Pflanzen, wie Hanf, sind im Grunde hochkomplexe natürliche Chemiefabriken, die eine ganze Palette an Substanzen herstellen. Um all diese Synthesen bewerkstelligen zu können, sind die entsprechenden Ausgangsstoffe nötig, die im Stoffwechsel der Pflanze dann mit Enzymen weiterverarbeitet werden. Einer dieser essenziellen Ausgangsstoffe im Hanf ist die Cannabigerolsäure, kurz CBGA.
Sie kann sozusagen auch als Mutter der Cannabinoide bezeichnet werden, denn für die Synthese der meisten wichtigen Cannabinoide, die sich im Hanf finden, dient CBGA als primärer Ausgangsstoff. Chemisch handelt es sich bei CBGA um eine Dihydroxybenzoesäure. Diese entsteht im Stoffwechsel der Pflanze wiederum aus einer Reaktion von Olivetolsäure und Geranyldiphosphat. Erst das Vorhandensein von CBGA macht es möglich, mittels weiterer Reaktionen, die zahlreichen anderen Cannabinoide im Stoffwechsel herzustellen. Weiterhin hat CBGA selbst auch noch einige medizinische Qualitäten.
Der Grundstoff für die meisten Cannabinoide
Mittels Enzymen wird von CBGA ausgehend, im pflanzlichen Stoffwechsel eine ganze Kaskade an Cannabinoiden, und weiteren Vorläufern von Cannabinoiden synthetisiert. Ein Enzym ist ein Protein, welches bei einem intrazellulären chemischen Prozess als Katalysator wirkt. Ein Katalysator setzt eine chemische Reaktion in Gang, ohne aber dabei selbst in der Reaktionsgleichung aufzuscheinen. Stark vereinfacht kann man sich einen Katalysator vorstellen, wie einen Löffel, der in der Kaffeetasse umrührt. Er löst den Zucker auf und vermengt ihn mit dem Kaffee, ohne aber selbst Teil des Endproduktes zu sein. Genau das machen Enzyme bzw. Katalysatoren bei den chemischen Reaktionen, die ausgehend von CBGA im Stoffwechsel ablaufen. Direkte Nachfolgeprodukte von CBGA sind zum Beispiel THCA und CBDA, also die sauren Formen der beiden wichtigsten Cannabinoide.
Die beiden Enzyme, welche die jeweilige katalysatorische Synthese durchführen, werden demnach dann auch als THCA-Synthase und CBDA-Synthase bezeichnet. Auch CBC ist ein Nachfolgeprodukt aus enzymatischen Reaktionen von CBGA. Von CBC ausgehend, werden mit den entsprechenden Stoffwechselprozessen wiederum zahlreichere weitere Cannabinoide synthetisiert.
Die meisten Cannabinoide werden ebenfalls mittels enzymatischer Umwandlung ihres Vorgängers synthetisiert. Es gibt auch Ausnahmen, die dann entstehen, wenn durch Lichteinwirkung ein Cannabinoid in ein anderes zerfällt. Man kann sich die Rolle von CBGA im Pflanzenstoffwechsel am besten mit einem Stammbaum veranschaulichen, bei dem es an oberster Stelle einen Ausgangspunkt gibt, der sich immer weiter verzweigt, je weiter man nach unten geht. CBGA steht in diesem Stammbaum ganz oben und ist sozusagen der Vorfahre zahlreicher Cannabinoide.
Mehrere medizinische Qualitäten
CBGA dient nicht nur als Grundbaustein vieler Cannabinoide, sondern weist auch selbst einige interessante medizinische Eigenschaften auf. 2021 kam eine australische Studie zu dem Ergebnis, dass CBGA gegen das Dravet-Syndrom wirksam sein könnte. Dabei handelt es sich um eine spezielle Form der kindlichen Epilepsie. Durch Beobachtungen an Mäusen konnte gezeigt werden, dass sich die antikonvulsive, also krampflösende Wirkung von CBGA, genau in diesen neuromuskulären Bereichen entfaltet, die beim Dravet-Syndrom aufgrund eines Gendefektes gestört sind. Zusätzlich wurde festgestellt, dass es die krampflösende Wirkung von Clobazam verstärkt, einem krampflösenden Standardmedikament aus der Gruppe der Benzodiazepine, welches bei dieser Form der Epilepsie zum Einsatz kommt.
In den vergangenen Jahren begann man in der Forschung zunehmend zu begreifen, dass sich die Wirkung von Cannabinoiden nicht nur auf die altbekannten CB1- und CB2-Rezeptoren beschränkt, sondern dass diese noch an weiteren Punkten im Körper andocken und Prozesse modulieren können. So wirken Cannabinoide unter anderem an den TRP-Kanälen. Diese kann man sich am besten vorstellen, als eine Art elektrische Leitung in der Zelle, bei der mit Ionen, also elektrisch geladenen Teilchen, Informationen übertragen werden. Einer dieser TRP-Kanäle ist der TRPM7-Kanal und genau auf diesen Kanal hat CBGA eine stark hemmende Wirkung. Eine im Jahr 2023 veröffentlichte Forschungsarbeit aus Hawaii kam zu dem Ergebnis, dass CBGA, aufgrund seiner hemmenden Wirkung auf den TRPM7-Kanal ein interessanter neuer Behandlungsansatz in der Humanmedizin sein könnte.
Durch diese hemmende Wirkung kann es unter anderem eine schützende Wirkung auf die Nieren entfalten. Auch Nierenerkrankungen, die sich in Form einer Fibrose zeigen, könnten über diesen Mechanismus verlangsamt oder sogar gestoppt werden. Neben Nierenerkrankungen spielt der TRPM7-Kanal noch bei weiteren Erkrankungen wie Herzarrhythmien, Epilepsie, sowie bei verschiedenen Krebsarten eine Schlüsselrolle. Auch hier könnte die hemmende Wirkung von CBGA zukünftig von Bedeutung sein.