Wieder einmal urteilte das spanische Tribunal Supremo gegen den Sonderweg einer „vereinsbasierten Selbstversorgung“ mit Cannabis. Diesmal hat das linksalternativ-regierte Barcelona mit seiner Stadtverordnung zur Regulierung der „Social Clubs“ seine Kompetenzen überschritten. Nachgeben will man aber keinesfalls und feilt an einer neuen Verordnung für die rund 218 Clubs der katalanischen Hauptstadt.
Spaniens Justiz sucht seit Jahren eine rechtliche Grauzone in der Gesetzeslage zu schließen. Die der Cannabis Social Clubs (kurz CSC), die den Eigenanbau von Cannabis für die Selbstversorgung von Vereinsmitgliedern ohne Gewinnabsicht zumindest nicht unter Strafe stellt. Wiederholt kam es zu Razzien und es wurden leitende Vereinsmitglieder der CSCs festgenommen, denen man die Ernte beschlagnahmte. Nicht wenige von ihnen wurden in Gerichtsverfahren schließlich freigesprochen und teils auch finanziell entschädigt. Das schuf dank Präzedenzfällen eine Jurisprudenz. Auf der anderen Seite wurde namhaften Aktivistinnen und Aktivisten der Cannabis-Szene, die über die Club-„Grauzone“ vorrangig Patienten versorgten, ebenso der Prozess gemacht, wie etwa gegen Fernanda de la Figuera oder unlängst Albert Tío, der nun schlussendlich seine dreijährige Haftstrafe antreten musste. Während er seinen Fall mit zwei Vereinskollegen über eine Crowdfunding-Kampagne an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bringt.
Barcelona ist mit der Region Katalonien die Speerspitze in Sachen CSC, die Stadt mit den meisten Clubs spanienweit und auch dem Kampf für eine Regulierung dieser. Volksbegehren wurden hier vom katalanischen Regionalparlament (wie in der Region Navarra auch) behandelt und angenommen, doch postwendend vom spanischen Verfassungs- und später dem Obersten Gericht in Madrid gekippt. Das Verfassungsgericht kippte die Regionalgesetze zu den CSC in Katalonien (2018) und Navarra (2017) als „verfassungswidrig“, da jene in staatliche Kompetenzen um das strafrechtlich relevante Produkt Cannabis interferierten. Und 2019 ließ das Verfassungsgericht einen Gesetzesabsatz im Baskenland zur Regulierung der CSC streichen, einer der Stadtgemeinden einräumte, CSC in ihrem Gebiet selbst zu regulieren. Etwas, das auch Barcelona umsetzte.
Die Verordnung der Stadtgemeinde Barcelona, die der Regelung der CSC diente, führte dazu, dass seit deren Beschluss im Mai 2016 immerhin 218 CSC mit Vereinslokalen betrieben wurden, darunter über 100 Neugründungen, und dadurch gedeckt auch existieren konnten. Die Basis war eine Verordnung im Bereich der „Stadtentwicklung und Umwelt“, der sogenannte „Plan Especial Urbanístico para la Ordenación Territorial de los Clubs y Asociaciones de Consumidores de Cannabis“. Beschlossen wurde dieser unter Bürgermeisterin Ada Colau vom linksalternativen Bündnis „Barcelona-Catalunya en Comú“, Teil von „Unidas Podemos“ („Gemeinsam können wir“). Es ist die einzige Partei Spaniens, die auch landesweit für eine „verantwortungsbewusste Regulierung“ um Cannabis und das nicht einzig als Medizin, sondern auch als legales Genussmittel eintritt.
Wobei bereits Colaus Vorgänger im Bürgermeisteramt, Xavier Trias von den Mitte-Rechts-Separatisten Kataloniens (PDeCat), diesen Entwurf weitgehend ausgearbeitet hatte. Ein Eckpunkt des Plans von Trias war, der auch von den CSC-Inhabern vielfach kritisiert wurde, war, dass es kein Vereinslokal im Umkreis von 150 Metern geben darf, wo es öffentliche oder private Einrichtungen für Minderjährige gibt. Hätte jene „Bannmeile“ doch die Schließung quasi aller CSC in Barcelona, knapp 120 im Jahr 2016, bedeutet. Colaus Stadtregierung weichte die Verordnung auf.
CSC durften demnach nur nicht mehr in der Nähe von Schulen eröffnet werden. Maximalfläche war auf 200 Quadratmeter limitiert, Rauchabzug und einen Eingangsbereich, der durch zwei Türen zum Vereinsraum getrennt war, waren Pflicht. Es galt eine Frist von 18 Monaten, bauliche Maßnahmen umzusetzen. Doch auch diese abgemilderten Auflagen waren einigen CSC zu viel, sodass es diese selbst waren, die gegen das Rathaus am katalanischen Obersten Gericht gegen die Reglementierung Klage einbrachten.
Nun hat das spanische Gericht in zwei einander bekräftigenden Urteilen binnen eines Monats vor dem Jahreswechsel Barcelona jegliche Kompetenzen in der CSC-Materie abgesprochen und ratifizierte damit die Sprüche des katalanischen Obersten Gerichts. Im ersten Urteil war die Unklarheit, ob ein CSC nun legal ist oder nicht – ebenjene Grauzone – ausschlaggebend Barcelona die Fähigkeit darüber zu entscheiden, abzusprechen. Diese Entscheidungsgewalt obliege, wenn überhaupt, dann den staatlichen Institutionen, da die CSC das Delikt des Drogenhandels (Art. 368 des span. StGB) begehen könnten, und nicht Regionen oder eben Stadtgemeinden. Zugleich schließt das Urteil mit einer Art Appell, dass man eine reglementierende Rahmengesetzgebung schaffen solle, um den Konsum, die Versorgung und die Abgabe von Cannabis rechtlich abzudecken. Beide Sprüche beziehen sich auf die anfangs erwähnten Verfassungsgerichtsurteile, und Zweitere explizit auf den Fall der Stadtverordnung von Donostia (San Sebastian) im Baskenland.
Barcelona wird indes trotz der Urteile an der Norm für CSC festhalten, „jene bleibe voll und ganz aufrecht“, sagte eine Quelle aus dem Stadtrat der Onlinezeitung Publico.es. Der Gerichtsweg bleibe aufrecht, so lange, bis alle Einsprüche und Rekurse durch alle Instanzen gegangen seien. Parallel dazu erarbeite man eine neue Norm, diesmal über die Gesundheitsagentur Barcelonas und den Beauftragten für Gesundheit der Stadt. Diesmal werde man dabei nicht auf Stadtentwicklung und Umwelt setzen, sondern auf die positiven Auswirkungen der CSC auf die „Öffentliche Gesundheit“ – Qualität, Prävention, Sicherheit beim Erwerb und Konsum, da man eben nicht auf den Schwarzmarkt angewiesen ist und Beratung für Konsumenten und Patienten etwa sind der CSC-Eckpfeiler.
Für Barcelona haben die CSC natürlich auch ein wirtschaftliches Gewicht. Der Dachverband der CSC Kataloniens Catfac, und die spanienweite Confederación de Federaciones de Asociaciones Cannábicas Confac beziffert die Zahl der CSC in Spanien mit etwa 1500 Vereinen mit je 300 bis 400 Mitgliedern. Über 80 Prozent der CSC befinden sich in Katalonien, etwa 800 in Summe. 7500 Menschen haben dank der CSC eine Arbeit, betont man weiter. Und würde der Staat sich endlich um eine Regulierung bemühen, könnte man mit etwa 220 Mio. Euro jährlicher Steuereinnahmen alleine durch die CSC für die Staatskasse rechnen. „Der Gesetzgeber muss die Karten in die Hand nehmen“, forderte Catfac-Sprecher Eric Asensio nach den Gerichtsurteilen: „Wir verlieren Rechte, die wir als bereits erkämpft erachteten“, zeigt er sich besorgt über die Zukunft der CSC in Katalonien und in Spanien.
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