Cannabis ist in der Gesellschaft angekommen und daher auch nicht mehr aus den unterschiedlichsten Bereichen des Lebens wegzudenken. Selbst im Sport ist das natürliche Genussmittel schon häufig eine Nachricht wert gewesen, beispielsweise wenn erfolgreichste Olympioniken mit der Bong in der Hand unfreiwillig fotografiert wurde – Stichwort Michael Phelps.
Doch bereits seit dieser Zeit hat sich im Sport bezüglich Cannabis einiges getan, da immer mehr Athleten ihren Konsum nicht mehr verstecken und auf die heilenden Kräfte von Cannabis nach dem Training schwören. Gerade für Entspannungsphasen soll der Einsatz von Marihuana geeignet sein, weshalb auch immer mehr Profiligen der unterschiedlichsten Sportarten darauf verzichten, Cannabis als verbotene Substanz zu betrachten und ihre Sportler darauf zu testen.
Nun hat die Universität von Colorado einmal eine etwas andere Umfrage an Joggern durchgeführt und die Ergebnisse bewertet. Dabei kam man zu der Erkenntnis, dass der Einsatz von Cannabis vor dem Sport zu einer verbesserten Stimmung und mehr Vergnügen während des Trainings führen könne.
Das Gefühl der Bewegung
Es handelt sich bei der Umfrage, um die erste Studie, in der untersucht wurde, wie sich legales und kommerziell erhältliches Cannabis insgesamt auf das Gefühl der Bewegung bei Sportlern auswirkt. Diese Nachforschungen, deren Ergebnisse am 26. Dezember in der Fachzeitschrift Sports Medicine veröffentlicht wurden, fanden fast zehn Jahre nach der Legalisierung von Cannabis in Colorado statt, wo als Erstes Marihuana für den Freizeitgebrauch in den USA freigegeben wurde. Ebenfalls erscheint die Untersuchung in einer Zeit, in der Cannabiskonsumenten zunehmend berichten, dass sie ihren Konsum mit dem Training vermischen würden, sodass die Ergebnisse auf Interesse stoßen dürften.
„Das wichtigste Ergebnis ist, dass Cannabis vor dem Sport die positive Stimmung und die Freude am Sport zu steigern scheint, unabhängig davon, ob man THC oder CBD verwendet. Aber speziell THC-Produkte können dazu führen, dass sich das Training anstrengender anfühlt“, sagte die Erstautorin Laurel Gibson. Sie ist eine Forschungsstipendiatin am Center for Health and Addiction der University of Colorado Boulder: Neuroscience, Genes and Environment (CU Change). Damit werfen diese und frühere Erkenntnisse des Teams der Universität die interessante Frage auf, ob Cannabis nicht sogar dafür sorgen könnte, Menschen in Bewegung zu bringen.
In jedem Fall wird das Stereotyp des „faulen Kiffers“ erneut widerlegt, dem oft nachgesagt wurde, er säße nach dem Gebrauch von Weed nur noch auf der Couch fest. Die Hauptautorin Angela Bryan, Professorin für Psychologie und Neurowissenschaften und Co-Direktorin von CU Change, sieht viel Potenzial in den Erkenntnissen. Besonders für die USA, wo eine „Epidemie von Bewegungsmangel“ herrsche. Man benötige neue Instrumente, um die Menschen dazu zu bringen, ihren Körper auf eine Weise zu bewegen, die ihnen Spaß machen würde, so Bryan. „Wenn Cannabis eines dieser Mittel ist, müssen wir es erforschen und dabei sowohl die Schäden als auch die Vorteile im Auge behalten“ wird sie auf NeuroScienceNews.com zitiert.
Durchführung der Untersuchung
In früheren Umfragen unter Cannabiskonsumenten konnte Bryans Forschungsgruppe bereits feststellen, dass eine überraschend große Mehrheit von 80 Prozent vor oder kurz nach dem Training ihr Cannabis konsumierte. Dennoch wurde bislang wohl nur sehr wenig Forschung an der Schnittstelle zwischen diesen beiden Themen betrieben. In der jetzt veröffentlichten Untersuchung wurden daher 42 Freiwillige aus der Gegend von Boulder einbezogen, die bereits joggten und dabei stets Cannabis konsumierten.
Nach einer Ausgangssitzung, in der die Forscher Fitnessmessungen und Umfragedaten durchführten, wiesen sie die Teilnehmer an, in eine Dispensary zu gehen und sich eine bestimmte Blütensorte – die hauptsächlich Cannabidiol (CBD) enthielt – zu besorgen, oder aber eine Sorte zu kaufen, in der Tetrahydrocannabinol (THC) dominierte. Letzteres wirkt bekanntermaßen berauschend, während die von CBD nicht behauptet werden kann. Bei einer Nachuntersuchung liefen die Probanden dann nüchtern 30 Minuten lang in moderatem Tempo auf einem Laufband. Dabei beantworteten sie in regelmäßigen Abständen gestellte Fragen, um zu beurteilen, wie motiviert sie sich fühlten. Auch ging es darum, wie viel Spaß sie hatten, wie anstrengend sich das Training anfühlte, wie schnell die Zeit zu vergehen schien und wie stark ihre Schmerzen waren.
Bei dem nächsten Besuch wurde der Ablauf in gleicher Form wiederholt, jedoch mit dem Unterschied, dass zuvor Cannabis konsumiert worden war – was aufgrund rechtlicher Bestimmungen nicht auf dem Campusgelände stattfinden konnte. Die Läufer konsumierten es daher zu Hause, bevor sie in einem mobilen Labor, dem sogenannten „CannaVan“, abgeholt und zum Labor gebracht wurden. Außerdem trugen die Läufer nun einen Sicherheitsgurt auf dem Laufband, der mögliche Unfälle verhindern sollte.
Stimmung ja – Leistung nein
Fast alle Teilnehmer berichteten durchweg von einer größeren Freude und intensiveren Euphorie – dem so bezeichneten „Runner’s High“, wenn sie nach dem Konsum von Cannabis trainierten (90,5 %). In der Gruppe der CBD-Konsumenten war dieses Gefühl überraschenderweise sogar noch größer als bei den Personen, die auf das berauschend wirkende THC zurückgriffen. Dies könne darauf hindeuten, dass Sportler einige der positiven Auswirkungen auf die Stimmung, ohne die Beeinträchtigung durch THC, besser nutzen und vertragen würden. Die Teilnehmer der THC-Gruppe berichteten zudem auch, dass sich die gleiche Laufintensität während des Laufs mit Cannabis deutlich härter anfühlte als beim nüchternen Lauf.
Dies könnte auch darauf zurückzuführen sein, dass THC die Herzfrequenz erhöhe, sagte Bryan diesbezüglich. Leistungssteigernd wäre der Einsatz auch nicht, wie es auch die Athleten empfanden – nur 28,6 % dachten, sie hätten mehr Kraft – und man es auch schon in der Vergangenheit herausfand. In einer früheren Studie, die aus der Ferne durchgeführt wurde, fanden Bryan und Gibson heraus, dass Läufer unter dem Einfluss von Cannabis vielleicht zwar mehr Freude empfanden, aber dabei auch 31 Sekunden pro Meile langsamer gelaufen seien.
„Unsere Untersuchungen haben eindeutig ergeben, dass Cannabis keine leistungssteigernde Droge ist“, so Bryan. In den vergangenen Jahren wurden dennoch bereits zahlreiche Spitzensportler – darunter beispielsweise auch die US-Sprinterin Sha’Carri Richardson – von Wettkämpfen ausgeschlossen, weil sie positiv auf Cannabis getestet worden waren. Ein Ausschuss der National Collegiate Athletic Association (NCAA) hat daher wohl auch erst kürzlich empfohlen, Cannabis von der Liste der verbotenen Substanzen zu streichen.
Keine allgemeine Empfehlung
Nun fragt man sich, wie kann es sein, dass Cannabis das Empfinden während des Sports verbessert. Lange Zeit ging man davon aus, dass natürliche, schmerzlindernde Endorphine für das berühmte „Runner’s High“ verantwortlich wären, jetzt deutet die neuere Forschung aber darauf hin, dass dies ein Mythos ist. Stattdessen sollen höchstwahrscheinlich natürlich produzierte Gehirnchemikalien, die als endogene Cannabinoide bekannt sind, im Spiel sein, die nach einer längeren Zeit der körperlichen Betätigung eintreten und Euphorie und eine Form von Aufgewecktheit erzeugen.
In der Realität müsse man aber akzeptieren, dass manche Menschen nie das Hochgefühl eines Läufers erleben werden, so Gibson. Durch die Einnahme von CBD oder THC – also Cannabinoiden, die sich an die gleichen Rezeptoren binden wie die Cannabinoide, die unser Gehirn von Natur aus herstellt – könnten Athleten vielleicht in der Lage sein, diesen „Rausch“ mit einem kürzeren Training zu erreichen oder ihn während eines langen Trainings zu verstärken. Aber Sportler, die den Konsum von Cannabis in Erwägung ziehen könnten, sollten sich darüber im Klaren sein, dass dies mit Risiken verbunden sein kann.
Unter anderem könnten Schwindelgefühle und Gleichgewichtsstörungen spürbar werden. Somit ist es mit Sicherheit nicht für jeden geeignet, beim Sport auf Cannabis zu setzen. Für jemanden, der einen schnellen Fünf-Kilometer- oder Marathonlauf anstrebe, sei es nicht wirklich sinnvoll, vorher zu konsumieren, sagt Hauptautorin Angela Bryan. Aber für einen „Ultraläufer, der gerade versucht, einen zweistelligen Trainingslauf zu bewältigen“, könnte es von Nutzen sein.
Als Forscherin im Bereich der öffentlichen Gesundheit interessiere sich Bryan vorwiegend für die Auswirkungen ihrer Erkenntnisse auf diejenigen, denen es bislang schwerfällt, überhaupt Sport zu treiben: entweder weil sie sich nicht motivieren können, weil es ihnen weh tut oder weil sie es einfach nicht mögen. Ob es eine Welt geben könnte, in der die Einnahme eines niedrig dosierten Gummibärchens vor dem Spaziergang helfen könnte, fragt sie sich. Die Antwort: „Es ist noch zu früh, um allgemeine Empfehlungen abzugeben, aber es lohnt sich, es zu untersuchen“.