Lange Zeit galt Hanf als die einzige Quelle für Cannabinoide in der Natur. Entsprechend seiner lateinischen Bezeichnung Cannabis, wurde diese Stoffgruppe auch nach dem Hanf benannt. In den vergangenen Jahrzehnten begann man zunehmend zu begreifen, dass auch andere Pflanzen und sogar Pilze und Mikroorganismen Cannabinoide produzieren.
Unter anderen konnte sogar das bekannte CBD, in einer südamerikanischen Pflanze nachgewiesen werden. Nun wurde sogar CBGA in einer weiteren Pflanze gefunden. Dies ist eine besondere wissenschaftliche Sensation, da CBGA der wichtigste Ausgangsstoff für die Synthese weiterer Cannabinoide im Stoffwechsel von Hanf ist.
Eine südafrikanische Strohblume
Helichrysum umbraculigerum gehört zur Gattung der Strohblumen und ist vorwiegend in Südafrika verbreitet. Zu der Familie der Strohblumen zählen etwa 600 verschiedene Arten. Einige davon finden auch bei uns als Zierpflanze Verwendung. Das Besondere daran ist, dass die Gattung Helichrysum genetisch überhaupt nicht mit Hanf verwandt ist. Während andere weitverbreitete Nutzpflanzen, wie der Hopfen, sogar zur gleichen botanischen Familie wie der Hanf gehören, haben genetisch betrachtet, der Hanf und Strohblumen überhaupt nichts gemeinsam. Bereits vor 40 Jahren wurde in Helichrysum umbraculigerum Cannabigerolsäure, also CBGA, nachgewiesen. Die Entdeckung geriet zunächst wieder in Vergessenheit.
Im Jahr 2023 nahm ein internationales Forscherteam diese Pflanze erneut unter die Lupe und konnte das Vorhandensein von CBGA bestätigen. Der Gehalt beträgt hierbei bis zu 4,3 % des Trockengewichts in den Blättern. Im Gegensatz zum Hanf befinden sich bei dieser Pflanze die begehrten Inhaltsstoffe nicht primär in den Blütenknospen, sondern in den Trichomen der Blätter. Das Vorhandensein von CBGA in dieser hohen Konzentration konnte mehrfach reproduziert werden. Die Forscher züchteten die Pflanze in größerer Anzahl in einem Gewächshaus und konnten dabei den erstaunlich hohen Gehalt von 4,3 % reproduzieren.
Eine Mini-Chemiefabrik wie Hanf
Genauso wie bei Hanf dient auch im Stoffwechsel von Helichrysum umbraculigerum CBGA als Ausgangsstoff für die Synthese von weiteren Cannabinoiden. Dies ist eine absolute Sensation und in dieser Form in der Natur bislang einzigartig. Bei vielen anderen Pflanzen, in denen Cannabinoide nachgewiesen wurden, fallen diese sozusagen nur als Nebenprodukt anderer Synthesewege an. Dass jedoch ausgehend von CBGA weitere Cannabinoide synthetisiert werden, kannte man bislang nur von Hanf. Genauso wie man es auch aus dem Stoffwechsel von Hanf kennt, werden auch in dieser Strohblume die weiteren Cannabinoide mittels Enzymen von CBGA ausgehend synthetisiert. Enzyme sind Proteine, die in einer chemischen Reaktion als Katalysator wirken und auf diese Weise Moleküle umbauen können.
Die Forscher konnten bislang 5 verschiedene Enzyme entdecken, mit denen diese Pflanze Cannabinoide synthetisiert. 3 davon kommen auch in Cannabis vor, die anderen beiden waren bislang noch vollkommen unbekannt. Teilweise produziert die Pflanze Cannabinoide, die man auch aus Cannabis kennt, wie das von CBGA abgeleitete CBG. Es wurden aber auch Typen von Cannabinoiden entdeckt, die von Cannabis nicht produziert werden. Bei der Gruppe der neu entdeckten Cannabinoide handelt es sich um den sogenannten Amorfrutin-Typ. Ob diese Pflanze auch psychoaktive Cannabinoide beinhaltet, konnte bislang nicht eindeutig beantwortet werden. Bei der Stoffgruppe der Amorfrutin-Cannabinoide handelt es sich um nicht psychoaktive Cannabinoide. Es gibt jedoch exemplarische Berichte darüber, dass Ureinwohner Afrikas, die Pflanze bei psychoaktiven Räucherungen benutzt haben. Konkrete Erfahrungsberichte dazu finden sich jedoch im Internet bislang nicht.
Wahrscheinlich medizinischer Nutzen
Diese Entdeckung könnte auch für die Medizin von Bedeutung sein. Cannabinoide aus der Gruppe der Amorfrutine sind stark entzündungshemmend. Aktuelle Studienergebnisse deuten darauf hin, dass diese Gruppe von Cannabinoiden nicht nur an den bekannten Cannabinoidrezeptoren wirkt, sondern auch am PPAR-Gamma Rezeptor. Dabei handelt es sich um einen Rezeptor, der in mehreren Gewebetypen vorzufinden ist und mehreren entzündlichen Prozessen im Zusammenhang steht. Mehrere Botenstoffe, die bei Entzündungen und auch bei Diabetes eine zentrale Rolle spielen, werden unter anderem über diesen Rezeptor moduliert.
Die Wirkung von Cannabinoiden an diesem Rezeptor zu verstehen, könnte neue Behandlungsoptionen für diese Krankheiten eröffnen. Zusätzlich könnte diese Pflanze als legale Quelle für therapeutisch wirksame Cannabinoide dienen, in Ländern, in denen Hanf auch heute noch illegal ist. CBGA selbst hat ebenfalls mehrere medizinische Qualitäten. Forscher gehen auch davon aus, dass genetisch geringfügig modifizierte Züchtungen dieser Strohblume, auch weitere Cannabinoide in ihrem Stoffwechsel produzieren könnten. Dies könnte die Pflanze in Ländern, mit drakonischem Verbot von Hanf, zu einer Quelle für medizinisch wertvolle Cannabinoide machen.