Die Fachtagung „Verantwortungsvolle Regulierung von Cannabis auf kommunaler Ebene“ in Münster vom 13.12.2016 prägt den bereits bestehenden Eindruck noch intensiver. Das geschätzte Durchschnittsalter im Saal liegt möglicherweise bei 50 Jahren. Einer der Gäste kam sogar altersbedingt mit Krücken in den Saal. Es handelt sich nicht lediglich um ein aufgeschlossenes Publikum. Selbst die Gegner der Cannabislegalisierung wie Münsters Polizeipräsident Kuhlisch lehnen sich nicht mehr weit aus dem Fenster.
Eigene Eindrücke von der Cannabis-Fachtagung in Münster
Die jüngeren wollen in der Öffentlichkeit mit diesem Thema nicht immer etwas zu tun haben. So wichtig ist denen das nicht, das ist denen zu trocken oder zu doof. Selbst die interessierten und aufgeschlossenen haben keine Zeit, keine Lust oder kein Geld, um sich aktiv einzubringen. Es gibt natürlich auch die jüngeren Aktiven und Interessierten.
Ein Großteil der interessierten Personen ist jedoch jenseits der 40 oder schon im Seniorenalter. Diese Personengruppe kann schon auf das eigene Leben und auf andere Personen zurückblicken. Diese Gruppe kann damit besser überschauen, dass das Verbot seine Ziele nicht erreicht.
Argumentativ sind die meisten oder sogar alle Verbotsargumente unwissenschaftlich, mit empirischen Erhebungen nicht belegbar und zielen auf emotionale Meinungsmache ab. Tritt z. B. ein Problem auf und gleichzeitig wird mehr Cannabis konsumiert, liegt die Erklärung augenscheinlich auf der Hand: „Das böse Kiffen ist an allem Schuld.“ Diese Erklärung ist jedoch unwissenschaftlich und emotional. Das eine muss mit dem anderen nicht etwas zu tun haben. Zudem müsste das eine nicht die Ursache vom anderen sein, es könnte auch die Folge darstellen. Wer Cannabismedizin benötigt oder die Genießer und Patienten im nahen Umfeld kennt, hat deswegen schnell ein ganz anderes Bild zur Materie, als es von Politik und vielen Medien vorgegeben wird.
Noch immer die gleichen Argumente
Argumentativ sagen viele Aktivisten vermutlich immer noch dieselben „Sprüchlein“ wie vor 40 Jahren auf. Aber heute wissen es auch immer mehr der normalen Bürger, die vielleicht schon die Hippiezeiten „überlebten“. Diese älteren Menschen wären damit vielleicht sogar die große Hoffnung für die baldige Legalisierung. Die jüngeren müssen immerhin erst mal Karriere und Party machen oder können mit ihrem Lasterleben unmöglich mit solchen Themen in die Öffentlichkeit. Unser Polizeipräsident Kuhlisch würde mit ein paar dahergekommenen trotteligen Halbwüchsigen kaum auf Augenhöhe über die Cannabislegalisierung diskutieren wollen. Aber auch für die älteren Generationen scheint er sich schon einmal die Ohren zugestopft zu haben.
Unser neuer Polizeipräsident Kuhlisch
Auch wenn den Referenten oder Diskussionsteilnehmern aus Zeitmangel nur wenige Fragen gestellt werden konnten, musste unser neuer Polizeipräsident Kuhlisch sich einige Antworten aus den Fingern saugen. Er ist vielleicht nicht einer der „Hardliner, Überzeugungstäter“, wie es sie gerade in Polizeikreisen gibt. Für diese Kreise ist er jedoch sehr systemkonform und vertritt in der Cannabisangelegenheit den vorgegebenen Kurs.
Zum einen erklärt er, dass eine Legalisierung nicht alle Probleme lösen würde und eine Signalwirkung zum Konsum wäre. Mit Gesetzen sagt man immerhin aus, was erwünscht und was unerwünscht ist. Die persönliche Freiheit der Bürger in ihren privaten Belangen ist demnach unerwünscht?
In der Frage an Herrn Kuhlisch wurde erst einmal erklärt, dass wir grundverschiedene Substanzen haben. Hier gäbe es z. B. den Alkohol, den Tabak, den Kaffee und alle werden unterschiedlich reguliert. Wenn wir viele andere Drogensubstanzen haben, wäre es richtig, nicht alle gleichzubehandeln und es spricht demnach auch nichts dagegen, beim Cannabis mit der Regulierung zu beginnen.
Hier hätte man noch fragen können, ob denn der Konsum von Alkohol erwünscht ist. Ob mit der legalen Verfügbarkeit zum Konsum von Alkohol aufgefordert wird? Für deutsche Polizeipräsidenten ist das vermutlich schon ein großer Gedankenschritt, wenn die Referenten in der Vorrunde bereits erklären, dass die legalen Genussmittel, viele Medikamente und eben die Drogen allesamt in die gleiche Schublade gehören. Mit gezielten Fragen kann vielleicht die Widersprüchlichkeit der Aussagen solcher Personen für diese nachvollziehbar werden?
Das Verbot erreicht seine Ziele nicht
Die eigentliche Frage an unseren Polizeipräsidenten Kuhlisch war jedoch, warum man etwas verbietet, was sich nicht verbieten lässt.
„Wie will man denn etwas verbieten, was sich nicht verbieten lässt? Es ist legal, es ist illegal, es wird gemacht. Womit rechtfertigt sich denn jetzt das Verbot, dass es positiver wirkt, als es auf legalem Wege zu regulieren?“
Ob legal oder illegal, es wird konsumiert und damit erreicht das Verbot keine positiven Ziele. Dabei hätte man weiter ausführen können, dass durch das Verbot jedoch beträchtlicher Schaden für die Betroffenen, deren Angehörigen und die ganze Gesellschaft verursacht wird. Die Antwort von Polizeipräsident Kuhlisch ist, wie zu erwarten, ohne Aussage: „Das ist natürlich das Problem bei jedem Verbot. Es gibt ganz viele Verbote, die von einer Reihe von Menschen nicht eingehalten werden. Deshalb verzichten wir aber nicht darauf.“
Leider fehlte in der Podiumsdiskussion die Zeit für die Frage, die ich Herrn Kuhlisch beim dann sogar fluchtartigem Verlassen der Veranstaltung stellen konnte: „Sie haben meine Frage gar nicht verstanden. Bei Mord wirkt das Verbot. Bei Cannabis nicht. Warum wird Cannabis dann verboten.“ „Das stimmt so schon mal nicht. Immerhin hält sich nicht jeder daran, nicht zu morden. Meist wird im Affekt gemordet.“ „Aber was ist dann mit geplantem Mord?“ Und schon war er zur Türe hinaus.
Überzeugungsarbeit?
Ein Modellprojekt zur Entkriminalisierung von Mord, um Herrn Kuhlisch zu beweisen, dass dieses Verbot der Fremdschädigung seine Wirkung hat, wäre vermutlich im Genehmigungsverfahren aussichtslos. Dass das Verbot von Mord nicht wirkt und man damit auch nicht Cannabis legalisieren braucht, ist als abgeleitete These gewagt.
Aber wieder zur Kernfrage: „Warum etwas verbieten, was sich nicht verbieten lässt?“ Diese Frage möchte dabei aussagen, dass das Verbot einfach nicht unterbindet, dass viele Personen Cannabis konsumieren. Es konsumieren ca. genau so viele Menschen Cannabis, wie bei einer intelligenten Regulierung und legalen Abgabe.
Es zeigt sich bereits aus vielen langen bekannten Erhebungen und aus den Regionen, in denen Cannabis schon legalisiert wurde, dass mit weniger Repression nicht automatisch mehr oder in früheren Jahren konsumiert wird. Mit einem regulierten Markt kann der Jugendschutz sogar besser funktionieren. Auch hier erklärte Polizeipräsident Kuhlisch in der Diskussion, dass trotz legalem Zugang zu Alkohol dieser Jugendschutz eben nicht funktioniert und man deswegen auch nicht Cannabis legalisieren darf. Sollte nicht einfach Alkohol intelligenter reguliert werden, um zugleich auch Cannabis intelligent zu regulieren?
Und was ist jetzt mit dem Morden?
Ganz sicher werden weniger Menschen umgebracht, da Mord verboten ist. Das sollten wir sogar ohne Modellprojekt in der heutigen Welt annehmen dürfen. Natürlich werden noch immer Menschen umgebracht. Es sind jedoch bedeutend weniger, als wäre Mord nicht verboten.
Mit dem Cannabisverbot sind es jedoch nicht bedeutend weniger Konsumenten. Diese konsumieren zudem schädlicher, geraten eher mit anderen Drogen in Berührung, sind für Sozialarbeiter nicht mehr erreichbar und stürzen erst recht ab, wenn sie einen problematischen Konsum aufbauen. Das Verbot gegen Mord schadet der Gesellschaft nicht, das Verbot von Cannabis jedoch schon. Wie lässt sich dieses letztere Verbot rechtfertigen?
Die entscheidende Frage an unsere Verfolgungsorgane
Wurde die entscheidende Frage an unseren frischen Polizeipräsident Kuhlisch vielleicht gar nicht gestellt? Mit welchem Recht verbietet dieser Staat den Menschen in ihrem Privatleben die freie Selbstentfaltung? Zu dieser gehört immerhin auch der Substanzkonsum, wobei nicht alle die gleichen Substanzen konsumieren wollen. Mit welchem Recht werden in diesem Land Menschen mit Strafandrohung und Strafvollstreckung bevormundet, die keine Fremdgefährdung darstellen? Mit keinem.
Dieses Verbotssystem ist kriminell, nicht der Konsument oder sein Dealer. Die Konsumenten haben immerhin das Recht auf ihre freie Selbstentfaltung. Dealer würde es mit einem regulierten Markt gar nicht geben, sie sind nur Dienstleister und im eigentlichen Sinne nicht automatisch kriminell. Diese und andere können im Übrigen im regulierten Markt weiterhin bestraft werden, wenn sie sich nicht an die Spielregeln wie dem Jugendschutz halten. Eben wegen der damit möglich werdenden gezielten Ahndung kann ein Jugendschutz viel besser funktionieren. Das würde auch bei Alkohol und Tabak gehen.
Bei einem nicht lösbarem „Problem“ ist es doch völlig unlogisch und realitätsfremd, es lösen zu wollen. Man könnte schon an der geistigen Zurechnungsfähigkeit aller zweifeln, die es doch versuchen. Ein nicht lösbares Problem kann nur gemindert werden. Wer die besseren Konzepte aufstellt und gewissenhaft verfolgt, kann das unlösbare Problem effektiver mindern. Dass man das Problem mit diesem intelligenteren Konzept nicht lösen kann, kann unmöglich gegen die immerhin intelligentere Vorgehensweise sprechen. Diese argumentative Strategie derer, mit denen man nicht oder kaum noch reden kann, ist absolut untragbar und für viele leider irreführend.
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Cannabis Fachtagung in Münster
Verantwortungsvolle Regulierung auf kommunaler Ebene
Polizeipräsident Kuhlisch gegen Cannabis Modellprojekt