Das Cannabinoide wie THC ein sehr hohes medizinisches Potenzial haben, ist mittlerweile sogar in kleinen Schritten in der breiten Masse angekommen. Neben dem klassischen unsubstituierten THC gibt es noch zahlreiche weitere Derivate, welche sich durch ihre spezifischen Vorteile in der medizinischen Anwendung auszeichnen. Beispielsweise weist 11-Hydroxy-THC eine besonders lange Wirkungsdauer auf und Delta-8-THC hat deutlich weniger cannabistypische Nebenwirkungen wie Paranoia.
Neben Derivaten gibt es von Grundwirkstoffen noch weitere Abwandlungsformen, nämlich die Analoga. Zunächst ist wichtig, zu verstehen, worin der Unterschied zwischen Derivaten und Analoga besteht. Bei einem Derivat wird an eine bestehende Stoffgruppe eine weitere Stoffgruppe angefügt. Beispielsweise könnte an THC an der 11. Stelle eine Hydroxygruppe angefügt werden, woraus sich 11-Hydroxy-THC ergibt. Bei einem Analog handelt es sich um eine strukturell praktisch identische Substanz, bei welcher keine weitere Stoffgruppe angefügt wurde, sondern ein bestehender Teil des Moleküls durch einen anderen ersetzt wurde. Eines dieser THC-Analoga mit hohem therapeutischem Potenzial ist CT3.
Seit Ende der 1990er-Jahre bekannt
CT3 wurde erstmals Ende der 1990er-Jahre von der Firma Atlantic Pharmaceuticals entwickelt und patentiert. Die exakte chemische Bezeichnung von diesem Cannabinoid lautet Dimethylheptyl-delta-8-THC. Das Besondere an diesem Cannabinoid ist, dass es eine mit THC vergleichbare medizinische Wirkung hat, jedoch ohne psychoaktive Wirkungen. Der Grund für die fehlende psychoaktive Wirkung liegt darin begründet, dass es deutlich stärker am CB2-Rezeptor bindet, als am CB1-Rezeptor.
Auf diese Weise könnte dieses Cannabinoid auch für Patienten interessant sein, die aufgrund von psychotischen Vorerkrankungen THC nicht vertragen, oder auch für Patienten, die im Alltag möglichst nicht durch psychoaktive Wirkungen eingeschränkt sein möchten. Zwar sollte das oberste Ziel in der Cannabispolitik sein, endlich Hanf flächendeckend für alle Patienten zugänglich zu machen, doch es gibt Ausnahmen, wie Personen mit psychiatrischen Vorerkrankungen, die von solchen nicht psychoaktiven THC-Analoga profitieren könnten.
Sehr wirksam gegen neuropathische Schmerzen
Die erste klinische Studie an Menschen wurde bereits im Jahr 2002 unter der Leitung von Matthias Karst an der Hannover Medical School durchgeführt. In dieser randomisierten Doppelblindstudie wurde an 21 freiwilligen Patienten, die an neuropathischen Schmerzen litten, das schmerzstillende Potenzial getestet. Die Patienten wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. Eine Gruppe erhielt ein Placebo und die andere CT3. Während der ersten Woche erhielt die CT3-Gruppe 4 Kapseln mit 10 mg pro Tag und in der 2. Woche 8 Kapseln mit 10 mg pro Tag, aufgeteilt auf 2 Tagesdosen. Im Vergleich zur Placebogruppe zeigte sich eine drastische Reduktion der neuropathischen Schmerzen.
Die Wirkung war jeweils 3 Stunden nach der Einnahme am stärksten und baute sich nach 8 Stunden wieder weitgehend ab. Zur zahlenmäßigen Erfassung der Schmerzintensität während der Behandlungsdauer wurde die VAS-Skala herangezogen. Dabei handelt es sich um eine standardisierte Skala, mit welcher die Intensität von neuropathischen Schmerzen beziffert werden kann. Bei der CT3-Gruppe zeigte sich eine Reduktion von Schmerzen, die etwa mit jener von THC vergleichbar ist, jedoch ohne psychoaktive Wirkung. Von keinem der Probanden wurden nennenswerte Nebenwirkungen berichtet.
Lange vergessen und nun wiederentdeckt
Trotz dieser zunächst vielversprechenden Studienergebnisse geriet CT3 dann erst mal für viele Jahre in Vergessenheit. Erst in den vergangenen Jahren begann sich die Forschung wieder für das Potenzial dieses Cannabinoids zu interessieren. Seit 2016 rückt CT3 wieder vermehrt in den Fokus der Forschung. Dort wurde zunächst an einem Mausmodell festgestellt, dass CT3 eine ausgesprochen starke entzündungshemmende und antifibrotische Wirkung hat. Fibrose bedeutet, eine Vernarbung im Gewebe, die meist durch entzündliche Prozesse ausgelöst wird und das betroffene Organ schwer einschränkt. Beispielsweise kann eine Lungenfibrose zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen, weil aufgrund der Gewebedefekte der Sauerstoffaustausch nur noch eingeschränkt funktioniert.
Dies könnte CT3 zu einem der aussichtsreichsten Kandidaten machen, die bislang gegen Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Lungenfibrose oder Mukoviszidose zur Verfügung stehen. Seit 2018 sind mehrere Phase 2 und Phase drei Studien an Patienten am Laufen, die CT3 genau hinsichtlich dieser Wirkungen untersuchen. Zwar stehen die Endresultate noch aus, jedoch konnte bereits jetzt eine entzündungshemmende Wirkung festgestellt werden, die jene von nichtsteroidalen entzündungshemmenden Medikamenten (NSAID) übertrifft.
Während die aktuell gängigen NSAIDs lediglich die Entzündung eindämmen, scheint CT3 die Ursache bekämpfen zu können, indem es auf die ursächlichen intrazellulären Prozesse einwirkt. Während NSAIDs häufig starke Nebenwirkungen mit sich bringen, bleiben diese bei CT3 praktisch aus. Es kann davon ausgegangen werden, dass CT3 in Zukunft bei der Behandlung von einem breiten Spektrum an entzündlichen und fibrotischen Erkrankungen interessant sein dürfte.
Quellen und weiterführende Links
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/
https://igptr.ch/wp-content/uploads/2019/03/pp111208_VAS_NRS.pdf