Das Königreich Marokko im Nordwesten Afrikas ist schon seit Dekaden unter Cannabisliebhabern ein beliebtes Reiseziel. Im Rif-Gebirge stellen Bauern seit Jahrhunderten auf Basis von Hanfpflanzen schließlich das bekannte marokkanische Haschisch her, das sich unter idealer Produktion mit dem Namen Zero Zero einen ausgezeichneten Ruf weltweit verdiente.
Marokko gilt als einer der größten illegalen Exporteure für das natürliche Rauschmittel, welches fein gebröselt in so mancher Wasserpfeife oder manchem Joint nach dem Entzünden von Genießern tief inhaliert wird. Der ausgeschüttelte Pollen der Pflanzen enthält nach dem Herstellen schon seit vielen Jahren höhere Konzentrationen der berauschenden Wirkstoffe, die erst durch moderne Züchtungen in vergleichbarer Menge in den neueren Varietäten von Cannabispflanzen erreicht werden konnten. Nachdem lange Zeit die Hanfbauern Marokkos unter einer Verbotssituation ihrem Geschäft nachgegangen waren, wurde zumindest der medizinische Einsatz im Land 2021 durch einen Gesetzesbeschluss auf den Weg gebracht.
Da sich nun weltweit die Situation bezüglich des Umgangs mit dem einst verpönten Rauschmittel verändert, hofft man in Marokko seitens der Regierung in Rabat darauf, damit die marode wirtschaftliche Lage des Landes positiv beeinflussen zu können. Doch die Bauern, die mit ihrem bisherigen Geschäftsmodell bislang aufgrund loyaler Drogenbarone ihren Lebensunterhalt absichern konnten, bleiben skeptisch, dass sie von der Umstrukturierung profitieren werden.
50.000 Hektar von Reform betroffen
Erst im Juni 2017 wurden Massenproteste nach acht Monaten im Rif-Gebirge gewaltsam beendet, welches zuvor aufgrund seiner Abgeschiedenheit der Behörden lange Zeit egal erschien. Da es dort immer wieder zu Aufständen kommt, schob man seitens eines Berichtes des Wirtschafts-, Sozial- und Umweltrats von König Mohammed VI. diesen Umstand dem illegalen Drogenhandel zu, aufgrund dessen die Region wirtschaftlich unterentwickelt sei. Als Schluss zog man daraus, dass der Anbau zu pharmazeutischen Zwecken legalisiert gehöre und der illegalen Produktion ein Riegel vorgeschoben werden solle.
Die angestrebte Reform betrifft jetzt eine Fläche von 50.000 Hektar, auf der circa 70 Prozent der bisherigen Cannabismenge angepflanzt worden sind. Hunderttausende Menschen sollen derzeit auf diesem Gebiet einen Arbeitsplatz gefunden haben, so sagen es zumindest die offiziellen Daten. Mohamed El-Guerrouj, der Leiter der ins Leben gerufenen staatlichen Behörde zur Regulierung des legalen Cannabiskonsums, sieht in dem Vorhaben einzig positive Entwicklungen für das Land und die Beteiligten voraus. Händeringend würden laut Medienberichten Gelder für das marode Gesundheitswesen sowie die existierenden Sozialleistungen benötigt, weshalb die Regierungskoalition hier Chancen wittert.
Der Leiter der Behörde geht aber auch davon aus, dass eine Legalisierung des Cannabisanbaus den Landwirten bessere Einnahmen brächte und dazu die vorhandenen Wasserressourcen schützen könne. Ebenfalls würde die Region wegen der wirtschaftlichen Entwicklung einen Anschluss an das restliche Land erhalten und die bisherige Isolation ein Ende finden. Zwingen würde man die Bauern aber nicht zur Kooperation, so Mohamed El-Guerrouj auf Capital.de.
Gute Drogenbarone – schlechte Drogenbarone
Die Bauern im Rif sehen die Entwicklung mit Skepsis. In der Vergangenheit hatten sie wenige Unterstützungen von der Regierung erhalten und waren geschäftlich ihrer Kundschaft zu Dank verpflichtet, die sich im Gegenzug pflichtbewusst um sie kümmerte. Ein junger Cannabisbauer spricht davon, dass der jährlich die gesamte Ernte einkaufende Drogenbaron „der Eckpfeiler der Gemeinschaft“ wäre. Besonders in einer Zeit, als der Staat seine Verantwortung in der Region nicht erfüllte. Der junge Mann und weitere Landwirte gehen jedenfalls davon aus, dass die angestrebte Legalisierung ihrem Geschäft schaden werden, auch da sie stärkere Kontrollen erwarteten. Oft lägen Teile ihrer Plantage eher in der Wildnis als auf den geplanten Ebenen, die besser mit dem restlichen Land verbunden seien. Auch gibt es Befürchtungen, da nur selten Besitzurkunden über die derzeit bestellten Felder existierten.
Daher fragt man sich aufseiten der noch illegal produzierenden Hersteller unter anderem, wie viele Behörden an dem Prozess beteiligt sein werden. Anders sieht es Khalid Mouna, ein bekannter Wissenschaftler, der die marokkanische Cannabiswirtschaft analysiert. Er sieht klar den Drogenbaron im Vorteil, der auf die Ausbeutung der Bauen und seine Vorherrschaft setzen würde. Diese Situation führe zu einem starken individuellen Wettbewerb zwischen den Produzenten, so der Forscher. Deshalb habe man die Legalisierung „auf einer Logik der kollektiven Arbeit aufgebaut“, welche bislang nicht ein Teil des marokkanischen Cannabis „modus operandi“ gewesen sei. Die beteiligten Haschischproduzenten würden daher auch aus ihrer Komfortzone gestoßen.
Zukunft ungewiss
Selbst wenn es gelingen sollte, viele Bauern des Rif-Gebirges für den pharmazeutischen Anbau von Cannabis zu gewinnen, bleibt vieles noch unklar. Bislang gibt es noch keine Prognosen bezüglich der Höhe der möglichen Einnahmen. Man rechnet aber dennoch bereits damit, dass sich die Einnahmen nach der Umstellung bis zum Jahr 2028 um ein Drittel steigern könnten. Es wäre auch schwierig, die derzeit allein agierenden Produzenten zu einer Kooperation zu bewegen. Selbst wenn dies gelänge, könne nicht garantiert werden, dass Marokko es schafft, Weltmarktführer im Bereich der Haschischexporte zu werden, obwohl aktuell wohl 70 Prozent des Stoffes in Europa aus dem nordwestlich gelegenen Land in Afrika stamme.
Zu viele andere Länder – wie Thailand, Uruguay und Ruanda – könnten ebenfalls versuchen, den legalen Marktsektor richtig aufzumischen. Es herrsche Dynamik. Festgehalten werden müsste auch, dass gerade in den Pandemie-Jahren der Preis für Haschisch gesunken wäre, da ein Überangebot vorhanden gewesen sei. Doch die Preis erholen sich gerade wieder und steigen dazu. Getrocknete Pflanzen stiegen um ungefähr 50 Prozent und der Preis von Haschisch habe sich verdoppelt – aufgrund der stattfindenden Legalisierung weltweit. Fände dieser Fortschritt auch in Marokko statt, was zum Frühjahr erwartet wird, würden laut Adardak Charif, einem Aktivisten und Forscher, ungeahnte Möglichkeiten eröffnet. Doch in der jetzigen Form würde die Legalisierung von Cannabis die „chronischen sozialen und wirtschaftlichen Probleme nicht lösen“ können. Sicherlich auch deshalb prangert ein sich über die tatsächliche Behördenbeteiligung fragender Landwirt aus Issaguen im Vorfeld an, dass wohl jeder Drogenbaron ehrlicher und menschlicher als all jene Personen sei, die aktuell „mit falscher Menschlichkeit“ hausieren gingen.