Kolumbiens Cannabisindustrie ist attraktiv für ausländische Direktinvestitionen – bisher sollen bereits 288 Millionen US-Dollar in 18 Projekte geflossen sein. Seit das südamerikanische Land den Export von getrockneten Cannabisblüten legalisierte, herrscht Aufbruchsstimmung unter den ausländischen Geldgebern. Mit dieser Gesetzesänderung fiel eine der letzten Hürden für eine florierende Industrie.
Kolumbien bietet Standortvorteile für die industrielle Cannabisproduktion
Der regulatorische Rahmen bezüglich der Cannabisproduktion gilt im internationalen Vergleich als sehr ausgereift. Kolumbien fordert eine Überwachung der kompletten Produktion und will somit gewährleisten, dass die strengen Pestizid-Grenzwerte sowie generelle Qualitätsanforderungen, die insbesondere von der Pharma- und Kosmetikindustrie gefordert sind, eingehalten werden. Grundlage für alle wirtschaftlichen Aktivitäten sind dabei die vom Staat vergebenen Lizenzen für Anbau, Verarbeitung und Export.
Der größte Standortvorteil liefert jedoch Kolumbiens vorteilhafte geografische Lage: Der Äquator verläuft direkt durch das Land und liefert zwölf volle Sonnenstunden – und das 365 Tage im Jahr. Dies ermöglicht vier jährliche Ernten, was künstliche Belichtung optional werden lässt.
70 Prozent der kolumbianischen Cannabisindustrie in ausländischen Händen
Laut der kolumbianischen Vereinigung der Cannabisindustrie „Asocolcanna“ kommen die meisten Investitionen aus Kanada, dicht gefolgt von den USA und der Europäischen Union. „Asocolcanna“ kommen geht davon aus, dass inländische Cannabis-Firmen zu 70 Prozent in ausländischen Händen sind. Nur 30 Prozent wurden von kolumbianischen Investoren unterstützt. Zu den ausländischen Investoren gehören vor allem die Big Player der Industrie: Canopy Growth, eines der weltweit größten Unternehmen für Medizinalcannabis, übernahm bereits 2019 die kolumbianische Firma Spectrum.
Das Pharmaunternehmen Chemesis International übernahm dagegen La Finca Interactiva und sicherte sich damit staatliche Lizenzen für Verkauf, Herstellung und Verarbeitung, sowie die Erlaubnis zum Outdoor-Anbau auf 1060 Hektar Agrarfläche in der Nähe von Bogotá. Andere kolumbianische Firmen gingen bereits Partnerschaften mit ausländischen Investoren ein. So auch Santa Marta Golden Hemp, die 60 Prozent ihrer Anteile an die kanadische Firma Avicanna veräußerte, die damit faktisch die Lizenz zum Cannabisexport erlangte.
Kleinunternehmer und Bauern werden benachteiligt
Insbesondere kleine und mittlere Cannabisunternehmer kritisieren die staatlichen Regelungen, die faktisch vor allem Großinvestitionen anziehen, während sie kleinere, nationale Unternehmen stark benachteiligen.
So werden die oben bereits genannten Qualitätskontrollen zu einer unüberbrückbaren Hürde, da das erforderliche Laborequipment schlichtweg zu teuer ist, um von mittelständischen Betrieben erworben zu werden. Die Erzeugnisse dieser Betriebe können somit nicht legal verkauft werden.
Ebenso werden die Cannabisbauern, die ihr Produkt noch im traditionellen Anbau erzeugen, durch die staatlichen Regelungen ins Abseits gedrängt. Die einzigen Alternativen: die Aufgabe der eigenen Produktion, oder der Weg zurück in die Illegalität. Eine Gruppe von Parlamentariern aus verschiedenen Parteien, angeführt vom Senator Gustavo Bolívar, bieten eine Lösung für die genannte Problematik: die vollständige Legalisierung von Cannabis – auch für den hedonistischen bzw. rekreativen Gebrauch. Darüber hinaus soll ein bestimmter Prozentsatz der Anbaulizenzen an kleine und mittlere Betriebe vergeben werden, während die weiterverarbeitende Großindustrie zu einer Mindestabnahme verpflichtet wird.
Faire Gesetzgebung als notwendiges Kriterium für stabile Industrie
Neben den geografischen und regulatorischen Vorzügen, sind es vor allem die niedrigen Lohn- und Betriebskosten, die Investitionen durch ausländische Geldgeber attraktiv machen. Doch beruhen diese vor allem auf dem sehr schwachen kolumbianischen Arbeitsrecht, sowie dem de facto abwesenden Umweltschutz. Effektiv bedeutet dies, dass durch die ausländischen Investitionen zwar Arbeitsplätze geschaffen werden, diese jedoch sehr schlecht bezahlt sind und mit wenigen gesetzlichen Sicherungen einhergehen.
Zwar gilt Kolumbien als zweitgrößter Wachstumsmarkt in Südamerika, doch ist die Stabilität von demokratischen Institutionen nicht gewährleistet, was die niedrigen Positionen im „Fragile States Index“ und „Press Freedom Index“ deutlich illustrieren. Wenn ausländische Geldgeber auch nachhaltige politische Stabilität erwarten, müssen faire und ökologische Arbeits- und Produktionsbedingungen in den staatlichen Verordnungen eine stärkere Rolle einnehmen.
Faire Regelungen kommen somit nicht nur den Beschäftigten und den mittelständischen Betrieben zugute, sondern dämmen auch den illegalen Drogenhandel und Korruption ein und fördern damit indirekt die demokratischen Strukturen des Landes.