Die vierte Ausgabe der bedeutendsten internationalen Konferenz für medizinisches Cannabis fand am 09. und 10. September wie im Jahr zuvor in Tel Avivs Expo statt, dort wo dieses Jahr auch der Eurovision Song Contest ausgetragen wurde. Rund 1000 Besucher aus über 40 Ländern strömten in die Messehallen, um sich von führenden Wissenschaftlern und Cannabis-Unternehmen über die neuesten Entwicklungen und Innovationen im Bereich Wissenschaft, Landwirtschaft und Business zu informieren.
Neueste Entwicklungen in Forschung, Technologie und Wirtschaft
Neben Raphael Mechoulam, dem Vater des medizinischen Cannabis, und vieler weiterer Wissenschaftler nahmen unter anderem auch Vertreter der in dem Bereich führenden Unternehmen wie Aurora Cannabis oder Tilray, sowie Mitglieder der israelischen Regierung teil. Dass die CannX ein weiteres Mal in Israel stattfand, ist dabei kein Zufall. In Land mit der höchsten Rate an Cannabis-Patienten wird schon seit Jahrzehnten in diesem Bereich geforscht.
Die Eröffnung durch Uri Ariel, dem Minister für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, zeigte das nationale Interesse auch weiterhin diese Führungsposition halten zu wollen. Sein Ministerium arbeitet momentan auf drei Ebenen mit Cannabis. In Israels Genbank wird derzeit eine Datenbank mit Cannabissamen für den medizinischen Gebrauch aufgebaut. Am Vulcanic Institute wird zur Verbesserung des Anbaus und der Verwendung von Cannabis geforscht und darüber hinaus wird die Ausbildung und Beratung für Landwirte vorangetrieben.
Potenzial auf vielen Ebenen
Das Wissen über das therapeutische Potenzial von Cannabisprodukten wurde in den letzten Jahren durch eine Vielzahl von klinischen Studien und intensiver Forschung stark verbessert. So berichtete Raphael Mechoulam, dass Cannabis bei fast allen menschlichen Krankheiten therapeutisch eingesetzt werden kann. Seine Zusammenfassung über den Stand der Forschung zum Cannabinoid System umfasst folgende Punkte:
- Die endogenen Cannabinoide (Endocannabinoide) sind an einer Vielzahl von physiologischen Prozessen beteiligt. THC – ein pflanzliches Cannabinoid – ahmt diese Handlungen nach.
- CBD-Derivate können zu einem breiten Spektrum neuer Medikamente führen.
- Endocannabinoid-ähnliche, vom menschlichen Körper produzierte Verbindungen, können zu einem besseren Verständnis biologischer Prozesse, sowie zu neuen Medikamenten führen.
- CB2-spezifische, ebenfalls im Menschen produzierte Verbindungen, können zu einem breiten Spektrum neuer Medikamente führen. Es wird vermutet, dass diese Teile eines allgemeinen Schutzsystems sind, welches bestimmte Krankheiten und Schäden am Körper verhindert.
Dabei wies er mehrmals darauf hin, dass es bedauerlicherweise immer noch zu lange dauert, bis bedürftige Patienten von diesen Erkenntnissen profitieren können. Außerdem ist der Export von israelischem Cannabis trotz Gesetzesvorstößen nach wie vor nicht möglich, wodurch Israel Einbußen im Rennen um die Führungsposition im medizinischen Cannabis hinnehmen muss.
Cannabis statt Sucht?
Ein Thema steht vor allem im Forschungsfokus: Die Anwendung von Cannabis in der Suchttherapie. Herr Mechoulam berichtete, dass Oleoylglycin, eine Cannabinoidverbindung, Entzugserscheinungen von Nikotin und Opioiden, sowie die Ausbildungseffekte von Nikotinsucht blockiert. Und auch Philippe Lucas, der Vizepräsident für Patientenforschung bei Tilray, wies darauf hin, dass Cannabis eine wichtige Rolle bei der Verringerung der Auswirkungen von Opioiden, Benzodiazepinen und anderen Substanzen auf die persönliche und öffentliche Gesundheit und Sicherheit spielen kann.
Andere Schlussfolgerungen der vorgestellten aktuellen Patientenstudie in Kanada sind, dass medizinisches Cannabis in erster Linie zur Behandlung von chronischen Schmerzen und psychischer Gesundheit verwendet wird. Außerdem ist ein Übergang von der Inhalation von THC zur oralen Einnahme von hochdosiertem CBD zu erkennen, was auf das hohe Durchschnittsalter der Patienten von 51 Jahren zurückzuführen sei. Des Weiteren ersetzen Patienten häufig Opioide und andere Arzneimittel mit Cannabis, was oft zu einer vollständigen Abstinenz und damit verbundenen Verbesserungen ihrer Lebensqualität führe.
Ein bedeutungsvoller Hinweis kommt diesbezüglich vom Buchautor David Casarett: „Die Cannabisindustrie hat die Verpflichtung und die Möglichkeit, die Fehler der Opioidindustrie vor 20 Jahren zu vermeiden.“ Im persönlichen Umfeld selbst von der Opioidkrise betroffen, betonte er in seinem Vortrag, dass die Cannabisindustrie trotz aller positiven Entwicklungen und vielseitigen Potenziale stets am Boden der Tatsachen bleiben und zunächst lieber die nicht negativen Eigenschaften belegen sollte, um mögliche gravierende Wiederholungsfehler zu vermeiden.
Save the date for Lisbon
Ferner gab es noch unzählige andere spannende Vorträge, Diskussionsrunden und Präsentationen, die der Besucher leider nicht alle mitverfolgen konnte, da die Veranstaltungen zumeist dreisträngig abgehalten wurden. Dafür können jedoch unter diesem Link [1] alle auf der CannX 2019 veröffentlichen Abstracts angesehen werden. Besonders attraktiv waren ebenfalls die über der eigenen Smartphone-App organisierten Live Abstimmungen. Im Vortrag von Yossi Bornstein, dem Gründer und CEO der Shizim Group, Israels führenden biomedizinischen Dienstleistungs- und Beteiligungskonzern, fragte dieser das Publikum, wie lange es dauern würde, bis Cannabis auch für den Freizeitmarkt legalisiert wird: 25 % sagten niemals, 50 % 1–2 Jahre und weitere 25 % legten sich auf 3–5 Jahre fest. Außerdem stimmten 35 % der Aussage zu, dass der Freizeitmarkt eine negative Auswirkung auf den medizinischen Markt haben wird.
Insgesamt war die CannX 2019 rundum ein großer Erfolg, der primär beleuchtet, wie rasant derzeit die Entwicklungen in dieser extrem spannenden Branche sind. Dass dabei auch Europa zunehmend in den Fokus rückt, zeigt Ort und Termin der nächsten Ausgabe. Bereits in einem halben Jahr, am 12./13. Februar, wird die CannX 2020 in Lissabon stattfinden. Einige weitere Impressionen der CannX 2019 in Tel Aviv können in der nachfolgenden Galerie betrachtet werden.
Quellen und weiterführende Links
[1] telaviv.cannx.orgDie vierte Ausgabe der bedeutendsten internationalen Konferenz für medizinisches Cannabis fand am 09. und 10. September wie im Jahr zuvor in Tel Avivs Expo statt, dort wo dieses Jahr auch der Eurovision Song Contest ausgetragen wurde. Rund 1000 Besucher aus über 40 Ländern strömten in die Messehallen, um sich von führenden Wissenschaftlern und Cannabis-Unternehmen über die neuesten Entwicklungen und Innovationen im Bereich Wissenschaft, Landwirtschaft und Business zu informieren.
Neueste Entwicklungen in Forschung, Technologie und Wirtschaft
Neben Raphael Mechoulam, dem Vater des medizinischen Cannabis, und vieler weiterer Wissenschaftler nahmen unter anderem auch Vertreter der in dem Bereich führenden Unternehmen wie Aurora Cannabis oder Tilray, sowie Mitglieder der israelischen Regierung teil. Dass die CannX ein weiteres Mal in Israel stattfand, ist dabei kein Zufall. In Land mit der höchsten Rate an Cannabis-Patienten wird schon seit Jahrzehnten in diesem Bereich geforscht.
Die Eröffnung durch Uri Ariel, dem Minister für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, zeigte das nationale Interesse auch weiterhin diese Führungsposition halten zu wollen. Sein Ministerium arbeitet momentan auf drei Ebenen mit Cannabis. In Israels Genbank wird derzeit eine Datenbank mit Cannabissamen für den medizinischen Gebrauch aufgebaut. Am Vulcanic Institute wird zur Verbesserung des Anbaus und der Verwendung von Cannabis geforscht und darüber hinaus wird die Ausbildung und Beratung für Landwirte vorangetrieben.
Potenzial auf vielen Ebenen
Das Wissen über das therapeutische Potenzial von Cannabisprodukten wurde in den letzten Jahren durch eine Vielzahl von klinischen Studien und intensiver Forschung stark verbessert. So berichtete Raphael Mechoulam, dass Cannabis bei fast allen menschlichen Krankheiten therapeutisch eingesetzt werden kann. Seine Zusammenfassung über den Stand der Forschung zum Cannabinoid System umfasst folgende Punkte:
- Die endogenen Cannabinoide (Endocannabinoide) sind an einer Vielzahl von physiologischen Prozessen beteiligt. THC – ein pflanzliches Cannabinoid – ahmt diese Handlungen nach.
- CBD-Derivate können zu einem breiten Spektrum neuer Medikamente führen.
- Endocannabinoid-ähnliche, vom menschlichen Körper produzierte Verbindungen, können zu einem besseren Verständnis biologischer Prozesse, sowie zu neuen Medikamenten führen.
- CB2-spezifische, ebenfalls im Menschen produzierte Verbindungen, können zu einem breiten Spektrum neuer Medikamente führen. Es wird vermutet, dass diese Teile eines allgemeinen Schutzsystems sind, welches bestimmte Krankheiten und Schäden am Körper verhindert.
Dabei wies er mehrmals darauf hin, dass es bedauerlicherweise immer noch zu lange dauert, bis bedürftige Patienten von diesen Erkenntnissen profitieren können. Außerdem ist der Export von israelischem Cannabis trotz Gesetzesvorstößen nach wie vor nicht möglich, wodurch Israel Einbußen im Rennen um die Führungsposition im medizinischen Cannabis hinnehmen muss.
Cannabis statt Sucht?
Ein Thema steht vor allem im Forschungsfokus: Die Anwendung von Cannabis in der Suchttherapie. Herr Mechoulam berichtete, dass Oleoylglycin, eine Cannabinoidverbindung, Entzugserscheinungen von Nikotin und Opioiden, sowie die Ausbildungseffekte von Nikotinsucht blockiert. Und auch Philippe Lucas, der Vizepräsident für Patientenforschung bei Tilray, wies darauf hin, dass Cannabis eine wichtige Rolle bei der Verringerung der Auswirkungen von Opioiden, Benzodiazepinen und anderen Substanzen auf die persönliche und öffentliche Gesundheit und Sicherheit spielen kann.
Andere Schlussfolgerungen der vorgestellten aktuellen Patientenstudie in Kanada sind, dass medizinisches Cannabis in erster Linie zur Behandlung von chronischen Schmerzen und psychischer Gesundheit verwendet wird. Außerdem ist ein Übergang von der Inhalation von THC zur oralen Einnahme von hochdosiertem CBD zu erkennen, was auf das hohe Durchschnittsalter der Patienten von 51 Jahren zurückzuführen sei. Des Weiteren ersetzen Patienten häufig Opioide und andere Arzneimittel mit Cannabis, was oft zu einer vollständigen Abstinenz und damit verbundenen Verbesserungen ihrer Lebensqualität führe.
Ein bedeutungsvoller Hinweis kommt diesbezüglich vom Buchautor David Casarett: „Die Cannabisindustrie hat die Verpflichtung und die Möglichkeit, die Fehler der Opioidindustrie vor 20 Jahren zu vermeiden.“ Im persönlichen Umfeld selbst von der Opioidkrise betroffen, betonte er in seinem Vortrag, dass die Cannabisindustrie trotz aller positiven Entwicklungen und vielseitigen Potenziale stets am Boden der Tatsachen bleiben und zunächst lieber die nicht negativen Eigenschaften belegen sollte, um mögliche gravierende Wiederholungsfehler zu vermeiden.
Save the date for Lisbon
Ferner gab es noch unzählige andere spannende Vorträge, Diskussionsrunden und Präsentationen, die der Besucher leider nicht alle mitverfolgen konnte, da die Veranstaltungen zumeist dreisträngig abgehalten wurden. Dafür können jedoch unter diesem Link [1] alle auf der CannX 2019 veröffentlichen Abstracts angesehen werden. Besonders attraktiv waren ebenfalls die über der eigenen Smartphone-App organisierten Live Abstimmungen. Im Vortrag von Yossi Bornstein, dem Gründer und CEO der Shizim Group, Israels führenden biomedizinischen Dienstleistungs- und Beteiligungskonzern, fragte dieser das Publikum, wie lange es dauern würde, bis Cannabis auch für den Freizeitmarkt legalisiert wird: 25 % sagten niemals, 50 % 1–2 Jahre und weitere 25 % legten sich auf 3–5 Jahre fest. Außerdem stimmten 35 % der Aussage zu, dass der Freizeitmarkt eine negative Auswirkung auf den medizinischen Markt haben wird.
Insgesamt war die CannX 2019 rundum ein großer Erfolg, der primär beleuchtet, wie rasant derzeit die Entwicklungen in dieser extrem spannenden Branche sind. Dass dabei auch Europa zunehmend in den Fokus rückt, zeigt Ort und Termin der nächsten Ausgabe. Bereits in einem halben Jahr, am 12./13. Februar, wird die CannX 2020 in Lissabon stattfinden. Einige weitere Impressionen der CannX 2019 in Tel Aviv können in der nachfolgenden Galerie betrachtet werden.