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Aktivismus und Quarantäne – Kunst und Cannabis
Das Hanfmuseum
Happy 420! … auch wenn das zugegebenermaßen selbst in Berlin momentan nicht so einfach ist. In ganz Berlin? Nein! Ein von unbeugsamen Berlinern bevölkertes Museum hört nicht auf, der Prohibition Widerstand zu leisten! Im Hanfmuseum ist es zwar ruhig geworden, aber den Aktivismus einzustellen, davon ist man weit entfernt, wenn auch im Rahmen der momentanen Möglichkeiten. Das Hanfmuseum befindet sich in Berlin-Mitte, im schönen Nikolaiviertel. Auf fast 300 Quadratmetern wird hier seit 1994 ein umfassendes Bild des Hanfes als Nutzpflanze präsentiert. Das Hanfmuseum setzt auf Aufklärung über die oft mit Vorurteilen besetzte Nutzpflanze. Es werden sowohl Nutzung, Anbau, Ernte aus historischer Sicht beleuchtet, als auch die Bedeutung in den verschiedenen Kulturen und die juristische Seite des THC-haltigen Hanfes.
Es ist das einzige Museum seiner Art in Deutschland, und der einzige Ort, an dem man hierzulande Cannabis live beim Wachsen zusehen kann. Ähnliche Museen gibt es in Europa nur in Barcelona. Außerdem besitzt das Hanfmuseum einen Shop und ein kleines Lesecafe, in dem auch themenbezogene Videos für Besucher vorgeführt werden. In diesem Teil des Museums findet momentan eine äußerst bunte Verwandlung statt, der wir uns später noch widmen werden. Das Museum ist geleitet vom H.A.N.F. Ev (Hanf als Nutzpflanze fördern), und gemeinnützig. Es generiert also kein Geld, und alle Mitarbeiter sind Ehrenamtler.
Der Eintritt liegt bei 4,50 € und 3 € (ermäßigt). Damit werden die laufenden Kosten gedeckt. Aber natürlich nicht in der Krise. Normalerweise bestehen ca. 50 % der Besucher aus Touristen- und Schülergruppen, welche nun wegfallen. An einem guten Tag kommen ungefähr 40 Besucher, diese kann wohl auch die erhaltene staatliche Coronahilfe nicht ersetzen. Ansonsten finanziert sich das Museum über Spenden, Sponsoren und den kleinen Museumsladen. Die Namen der Spender sind keine Unbekannten. So findet man unter ihnen zum Beispiel Zamnesia , Barneys Farm, dem deutschen Hanfverband und Sensiseeds. Die wohltätigen Arbeiter im Hanfmuseum könnten unterschiedlicher nicht sein. Natürlich gibt es alteingesessene Aktivisten und Patienten, die eine Art harten Kern bilden, ohne den im Hanfmuseum wahrscheinlich nichts liefe.
Aber natürlich gibt es immer wieder Kooperationen, Kollaborationen und viele helfende Hände, die Ausstellungen, Konzerte, Partys, Demos oder einfach nur den Mailverkehr möglich machen. Ehrenamtliche Arbeit ist eben eine Herzenssache. Einer des harten Kerns, ein ganz aktiver, ist der Martin Steldinger. Wie der eine oder andere vielleicht weiß, ist er der Organisator der Hanfparade und Founder von Canna Cosmetics. Außerdem wäre da noch Rollo alias Rolf (Rolf Ebbinghaus), der das Hanfmuseum mitgründete, es inzwischen aber etwas ruhiger angehen lässt. Er sagte einst, das Berliner Hanfmuseum sei nach einem Amsterdamer Vorbild entstanden. Keiner der Jungs macht seinen Job hauptamtlich, sie alle haben, wenn es die Gesundheit zulässt, noch Hauptberufe. Da wir natürlich aber mehr wissen wollen, als bloße Zahlen und harte Fakten, waren Sebastian und Henning vom Hanfmuseum im Interview, um ein paar Geschichten aus dem Nähkästchen zu kramen.
Projekte und Prominente
Man fragt sich natürlich, was es in einem Museum so zu tun geben soll. Wofür das Geld und die ehrenamtliche Arbeit benötigt werden. Bein einem Museum muss man doch nur die Türen öffnen und gelegentlich mal Staub wischen…, oder? Weit gefehlt! Beim Hanfmuseum ist man aktiv und leistet Unterstützung, Lobbyarbeit und Aufklärung, wo man nur kann. Beispielsweise rufen dort Menschen mit vollkommen unterschiedlichen und teils absurd anmutenden Anliegen an, und bitten um Rat. Henning erzählte auf Nachfrage sofort eine dieser Geschichten und war sichtlich amüsiert. Es begab sich vor Kurzem, dass innerhalb von 30 Minuten 2 Anfragen eingingen. Die erste Anfrage kam aus Tirol. Der Herr wollte sich über Erntemaschinen und Hanfpfeifen aus Tirol informieren. Kurz darauf erreichte sie der Anruf einer besorgten Mutter, welche ihrem Sohn soeben Cannabis abgenommen hatte, und nun ratlos und verängstigt Hilfe suchte. Diese halbe Stunde im Leben des Hanfmuseums zeigt relativ gut, wie groß das Spektrum ist, das von der beratenden Tätigkeit des Hanfmuseums abgedeckt wird.
Auch kümmert sich das Museum um ehemalige Strafgefangene, welche aufgrund von Cannabis mit dem Gesetz in Konflikt kamen. Oft sind diese inzwischen offizielle Patienten. Man hilft ihnen, wieder in die Arbeitswelt zu finden, denn Haft aufgrund von „Drogen“ ist ein Stigma, das man so schnell nicht los wird. Auch dass diese Menschen Cannabis nun als Medizin einnehmen, macht die Situation nicht einfacher, denn die wenigsten Arbeitgeber möchten, dass diese Art der Medizin am Arbeitsplatz konsumiert wird. Eigentlich eine Frechheit, aber dennoch deutscher Alltag. Hier wird das Museum aktiv und hilft bei der Vermittlung, bis hin zu Vorstellungsgesprächen.
Henning sagt, das Museum gibt Menschen wie Pflanzen Raum zu wachsen. Dann betreibt das Hanfmuseum noch die grüne Hilfe, die deutschlandweit agiert, und bei BTMG-Verstößen hilft. Hier geht es vor allem darum, den Menschen die Ängste zu nehmen, und um eine Vermittlerposition zwischen Klient und z. B. Anwälten. Oft geht es hier um Verkehrsdelikte oder Ähnliches, zumindest sind es immer rechtliche Fragen, mit denen sich an die grüne Hilfe gewandt wird. Leider, so erzählte Henning, kommt sehr selten Feedback, welches für die grüne Hilfe allerdings äußerst wichtig wäre, um ihre Hilfsangebote zu optimieren. Hier wäre es angebracht, den Helfern zu helfen, und sie nicht, nach einem glimpflichen Ausgang, einfach zu vergessen.
Es gibt dazu das Konzept, die Hilfegesuche ausschließlich über das E-Mail-Postfach laufen zu lassen, damit man später noch mal nachhaken kann. Leider fehlt hierfür aber einfach jemand, der bereit ist, die Arbeit ehrenamtlich zu machen. In diesem Artikel ist das Museum verlinkt, wenn sich also jemand berufen fühlt, die großartige Arbeit dieser Menschen zu unterstützen, wird er mit der Aufnahme in eine exklusive kleine Familie belohnt. Durch aktive Öffentlichkeitsarbeit und den Besonderheitswert ist das Berliner Hanfmuseum weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt.
So kam tatsächlich kurz vor der Schließung wegen Corona das Dagga Couple zu Besuch. Die Daggas sind berühmte Cannabis Lobbyisten Organisation aus Südafrika, die beschlossen hatten, dass das Museum definitiv einen Besuch verdient hat. Auch die Zusammenarbeit mit anderen Städten und Museen macht das Hanfmuseum so besonders. Im Mai letzten Jahres beispielsweise, lernte Hennig die Pia Wenning, eine Glaskünstlerin kennen. Sie ist eine sehr gut vernetzte Dame, die den Europavertrieb für rauchbare Glaskunst in ihren Händen hat. So kam es, dass sie nicht mal einen Monat später das Berliner Hanfmuseum mit dem Leiter des Hash-, Marihuana- and Hempmuseum in Barcelona vernetzte. Dort fand zu der Zeit gerade die Ausstellung „We are Mary Jane“ (Women in Cannabusiness) statt, welche später auch eine Reise nach Amsterdam machen sollte.
Zu dieser Ausstellung entstanden Videos zur Canna Culture, welche im Hanfmuseum Berlins als Sneak-Preview den Besuchern vorgeführt worden. Ein Hauch von globaler Legalisierung weht zu der Zeit durch die heiligen Hallen des Museums. Eine herzerwärmende kleine Geschichte erzählte mir abschließend noch der Sebastian. Es befindet sich seit einiger Zeit eine große Baustelle vor dem Museum. Archäologische Grabungen gingen nahtlos in Umbauarbeiten über. Irgendwann in den letzten Monaten kam Sebastian mit einem der Archäologen ins Gespräch, und lud ihn ein, das Hanfmuseum zu besichtigen. Dies schien Neuland für den Herrn zu sein, aber von Interesse geweckt, besuchte er tatsächlich nach einiger Zeit mit einer ganzen Gruppe seines Berufsstandes das Museum. Toleranz und Neugier sind zum Glück überall zu finden und machen Hoffnung.
420 in Berlin
Was 420 bedeutet, ist den meisten Lesern sicher klar, aber woher diese Zahl kommt, und wo sie überall Bedeutung hat, ist sicher einigen noch neu. 420 ist eine Zahl, die oft zur Identifizierung mit der Cannabiskultur genutzt wird. Es ist ein Codewort für das Konsumieren von Cannabis. Wie es dazu kam, ist ebenso umstritten wie romantisch. Die Geschichte besagt, dass es in der Highschool von San Raffael in Kalifornien um 1971 eine Gruppe von Studenten gab, die sich „The Waldos“ nannte. Sie hatten sich zur Aufgabe gemacht, eine versteckte Cannabisplantage auf dem Gelände anhand einer Schatzkarte des ursprünglichen Anbauers zu finden. Um sich auf die Suche zu machen, verabredeten sich um 4.20 Uhr nachmittags an der Statue von Louis Pasteur. Das Codewort lautete demzufolge 420 Louis. Später sagte Mike Edison, Musiker, Sozialkritiker und Wordartist von Beruf, dass der Grund für die „kultähnlichen Extreme“, die diese Story annahm, Steven Hager verantwortlich gewesen sei.
Steven Hager ist Journalist, und zu der Zeit beim High Times Magazin angestellt, welches Absatzzahlen von 236000 Printabos hat. Es gibt das Magazin seit 1974, es hat angesichts dessen einen großen Einfluss auf die Cannabisszene der USA und kann somit als Meinungsmacher verständen werden. Hager schrieb damals einen Artikel über 420, in dem er sogar forderte, 4.20 Uhr als die gesellschaftlich anerkannte Zeit für Cannabiskonsum festzulegen. In den USA werden seitdem Straßenschilder mit der Aufschrift 420 so oft geklaut, dass man sie inzwischen teilweise durch Steine ersetzt hat, oder die Null durch ein X austauschte.
Natürlich finden am 20.4. viele Events zum Thema in den USA statt. In diesem Jahr wäre dies sogar den ganzen Monat der Fall, da wir den 4.2020 haben. Es fanden in den vergangenen Jahren Events am Hippie Hill im Golden Gate Park statt, in der University of Colorado, auf dem Parliament Hill in Ottawa und auf dem Majors Hill Park in Montreal, um nur einige zu nennen. Auch in Deutschland haben wir seit ein paar Jahren ähnliche Events, allerdings wesentlich kleiner. Das Größte unter ihnen ist das 420 Event im Görlitzer Park. Seit 4 Jahren finden sich dort hunderte Menschen ein, um gemeinsam zu rauchen, Musik zu hören, sich zu vernetzten, und sich einmal im Jahr nicht kriminell zu fühlen. Daniel Brückner, bekannter Cannabisaktivist, Mitorganisator der Hanfparade und des Global Marihuana March in Berlin, hält jedes Jahr die Eröffnungsrede.
Nun hat uns in diesem Jahr weltweit ein aggressives Virus einen Strich durch die Rechnung gemacht. Alle Events sind abgesagt. Die Versammlungsbehörde teilte den Organisatoren schon vor über einem Monat mit, dass sie keine Erlaubnis erteilen wird. So konnte wenigstens ein finanzielles Desaster vermieden werden, da man die Organisation sogleich einstellte. Im nächsten Jahr soll das Event aber auf jeden Fall wieder stattfinden – man ziehe die diesjährige Planung einfach ins Nächste, erklärt Brückner. So sei die Arbeit wenigstens nicht umsonst. Es ist etwas Großes geplant, samt Bühne und einem optimierten Rahmenprogramm. Der Görli wurde nicht zufällig ausgewählt, denn er gilt als Berliner Cannabisumschlagplatz – nicht unbedingt als beliebter. Schon alleine deshalb möchte man hier Lobbyarbeit, Aufklärung und Präsenz leisten.
Aktivismus trotz Krise
Still zu sein, das hat Berlin noch nie gestanden. Es gehen Dinge vor sich, wenn auch distanced und digital. Im Hanfmuseum sollte ab 1.4.2020 eine Ausstellung einiger Street-Art Künstler zum Thema Cannabis stattfinden. Außerdem sollte ein Konzert der Künstlerin AWA Fall am 17. 4.2020 stattfinden. Zusätzlich waren Party, Getränke und Führungen geplant, die am 2.5.2020 im Global Marihuana March gipfeln sollten, welcher nun allerdings auch abgesagt ist. Aufgrund der momentanen Lage wird die Ausstellung aber natürlich verlängert, sodass wir alle noch in den Genuss dieser außergewöhnlichen Kunst, und das Museum den einiger Eintrittsgelder kommt. Ein Vöglein hat mir gezwitschert, dass der Senat das Demonstrationsrecht ab kommenden Mittwoch wieder in Kraft setzen will, was bedeuten könnte, dass das Museum in 2 Wochen wieder öffnet.
Der Eintritt wird der gleiche sein wie immer. Die Künstler haben dem Museum zuliebe auf Geld und Gästeliste verzichtet. Nur der Künstler Mesiasoners darf mit seinen Jüngern unentgeltlich teilnehmen, da er derjenige war, der die Aktion organisiert und die Aktivisten vernetzt hat. Wenn die Ausstellung endlich läuft, können auch Kunstwerke erworben werden – eine Seltenheit, denn Streetartkünstler verkaufen ihre Werke normalerweise nicht. Man müsste sie schon, so wie Banksys Werke, aus den Wänden sägen. Die Werke werden während der laufenden Ausstellung mit einer Anzahlung reserviert und können auf der Finissage mitgenommen werden. Leider muss das Ganze inzwischen so geregelt werden, denn immer wieder werden Werke auf Ausstellungen reserviert, markiert, und dann doch nicht verkauft, was zu ärgerlichen und unnötigen Verlusten für die Künstler führt. Kennengelernt haben sich Künstler und Aktivisten im ehemaligen Künstlerhaus Kulturbotschaft Lichtenberg.
Dort gaben die Künstler den Aktivisten im letzten Jahr die Möglichkeit, für die Hanfparade ihre Schilder zu gestalten, und man plante zukünftige Kooperationen. Abgesehen davon eint die Künstler und die Museumsaktivisten vorwiegend eins: Cannabis! Sie rauchen fast alle, ein Großteil von ihnen sind Cannabispatienten, legal und nicht legal. Auch für die Legalisierung wurde sich einstimmig ausgesprochen, und zwar auch zu Genusszwecken. Der eine oder andere Künstler hatte auch schon so seine Erfahrungen mit dem Gesetz. Ein Grund mehr zusammenzuhalten. Damit ihr auf all dies Schmankerl nicht warten müsst, bis der Monat rum ist, haben wir für euch etwas auf die Beine gestellt.
Heute wird es ab 15 Uhr auf YouTube, Facebook und Twitch eine Show geben, in der wir euch alles live kredenzen. Daniel Brückner wird seine Ansprache statt am Görli, live bei uns halten. Das Hanfmuseum wird eine Führung und ein live Action Painting der anwesenden Künstler zeigen, Badabing machen eine Führung durch ihr Glaswerk, Pinky wird eine Dancehallshow abliefern, aus Österreich gibt es einen Workshop zum Beschneiden von Stecklingen, und und und …
Live Musik gibt es von Maama Ganja & Antifuchs, die Puffcompany bietet eine Rollartist live Show und es gibt noch über 30 weitere Programmpunkte und unzählige Gäste. Also schaltet ein, und lasst 420 ins Wohnzimmer. Um 16.20 Uhr wird es natürlich ein gemeinsames Smoke Inn mit allen Teilnehmern geben.