Auch nach der Verabschiedung vom neuen Cannabisgesetz (CanG) durch die Ampelregierung sind für Behörden in Deutschland bei Verdacht auf THC weiterhin die üblichen Methoden von Überwachen bis Strafen erlaubt. Es kommen weder die eigentlich nötigen Fachgeschäfte für Hanfprodukte noch finden sich aktuell Hinweise auf konkrete Veränderungen im Straßenverkehrsrecht, sodass erwachsene Bürger immer noch wie Kriminelle behandelt werden – fast.
Natürlich gibt es selbst bei diesem stark kritisierten Modell einer nur halben, unausgegorenen Legalisierung von Cannabis ein paar Punkte, die zumindest etwas vom jahrzehntelang praktizierten Unrecht beseitigen und es lohnt sich ein Blick auf entsprechende Details im Strafrecht. Womit müssen Delinquenten bald rechnen, wenn es um die Überschreitung der Besitzmenge, um mehr als drei Hanfpflanzen im Garten oder um den Gehalt der Cannabinoide von CBD bis THC geht?
Anwälte versuchen laufende Verfahren bei Cannabis zu verzögern
Steht ein neues Gesetz an, werden sich damit befasste Richter und Staatsanwälte bei Verurteilungen eher zurückhalten als in den langen Jahren der Cannabisverbote. Es ergibt also Sinn, sich bei laufenden Verfahren mit dem Anwalt zu besprechen, der immer öfter durch einen engagierten Verweis auf die kommende Legalisierung für Entschärfung sorgen kann oder erst eine vorübergehende Aussetzung durchsetzt. Laut § 2 Abs. 3 StGB muss eine richterliche Entscheidung das aktuell mildeste Gesetz berücksichtigen. Berufung, Revision und sonstige Methoden zur Verschiebung lohnt sich, weil eine Menge Anklagen in Zukunft schlicht hinfällig werden.
Zwar melden sich in den Medien die üblichen Verdächtigen zu Wort und jammern über Straffreiheit für Bürger, aber noch ist die Bundesrepublik ein Rechtsstaat, dessen Vorschriften offiziell eben nicht ignoriert und mit Nachdruck von Advokaten verteidigt werden können. Ohnehin dürften sich viele derzeit noch zirkulierende Bedenken gegen die Cannabis-Legalisierung schnell erledigen, wie ein Blick auf die statistischen Daten aus Ländern wie Kanada oder den USA zeigt. Selbstverständlich wird hierzulande die Justiz entlastet, wenn nicht mehr jeder Joint zu verfolgen ist und ein Gutteil der ablehnenden „Argumente“ hat eher mit Sorgen vor Machtverlust zu tun als mit Fakten.
Cannabisbesitz: Strafbare Menge erst ab 60 Gramm
Gegenwärtig drohen bei Hanf im Gepäck bis zu fünf Jahre Knast. Nur als Ersttäter abgestempelte Bürger dürfen lediglich, dass ein Besitz unter die sogenannte „geringe Menge“ fällt. Die schwankt je nach Bundesland stark und hier sorgt künftig das neue CanG für etwas mehr Gerechtigkeit. Bis zu 50 Gramm Cannabis zu Hause und 25 Gramm unterwegs werden erlaubt.
Eine Überschreitung ist erst ab 60 Gramm Besitz als Straftat zu werten und über 50 Gramm lediglich als Ordnungsstrafe. Gemeint sind stets getrocknete Hanfprodukte, wobei jene bald erlaubten drei Pflanzen aus dem Eigenanbau auch mehr Gewicht auf die Waage bringen dürfen. Wer deutlich mehr Gras durch die Gegend trägt, muss mit Geldstrafen oder bis zu drei Jahren Gefängnis rechnen.
Handel mit Hanf: Kriminelle Bande oder private Dealerei?
Ähnlich wie Mördern drohen Liebhabern von Cannabis derzeit noch fette Haftstrafen von bis zu 15 Jahren. Gemessen wird dabei der Wirkstoffgehalt vom berauschenden THC, der bei mehr als 7,5 Gramm Anteil oder ungefähr 50 Gramm getrocknete Grasblüten zu bestrafen ist. Das kommende CanG ändert zwar leider diesen Ansatz nicht direkt beim Gehalt der Cannabinoide, schafft aber wenigstens die bisher immer zwingende Strafverfolgung in solchen Fällen ab. Falls Gerichte trotzdem unbedingt ein Exempel statuieren wollen, wandern Angeklagte maximal fünf Jahre hinter Gitter, können aber dank der kommenden Regeln deutlich mehr auf Berufungen und Revisionen bei höheren Instanzen hoffen.
Verständlicherweise fordern Juristen und Experten eine Anhebung auch vom eigentlichen THC-Wert. Mindestens um das Zehnfache sollten die derzeit angewandten 7,5 Gramm vom Wirkstoff angehoben werden, bevor es zu einer Strafe kommt. Möglicherweise stellt sich dazu bald der mit einer entsprechenden Klage durch Rechtsanwälte befasste Bundesgerichtshof auf die Seite der Bürger im Land und verlangt Nachbesserungen. Schließlich ist gerade der Anteil Cannabinoide seit Jahren ein ständiges Streitthema vor Gericht und wird gerne von listigen Staatsanwälten als ziemlich schwammige, willkürlich verwendete Grundlage für eine Strafverfolgung betrachtet.
Handel kann im Privaten stattfinden, im geringen Rahmen unter Bekannten und durch kleine Fische unter den Dealern, findet aber auch bandenmäßig im großen Stil statt. Hier straft der Gesetzgeber bei Cannabis im Moment noch mit mindestens 5 Jahren Freiheitsentzug und geht hoch auf bis zu 15 Jahre wie bei schweren Formen von Terrorismus, was gleichfalls entschärft wird.
Zwischen 3 Monaten und 5 Jahre sind in Zukunft maximal drin, wobei Fachleute aus der Justiz meinen, dass viele solche Verfahren durch eine schlaue Strategie der Verteidigung mit Bewährung davon kommen könnten. Die Einführung von minderschweren Fällen bei Verdacht auf Handel durch Banden ist zweifellos ein Fortschritt für Betroffene, egal ob es sich dabei nun um die wirkliche Mafia handeln mag oder um arme Rentner auf der Suche nach einem Zusatzeinkommen.
Ungelöste Probleme: CBD, Nutzhanf und Cannabis im Straßenverkehr
Absurderweise könnte weiterhin der Besitz von Grasblüten voller rauschfreiem CBD zur Bestrafung führen, während das psychoaktive THC durch das CanG fairer beurteilt wird! In dem Gesetzestext finden sich nämlich keinerlei Änderungen zum Nutzhanf und ganz folgerichtig kann die erwähnte Staatsanwaltschaft sehr wohl mit ihren Tricksereien bei solchen Verfahren weitermachen. So wird beispielsweise gerne einfach mal angenommen, dass Angeklagte kiloweise Industriehanf konsumieren, besitzen und weitergeben, der theoretisch mehr als die legale Höchstmenge Cannabinoide enthält. Zwar raucht niemand 1000 Joints und so weiter, aber gerade die eigentlich so beliebten Hanfgeschäfte müssen wegen CBD Gras weiter zittern.
Hat da jemand bei der Ampel gepennt oder kommen die dringend nötigen Ergänzungen noch? Ähnlich sieht es aus im Straßenverkehrsrecht. Aktuell führen grotesk niedrige THC-Werte im Organismus bei Nachweisbarkeit am Steuer zu einer ganzen Reihe von Schikanen. Die ansonsten vollkommen unauffälligen Autofahrer werden mit astronomisch hohen Geldbußen überzogen, müssen den Führerschein abgeben und sich teuren, entwürdigenden Untersuchungen durch Ärzte und Psychologen unterziehen, als stünde ansonsten die nächste Massenkarambolage mit zig Unfalltoten durch Cannabis bevor. Forschung und Wissenschaft fordern hier schon lange Veränderungen und mehr Realismus, da sich Cannabinoide eben sehr lange nachweisen lassen – faktisch jedoch nach wenigen Stunden keine nachteiligen Effekte auf die Verkehrssicherheit mehr haben.
Ganz ohne positiven Einfluss auf das Strafrecht ist die anstehende Legalisierung also nicht. Jenseits kommender Entlastungen sollten Anwälte auch jetzt schon wirklich alle Register ziehen, Verfahren verzögern und durch eine kluge Verteidigung ihre Mandanten mit Verweis auf das neue Cannabisgesetz so möglichst vor dem Gefängnis bewahren.