Bei der berühmt-berüchtigten, „allgemeinen Verkehrskontrolle“ durch die Polizei ist es oft der Geruch von Cannabis, der die Beamten aufmerksam macht und zu weiteren Durchsuchungen veranlasst. Werden dann Hanfprodukte oder andere Substanzen gefunden, rechnet die bundesdeutsche Justiz alles zusammen, straft und gängelt Betroffene mit maximaler Schikane. Ändert sich das nach der Legalisierung von THC?
Gerichtsurteile in den liberalen USA werden beim Duft von legalem Marihuana im Auto jedenfalls immer öfter in dubio pro reo entschieden, also im Zweifel für den Angeklagten. Offiziell erlaubte Cannabinoide dürfen kein Anlass für Durchsuchungen vom Fahrzeug sein – gerade gab es dazu den finalen Richterspruch zugunsten der Cannabiskonsumenten nach einem jahrelangen Rechtsstreit im Bundesstaat Minnesota.
Oberster Gerichtshof: Polizei muss legales Cannabis respektieren
Vor gut zwei Jahren hielt der Sheriff im Städtchen Litchfield ein getuntes Auto an und mokierte sich über den mit Zusatzlampen ausgestatteten Kühlergrill. Der Fahrer zeigte keine Auffälligkeiten, hatte Führerschein und Zulassung dabei. Plötzlich aber stieg dem Cop der unverwechselbare Cannabisduft in die trainierte Nase und er fragte genauer nach, ob da etwa gerade Cannabis konsumiert wurde. Das wurde verneint, doch wie üblich war die Polizei mal wieder spitz auf Knopf und der Sheriff begann zusammen mit herbeigerufenen Kollegen umgehend mit einer gründlichen Durchsuchung des Wagens.
Man fand zwar kein Marihuana, aber eine kleinere Menge Methamphetamin samt zugehöriger Glaspfeife. In Minnesota wird das als unerlaubter Drogenbesitz rechtlich verfolgt, während THC für Erwachsene bereits seit einigen Jahren legal ist. Die Rechtslage ist eindeutig: Staatlichen Beamten wie dem örtlichen Sheriff ist es explizit untersagt, wegen Gerüchen von Cannabis in Fahrzeugen oder Wohnungen mit Durchsuchungen zu beginnen! Egal, wie stark der Geruch sein mag – wenn die Cops darauf mit Maßnahmen reagieren und bei einer Razzia dann andere, verbotene Substanzen gefunden werden, ist das juristisch nicht verwertbar.
So urteilte im Jahr 2021 bereits das zuständige Bundesgericht, doch der Staat Minnesota legte mehrmals Berufung ein, bis schließlich vor ein paar Wochen der Oberste Gerichtshof die Urteile der niederen Instanzen bestätigte. Die Polizei muss schon konkret Crystal Meth und Konsumutensilien vermuten und darf nicht mehr wie vor der Freigabe von Cannabis einfach mal schnell in der Privatsphäre von Autofahrern herumschnüffeln. Gute Nachrichten für freie Bürger in Übersee und eigentlich eine Steilvorlage für das deutsche Justizwesen – gehören übergriffige Kontrollen wegen THC bald auch hierzulande der Vergangenheit an?
Legalisierung als Bestandteil der Menschenrechte
Ausdrücklich verweisen die Richter in den USA bei ihrer Entscheidung auf das individuelle Menschenrecht vom fairen juristischen Verfahren aller Bürger, gleichgültig, ob die nun Marihuana als Genussmittel konsumieren oder als Patienten auf die vielseitigen Effekte von Medizinalhanf setzen. Einige Bundesstaaten haben diesen Tatbestand mittlerweile direkt im Gesetz geregelt, andere lassen Gerichte entscheiden – am Ende steht in den Legal States mit einer Cannabisfreigabe fast immer die klare Ansage an allzu neugierige Cops, Durchsuchungen wegen Cannabisgeruch ab sofort einzustellen.
Es ist schon bemerkenswert, dass sich der Oberste Gerichtshof von Minnesota auf ein Regelwerk berufen muss, das eigentlich im Alltag zuverlässig Anwendung finden sollte, zumindest in demokratischen Ländern mit Gewaltenteilung. Die USA agieren nach langen Jahren der Ignoranz heute endlich konsequenter, während Deutschland und die EU zwar viel von Gerechtigkeit reden, faktisch jedoch beim Cannabis ähnlich unfair auftreten wie Nordkorea! Menschenrechte und Hanfkonsum zusammenzudenken kommt jedenfalls weder dem Bundesverfassungsgericht noch der Europäischen Kommission in den Sinn, zumindest bisher.
Juristisch kniffelig: Wie ist Cannabiskonsum in der Öffentlichkeit zu beurteilen?
Direkt nach einer Legalisierung geben sich auch die US-Legal States erst mal knurrig, sanktionieren den Joint im Freien ähnlich wie eine nicht im braunen Papier versteckte Bierflasche. Nach einer Zeit freilich zeigen dann die Erfahrungen mit den neuen Gesetzen, dass längst nicht jede Form von Cannabisgebrauch unter anderem Kinder und Jugendliche gefährdet. Wer nachts im Park THC konsumiert und keiner Menschenseele begegnet, sollte juristisch im Zweifelsfall weniger belangt werden als jemand, der mit einer rauchenden Bong vor Grundschulen herumhängt! Ein Mittelweg ist in den USA manchmal die Cannabis Lounge im Hinterzimmer vom Café, doch faktisch drohen auch bei Vergehen unter freiem Himmel maximal noch Ordnungswidrigkeiten.
Der Umgang mit Haschisch und Marihuana normalisiert sich bei Uncle Sam, ohne dass deshalb gleich alle Dämme brechen und plötzlich überall Kids mit der Tüte im Mund unterwegs sind. Solche angeblich unausweichlichen Horror-Storys geistern hingegen bei uns immer noch durch Medien und Politik. So sollen etwa die für Deutschland geplanten Cannabis Social Clubs möglichst abseitig zu finden sein und keineswegs die gleichen, zentralen Standorte belegen wie der örtliche Getränkehandel! Mit Sicherheit darf vorerst auch die Polizei nach Belieben anrücken, durchsuchen und gängeln, ohne dass Gerichte oder gar der offenbar nur angeblich liberale Bundesjustizminister einschreitet.
Immer mehr Leute fragen sich zu Recht, welche Legitimität solche an der Realität vorbei entscheidenden Institutionen und Minister eigentlich haben. Warum wird bei THC vor Gericht in verbündeten, eng befreundeten Staaten völlig anders geurteilt als bei uns? Sind Deutsche wie Europäer weniger Mensch als Amerikaner oder halten hiesige Institutionen die erwachsenen Bürger schlicht für unmündige Idioten und Kinder, denen wegen Cannabis das Leben zur Hölle gemacht werden muss? In den Vereinigten Staaten basieren Gesetze für Cannabinoide zudem auf wissenschaftlichen Grundlagen, während bei uns immer noch totale Willkür herrscht und jeder Polizist bis Staatsanwalt alles Mögliche behaupten kann.
Eine Signalwirkung ist trotzdem möglich – vielleicht notieren sich ja nachwachsende Juristen in Deutschland die Entscheidungen in Minnesota und treten künftig entsprechend versiert endlich stärker für die Privatsphäre und Menschenrechte von Konsumenten ein?