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Hin und wieder abends mit Freunden gemütlich eine Tüte rauchen, ohne erst aufwendig loszufahren und dafür ein paar Gramm Gras zu kaufen, klingt verlockend. Und scheint doch auch irgendwie viel vernünftiger. Man kann sich sicher sein, kein gestrecktes Zeug zu rauchen, trifft sich nicht an unpraktischen Orten zu ungelegenen Zeiten und riskiert dabei auch noch erwischt zu werden.
Die Lösung dieses Problems liegt für viele auf der Hand: Einfach daheim ein paar Pflänzchen regelmäßig gießen und mit Licht und Dünger versorgen und schon ist man selbst versorgt, wenn der nächste gemütliche Abend mit Freunden ansteht. Und dass das im Grunde ja gesellschaftskonform ist, zeigt doch schon das „Ice Bucket“ Video des Grünen-Vorsitzenden Cem Özdemir. Was kann da schon passieren? Eine ganze Menge, wie viele unserer Mandanten in letzter Zeit feststellen müssen.
Die Berechnung des Ernteertrags als Grundlage der Anklagevorwürfe
Wer glaubt, die Staatsanwaltschaft würde sich mit den paar Gramm THC-Wirkstoffgehalt zufrieden geben, den die 40 Pflänzchen zu Hause abwerfen am besten noch im Setzlingsstadium, der irrt sich gewaltig. Die Staatsanwaltschaft denkt in anderen Maßstäben. Wichtig ist nicht, was IST, sondern was hätte sein können. Das bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft regelmäßig Gutachten dazu einholt, wie groß denn die Ernte hätte werden können und wie viele Ernten in einem Jahr möglich gewesen wären.
Als konstante Grundlage der Berechnung wird in der Regel der festgestellte Stromverbrauch herangezogen. Dann kann aus der Zusammenrechnung des Stromverbrauchs der Lampen, des Lüfters, eines Zeitschaltrelais, einer Aquarienpumpe, einem Ventilator, einer Tauchpumpe und noch anderen niedlichen sichergestellten Hilfsmitteln die Kilowattanzahl pro Ernte errechnet werden.
Für den Angeklagten günstige mögliche Fehlerquellen wie ein nicht geeichter defekter Stromzähler, Kriechstrom oder Kurzschlüsse und der Umstand, dass die Stromablesung nur einmal jährlich erfolgt, bleiben dabei natürlich außer Acht. Man will das große Ergebnis ja nicht verfälschen. Nicht berücksichtigt werden natürlich auch Umstände, die jeder Hobbygärtner kennt, z. B. falsche Belichtungsphasen, die die Blühphase beendet oder eine verfrühte erneute Blühphase einleitet.
Auch eine falsche Bewässerung, unpassende Düngung oder Schädlings- und Pilzbefall – Blattläuse, Mehltau, Thripse, Trauermücken, weiße Fliegen oder Spinnmilben sind ja nun auch nicht selten – all das ist für die Ertragswertberechnung irrelevant. Plötzlich werden aus Grämmchen Kilos. Und der Konsument zum mutmaßlichen Dealer. Und all dass, weil der Staatsanwalt einem vorwirft, man habe ja im Kilobereich anbauen wollen.
Voraussetzung ist eine „Plantage“
Damit eine Ertragsberechnung erfolgen kann, muss nach der Rechtsprechung eine Plantage vorliegen. Da böse Verteidiger selbstverständlich immer argumentieren, dass keine „professionelle“ Plantage vorliegt, sondern lediglich ein Homegrow-Projekt zum Eigenbedarf, wurden Kriterien entwickelt, die eine „Plantage“ hiervon unterscheiden sollen.
Nach der geltenden Rechtsprechung öffnen die folgenden Kriterien die Büchse der Pandora:
- Gab es zumindest eine Hochleistungslampe 400 W für 1-3 m² Pflanzenbewuchs oder für 1,5-4 m² beleuchtet von 600 W?
- Enthalten die Stecklinge zumindest 0,5 % THC im Blattmaterial?
- Gibt es einen Düngungsnachweis?
- Existiert eine Zeitschaltuhr oder erfolgt eine tägliche Kontrolle durch Personen?
- Weisen die Blütenansätze der Pflanzen wenigstens 2 % THC auf?
- Enthalten erntereife Pflanzen mindestens 5 % THC bei mindestens 25 g konsumfähigem Material?
Liegen diese Voraussetzungen in der Mehrheit vor, kann der Sachverständige anfangen, aus der Maus einen Elefanten zu machen. Dazu wird er zum Beispiel versuchen herauszufinden, welche Cannabissorte das Innenambiente der Wohnung beeinflusst hat. Die Variationsbreite der THC-Werte dieser Pflanzen ist bekanntermaßen immens. Nach dem Grundsatz in „dubio pro reo“ müsste der Sachverständige zwar eigentlich von langsam wachsenden Pflanzen mit einem nur minimalen THC-Gehalt ausgehen, macht er aber nicht.
Im Gegenteil werden meist hohe Erträge schnell wachsender Pflanzen vermutet (25 g – 40 g). Für die Anklage gilt: Immer von besten Zuchtbedingungen ausgehen! Wenn man sich jetzt mal von diesem Text löst und in seinem Räumchen umsieht, von besten Zuchtbedingungen ausgeht, Schädlingsbefall ausschließt und die beste Wachstumszeit voraussetzt, wird man schnell begreifen, dass die paar kleinen Pflänzchen im Zelt im Nebenraum sehr schnell zu einem ausgewachsenen Problem werden können.
Fazit
Viele Verfahren in den letzten Jahren haben uns gezeigt, dass man sich als „Eigenanbauer“ vor allem durch Adrenalin durchflutete ungeschickte Aussagen bei der Durchsuchung einen Rahmen setzt, der später argumentativ schwer zu beseitigen setzt. Man sollte das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Der Unterschied zwischen ein paar Pflänzchen zum Eigenkonsum und einem möglichen hohen Ertrag aufgrund einer mutmaßlich professionellen Plantage bedeutet immerhin Geldstrafe auf der einen und Freiheitsstrafe auf der anderen Seite.
Von Kollateralschäden wie z. B. dem dann möglichen Vorwurf des Handeltreibens mit Waffen (es liegt ein längeres Messer zum Abschneiden der Stiele herum), des Wertersatzverfalls (wie viel wurde denn vielleicht schon erwirtschaftet = plötzlicher Zahlungsanspruch des Staates in vierstelliger Höhe) gar nicht zu reden. Wie immer gilt: Keine Aussage machen. Anwalt anrufen. Vorgehen besprechen. Wer aus der Hüfte schießt, schießt sich manchmal selbst ins Bein.