Der folgende Artikel soll eine Momentaufnahme der derzeitigen Situation innerhalb der Hanfbranche zeichnen, aus der Schlüsse zu voraussichtlichen Entwicklungen gezogen werden. Eine kurze Erklärung zu meiner Laufbahn in der Hanfbranche soll dazu dienen, meine Gedanken besser nachzuvollziehen. Unter dem Begriff Hanfbranche verstehe ich die Summe aller Stakeholder, welche mit Rohstoffen aus der Hanfpflanze wirtschaftlich oder wissenschaftlich tätig sind.
Als ich 2014 im Rahmen meines Studiums der Neurowissenschaften begann, die Wirkung von Phytocannabinoiden, mitunter auch Cannabidiol (CBD), an Rezeptoren des zentralen Nervensystems zu untersuchen, wurden unter anderem Ergebnisse diverser Selbststudien zu CBD und Epilepsie publik. Besonders hervorgehoben wurde die Geschichte von Charlotte Figi und der Erfolge mit dem Cannabis Strain Charlottes Web bei ihrer kindlichen Epilepsie. Ausgehend aus den USA wurden Cannabis Sorten mit erhöhtem CBD sowie CBD-haltige Extrakte als Nahrungsergänzungsmittel vermarktet. Dieser Trend hat auch sehr schnell Europa erreicht, was mich dazu bewog die Firma cannhelp zu Gründen, die seither als europäischer Pionier in der CBD-Branche agiert und sich auf die Entwicklung hochwertiger und leistbarer CBD-Produkte spezialisiert hat.
Seit dieser Zeit habe ich sowohl die Entwicklungen in der pharmazeutischen Industrie in Bezug auf Cannabinoide als auch die Hanfbranche mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Ich möchte als Einleitung eine kurze Zusammenfassung der Geschichte der Hanfbranche und Cannabis in der Medizin geben, da ich glaube, dass viele Menschen erst seit dem CBD Hype Nähe zu dem Thema fanden.
Die Hanfbranche hat in Mitteleuropa eine lange Tradition. Vor allem die starken Fasern dienten lange Zeit als wichtiger Rohstoff für die Schifffahrt sowie in anderen Industrien und Berufen. Zudem wurden die Samen sowohl als Nahrungs- und Futtermittel als auch zur Herstellung von Hanfsamenöl genutzt. Das Öl wurde neben dem Einsatz in Leuchtmitteln und als Brennstoff auch konsumiert. Die Verwendung von Hanf wurde im letzten Jahrhundert durch diverse Einschnitte auf rechtlicher Ebene weitgehend und weltweit verhindert.
Aufgrund des UN-Einheitsabkommen zu Betäubungsmittel von 1973, welches die Pflanzengattung Cannabis sativa beinhaltet, kam es zu einer Vereinheitlichung unterschiedlicher Pflanzengattungen mit unterschiedlichen Eigenschaften. Erst seit den 90er-Jahren konnten europäische Bauern wieder legal Hanf pflanzen und weiterverarbeiten, da die Europäische Kommission Ausnahmen für Nutzhanf mit einem geringen THC (Δ9-Tetrahydrocannabinol) Anteil schuf, die bis heute in dieser Form existieren. Die weltweit unterschiedlichen Ansichten und Gesetze haben weitreichende Auswirkungen auf die Entwicklungsstadien der weltweiten Hanfbranche.
Neben dem Einsatz von Hanf als Faser und Nahrungsmittel, welcher langsam wieder Fahrt aufnimmt, gibt es auch den Einsatz von Cannabinoiden in der Medizin. Auch dieser Sektor wurde durch die Prohibition schwer getroffen und in den meisten Staaten vollständig zerstört. Tinkturen und Extrakte aus Cannabis sativa waren die klassischen Arten der Verwendung von Cannabis in der Medizin. Das Rauchen von Cannabisblüten war aus medizinischer Sicht selten indiziert, wurde jedoch praktiziert. Zudem ist festzustellen, dass Cannabissorten in dieser Zeit einen geringeren Anteil an THC aufwiesen, als sie es heute durch gezielte Züchtungen tun.
Vorausschickend ist zu sagen, dass die Entwicklung von Arzneimitteln einen sehr langen Atem braucht, der nicht nur finanziell durchgehalten werden muss, sondern auf eine gesicherte Datenlage durch Langzeitstudien und Stabilitätstests gestützt wird. In der Forschung dienen Pflanzenstoffe oft als Ausgangspunkt für deren Untersuchung, jedoch ergeben diese selten das gewünschte medizinische Endprodukt. Dies liegt vor allem an den Zulassungsverfahren, welche finanziell sehr anspruchsvoll sind, da sich die Daten für die Zulassung auf die Ergebnisse einer Reihe kostenintensiver klinischer Studien stützen müssen. Da Pflanzenstoffe nur selten einen Patentschutz erhalten, werden die Patente in Kombination mit einer Indikation eingebracht. Die Investitionen für die klinischen Studien bergen ein großes finanzielles Risiko und sind mitunter dafür verantwortlich, dass die Entwicklung synthetischer Arzneimittel forciert werden.
Es führt auch dazu, dass pharmazeutische Unternehmen, hauptsächlich jene, die mit synthetischen Substanzen arbeiten, versuchen, Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen, um die derzeitige Grauzone zu beenden. In der Grauzone haben sich Märkte entwickelt, welche natürliche Hanfextrakte zu medizinischen Zwecken verwenden wollen, aber nicht über die notwendigen Ressourcen verfügen oder Rahmenbedingungen nicht vorfinden.
Seit dem 1975 eingeführtem synthetischen THC unter dem Namen Nabilone gab es einige Versuche, synthetische Cannabinoide zu entwickeln und diese medizinisch einzusetzen. Diese Versuche scheiterten aber, wie man unter anderem an dem gegen Gewichtszunahme indizierten Rimonabant (Firma Sanofi) sehen konnte. Rimonabant musste nach der Einführung wegen schwerer Nebenwirkungen wieder vom Markt genommen werden. Nach vielen Rückschlägen bei der Entwicklung synthetischer Cannabinoide, die ihren Höhepunkt erreichte, als ein Teilnehmer der von der Firma Bial organisierten Studie nach einer wiederholten Dosis eines synthetischen FAAH-Inhibitors (BIA 10-2474) in Frankreich an einer Gehirnentzündung verstarb, vermeiden viele Akteure weitere Aktivitäten auf diesem Gebiet.
Eine große Herausforderung bei der Arbeit mit natürlichen Extrakten ist die Standardisierbarkeit sowie die Stabilität der Produkte. Gerade im Zulassungsprozedere kommt es hier zu viel Gegenwind der Behörden. Trotz allem war es möglich, natürliche Hanfextrakte erfolgreich zuzulassen. Die Firma Bionorica konnte 1998 mithilfe der AGES (Österreichische Agentur für Ernährungssicherheit) als Zulieferer und dem Fertigungspartner THC Pharm, Dronabinol (natürliches THC) aus Cannabisblüten halbsynthetisch herstellen. Dieses kann auf Rezept direkt von Apotheken als magistrale Zubereitung zu Ölen, Kapseln, Zäpfchen, Sprays oder Cremes verarbeitet werden.
Die AGES konnte in Österreich eine eigene Gesetzesausnahme zur Herstellung von THC haltigen Blüten (>0,3 %) erwirken und hat dadurch das Monopol. Dieser Monopolstatus des Staates ist weltweit repräsentativ für das sogenannte Cannabis-Dilemma. Eine weitere Firma ist GW Pharmaceuticals, die 2011 mit Sativex das Erste natürliche Fertigarzneimittel auf Cannabisbasis (THC & CBD) auf den Markt brachte. Sativex ist gegen Spastiken bei Multipler Sklerose indiziert und wird auch bei chronischen Schmerzen erfolgreich verwendet.
Um den Kreis zu Charlotte Figi zu schließen, gilt es hier die Markteinführung von Epidiolex zu erwähnen. Dies ist ein weiteres Fertigarzneimittel von GW Pharmaceuticals, welches ausschließlich auf Cannabidiol basiert. Es ist somit das erste zugelassene Medikament (2019) mit dem Wirkstoff Cannabidiol, welches bereits erfolgreich beim Dravet-Syndrom und Lennox-Gastaut-Syndrom (kindliche Formen der Epilepsie) angewendet wird. Zudem gibt es auch Hersteller von natürlichen Cannabidiol Reinsubstanzen wie Trigal Pharma aus Österreich, die Apotheken und klinische Studien mit API (Active Pharmaceutical Ingredients) beliefern und auch klinische Studien forcieren.
Neben den Herstellern von natürlichen Cannabidiol Reinsubstanzen wird Cannabidiol auch synthetisch hergestellt. Hier entsteht ein weiterer Reibungspunkt, bei der beide Parteien versuchen, Einfluss auf zukünftige Gesetze zu nehmen. Es gibt hier also einen klaren Interessenkonflikt zwischen der Verwendung von Cannabisblüten sowie von Cannabinoid-haltigen Arzneimitteln als auch der Verwendung natürlicher und synthetischer Rohstoffe in medizinischer Qualität.
Zudem kommt es in unregulierten Bereichen sogenannter rechtlicher Grauzonen zur Vermarktung von natürlichen Hanfextrakten mit geringem THC-Gehalt, aber hohem CBD-Gehalt. Diese Produkte sind sehr schnelllebig und dieser Bereich der Hanfbranche ist in den letzten Jahren sehr stark gewachsen. Der wirtschaftliche Stellenwert dieses Sektors ist ernstzunehmen und wird sich auch auf die zukünftige rechtliche Situation auswirken. Einige dieser Produkte werden als Nahrungsergänzungsmittel vermarktet. Die EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) hat hier zu entscheiden, ob diese Produkte dem sogenannten Novel Food unterliegen und diese eine europäische Zulassung vor dem Markteintritt benötigen. Wieder kommt es hier zu Interessenkollisionen unterschiedlicher Sektoren.
Hersteller natürlicher Extrakte und die chemische Industrie versuchen, die ausstehenden Entscheidungen zu beeinflussen. Nahrungsergänzungsmittel sind an “Health Claims” gebunden. Hier stellt sich die Frage, ob es “Claims” für CBD-haltige Extrakte geben wird, welche nicht mit den bisher zugelassenen Präparaten, die für bestimmte Indikationen beschrieben wurden, kollidieren. Je länger die EFSA diesen Graubereich bestehen lässt, umso größer wird einerseits der Sektor der natürlichen Hanfextrakte im Graubereich und andererseits wird die Anzahl medizinischer Indikationen steigen und somit eine Entscheidung noch schwieriger. Die britische FSA (Food Standards Agency) hat hierzu bekundet, nicht vom bisherigen Kurs abzuweichen und Novel Food Zulassungen weiterhin zu ermöglichen. Dies könnte den Druck auf die EU-Kommission erhöhen, auch weiterhin Novel Food Zulassungen zu ermöglichen.
Neben den Extrakten gibt es auch noch die Blütenhersteller, welche man derzeit je nach Standort in mehrere Sektoren teilen kann. Die Produzenten CBD-haltiger Blüten, welche unter Rahmenbedingungen für Nutzhanf agieren, sowie den Produzenten von THC/CBD haltigen Blüten, die entweder im Rahmen des Freizeitgebrauchs oder dem medizinischen Bereich agieren. Dazu gibt es noch den Schwarzmarkt. Dieser ist sehr groß, denn Cannabis gilt als die gebräuchlichste Freizeitdroge weltweit. Man kann mehrere Dinge erkennen. Konzerne der Tabakindustrie und der Alkoholindustrie investieren gezielt in diese Märkte, um im Falle einer Legalisierung von Cannabis zum Freizeitgebrauch einen Marktanteil zu halten.
Der Pharmagroßhandel sichert sich Quellen für neue Märkte mit medizinischen Blüten. Als Kalifornien medizinisches Cannabis forcierte, begann ein wetteifern um die Legalisierung von Cannabis unter dem Vorwand, es zum medizinischen Zweck freizugeben. Viele Staaten weltweit haben nun Programme aufgebaut, um Cannabisblüten medizinisch einzusetzen. Zeitgleich haben aber Staaten begonnen, Cannabis für den Freizeitgebrauch freizugeben, nachdem bereits ein medizinisches Programm als Vorläufer diente. Diese Ungleichmäßigkeit hat zu einer regelrechten Investitionswelle geführt, aus welchem Großkonzerne entstanden, die versuchen, weltweite Standortsicherheiten für Cannabisproduktionen über Lizenzen zu erwirken. Staaten, insbesondere Deutschland haben ein auf 5 Jahre befristetes medizinisches Cannabisprogramm initiiert, um die Wirkungen von Cannabisblüten durch das BfArM (Deutsches Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) zu evaluieren.
Allerdings wird die Versorgung über Ausschreibungen aus dem Ausland abgewickelt. Dies war mitunter ein Mitgrund für eine maßlose Überproduktion kanadischer Cannabiskonzerne mit weitreichenden Folgen. Neben den wirtschaftlichen Schäden, die sich an so manchem Börsenkurs sowie Quartalsberichten erkennen lässt, gibt es auch weniger offensichtliche Probleme. Der Schwarzmarkt profitiert zum Teil durch legale Blütenüberproduktion und es kommt zu einem Preiskampf, den die legale Blütenproduktion in ihrer bisherigen Form nicht gewinnen kann, da legale Cannabisblüten in den Schwarzmarkt fließen.
Die Stakeholder der Hanfbranche sind ebenfalls daran interessiert, die Unterwerfung der Hanfpflanze zum Suchtmittel auf UN Ebene zu beenden und die Klassifizierung von Cannabis sativa international neu zu gestalten. Diese Entscheidungen wurden bisher verzögert, sind aber für den kommenden Winter geplant. Es ist abzusehen, dass es zu weiteren Verzögerungen kommen wird. Folgende Szenarien sind daraus abzuleiten.
Die Pharmabranche setzt vermehrt auf natürliche Cannabisprodukte, aber hauptsächlich auf Extrakte. Da der Produktlebenszyklus von Arzneimitteln bereits vor Markteintritt sehr lange dauert, passiert hier viel hinter verschlossenen Türen. Die Auswirkungen von weiteren medizinischen Produkten am Markt wird die Faktenlage zugunsten von Cannabis als Medizin unterstützen und dabei helfen, weltweit den Zugang zu Cannabis basierter Medizin zu ermöglichen.
Je länger die Hanfbranche in einer Grauzone wächst, umso größer wird der wirtschaftliche Druck auf politische Entscheidungsträger zugunsten der Hanfbranche. Innerhalb der Hanfbranche kommt es zu einem Wettbewerb um Kundenzufriedenheit, Qualität und Innovation. Cannabinoidhaltige Extrakte werden weiterhin und immer breiter ihren Einsatz in Konsumgütern finden. Die Abgrenzung zu Arzneimitteln wird nicht über die Dosis bestimmt werden, sondern über die Qualität der Zubereitung und der Glaubhaftmachung der Wirkung (Heilsversprechen). Diese ist aus rechtlicher Sicht ausschließlich dem pharmazeutischen Markt vorbehalten und dieser hat somit aus Kundensicht den klaren Vorteil. Die Schnittmenge aus Kunden und Patienten wird kleiner.
Der Freizeitgebrauch von Cannabis wird langfristig legal, jedoch in Kategorien wie Konsumgüter, Kosmetik und Rauchwaren geregelt werden. Es kommt zur Bildung von Konzernen, die sich aus strategischen Gründen möglichst breit aufstellen. Sprich sowohl in der Pharmabranche und Medizintechnik Entwicklungen initiieren und den freien Markt von CPG (Consumer Packaged Goods) bespielen. Der Schwarzmarkt wird solange bestehen, bis das Gleichgewicht in Bezug auf den Preis zugunsten des legalen Marktes kippen wird.