in Hopfen und der stark stinkenden Frucht Durian vorkommen – in Cannabispflanzen im Vergleich zu der Terpenmenge sehr gering. Die menschliche Nase sei aber diesbezüglich sehr geschult, sodass schon wenige dieser Verbindungen ausreichen, bis man empfindlich auf sie reagiere, so Oswald.
„VSC3 riecht von sich aus wie Cannabis, vor allem aus der Ferne. Die Terpene an sich erinnern nur sehr leicht daran“.
Lain Oswald
Daher ließen die Wissenschaftler ein geschultes vierköpfiges Gremium die Stärke der verdünnten VSCs zusammen mit einer Sammlung von Terpenen und Cannabisblüten auf einer Skala von null bis zehn bewerten. Das Gremium stellte dabei fest, dass VSC3 am stärksten an das stinkende Aroma von Cannabis erinnert. Dieses VSC konnte bereits zuvor als Hauptverbindung verantwortlich gemacht werden, die Bier, das durch die Einwirkung von ultraviolettem Licht ruiniert wurde, zum Stinken brachte. „VSC3 riecht von sich aus wie Cannabis, vor allem aus der Ferne“, so Oswald. „Die Terpene an sich erinnern nur sehr leicht daran“, fährt er fort.
Synergetischer Effekt
Das Ergebnis wurde bestätigt, als die Forscher die zehn wichtigsten Aromakomponenten der Cannabissorte Bacio Gelato mischten, aber VSC3 ausschlossen. So konnten sie einen Geruch erzeugten, der nach Ansicht des Gremiums an den blumigen Duft der Sorte erinnerte, aber nicht an dessen skunkige Schärfe. Allerdings ist VSC3 nicht für alle aromatischen Effekte alleine verantwortlich. Es existiere ein synergistischer Effekt, so Ian Oswald. „Als wir sie zusammengemischt haben, sagte das Gremium: „Das ist Cannabis, das ist es definitiv.“
Der Forscher meldete dazu, dass in der Untersuchung von 2021 zwar hauptsächlich der bedeutsame Einfluss von VSC3 zum speziellen Geruch der Cannabissorten hervorgehoben wurde, die Verbindungen VSC4 und VSC5 aber auch eine wichtige Rolle bezüglich des jeweiligen Aromas spielen können. Würde einem Züchter einmal eine Sorte ohne VSC3, dafür aber mit VSC4 und VSC5 unter die Nase gereicht werden, wäre es mehr als nur wahrscheinlich, dass auch hier der eindeutige Geruch von Cannabis wahrgenommen würde.
Zur Analyse wurden die Sorten von 13 verschiedenen Cannabiszüchtern genutzt – das stärkste Skunk-Aroma sonderte die Sorte Bacio Gelato ab. In dieser Varietät wurde auch die höchste Konzentration der prenylierten flüchtigen Schwefelverbindungen nachgewiesen.