Viele unserer Mandanten, die eine mehr oder weniger professionellere Plantage zu Hause hatten, kommen mit einer Anklage zu uns, in der ihnen nicht nur Anbau, sondern auch Handeltreiben – dealen – vorgeworfen wird. Manchmal ist das nicht von der Hand zu weisen, zum Beispiel, wenn Chat-Verläufe auf dem Handy existieren, in der recht eindeutig Stückzahl und Preis genannt werden. Manchmal existieren solche eindeutigen Beweise aber nicht, sondern nur mehrdeutige Indizien. Für unsere Mandanten stellt sich in solchen Fällen die Frage, ob allein aufgrund einiger Indizien „Handeltreiben mit Betäubungsmitteln“ angenommen werden kann.
Was macht es für einen Unterschied, ob nur Besitz von Marihuana oder Handeltreiben mit Marihuana angenommen wird?
Der Unterschied zwischen bloßem Anbau und Handeltreiben kann für manche Mandanten existenziell sein. Wenn die Menge „normal“ ist, bedeutet ein Anbau einiger Pflanzen einen Strafrahmen zwischen Geldstrafe und 5 Jahren Freiheitsstrafe. Bei einer „geringen Menge“ ist sogar auch eine Einstellung möglich.
Wenn das Gericht aber gewerbsmäßiges Handeltreiben – also beispielsweise bei einem Arbeitslosen – annimmt, ist eine Einstellung in der Regel ausgeschlossen. Nicht nur das, die Mindeststrafe beginnt bei einem Jahr Freiheitsstrafe und reicht bis zu 15 Jahren Gefängnis.
Dabei ist die Menge, um die es geht, vollkommen egal. Bedeutet: Man hat zum Beispiel einige Pflanzen zu Hause. Die Menge beträgt gerade mal 7 Gramm. Nach den Richtlinien in Nordrhein-Westfalen würde das eingestellt werden, wenn es für den Eigenkonsum angebaut wurde. Wenn es aber Indizien gibt, die auf ein gewerbsmäßiges Handeltreiben hindeuten, ist eine Einstellung nicht nur ausgeschlossen. Die Minimalstrafe beginnt darüber hinaus bei mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe. Dazu kommt noch ein Eintrag im Führungszeugnis.
Auch wenn man nicht „gewerbsmäßig“ (also mindestens als nicht ganz unerhebliche Nebengeldquelle), sondern nur „normal“ Handel treibt, bedeutet das eine härtere Strafe. Liest man das Gesetz, erklärt sich das zwar nicht. Denn „einfaches“ Handeltreiben und Besitz haben dieselbe Strafandrohung.
Der Bundesgerichtshof sieht das allerdings anders. Dort ist man der Auffassung, es stelle kein Problem dar, wenn Handeltreiben schwerwiegender als Besitz bestraft wird. Begründet wird das vorwiegend mit der größeren „Verwerflichkeit und Gefährlichkeit des Handeltreibens“. Der bloße Besitz erfolgt häufig nur aus Gründen des Eigenkonsums. Damit gefährdet der Besitzer lediglich seine eigene Gesundheit. Anders sei das beim Handeltreiben, wo Betäubungsmittel an andere weitergereicht werden (sollen) und man obendrein auch noch Geld damit verdient. Dies sehen die Gerichte als verwerflicher an.
Auch wenn das Gesetz es also selbst nicht ausdrücklich regelt, bestrafen Gerichte Handeltreiben regelmäßig härter als den bloßen Besitz.
Ab wann spricht man von „Handeltreiben“?
Eines sollte jeder Grower vorab wissen: Betäubungsmittelstrafrecht hat nicht zwingend etwas mit dem allgemeinen Strafrecht zu tun. Handeltreiben ist nach den Obergerichten mehr oder weniger alles und nichts:
„Jede eigennützige, auf Umsatz gerichtete Tätigkeit, auch wenn diese sich nur als gelegentlich, einmalig oder ausschließlich vermittelnd darstellt.“
Handeltreiben setzt also schon keine bestimmte Tätigkeit voraus, sondern es genügt JEDE auf Umsatz gerichtete Handlung. Hier zeigt sich bereits, dass das Stadium des Handeltreibens sehr früh erreicht ist. Man stelle sich unter anderem folgende Situation vor. Die Indoor-Plantage hat viel mehr als sonst abgeworfen und der Grower überlegt, vielleicht einen Teil zu verkaufen. Noch ist es aber nur eine Idee. Er spricht zwanglos mit einem Bekannten über eine mögliche Abnahmemenge zu einem möglichen Preis. Fix ist dabei noch nichts. Versteht sich ja von selbst, dass das Geschäft nicht von jetzt auf gleich zustande kommt. In der Regel wird zuvor erst einmal „geredet“.
Und bereits dieses gemeinsame „Reden“ stellt schon strafbares Handeltreiben dar, weil es sich dem Inhalt nach um den Austausch von Betäubungsmitteln handelt und Umsatz gemacht werden soll. Ob das Geschäft am Ende zustande kommt, ist völlig egal (z. B. BGH 12.1.2000, 5 StR 587/99 oder 27.7.1999, 5 StR 331/99). Selbst wenn nicht einmal Marihuana vorhanden wäre, sondern man noch vor dem Anbau darüber redet, wäre das egal. Die Rechtsprechung hat für diesen skurrilen Fall – man redet über ein Betäubungsmittelgeschäft, das gar nicht zustande kommen kann – den Begriff „Luftgeschäft“ erfunden. Und klargestellt, dass auch das strafbar ist.
Wie zuvor erwähnt, Betäubungsmittelstrafrecht hat nichts mit allgemeinem Strafrecht zu tun.
Indizien, die für die Polizei und den Richter auf Handeltreiben beim Home-Growing hindeuten
Wie ist die Lage jetzt beim sogenannten Home-Growing? Das Paradebeispiel für ungewünschten Besuch ist oft Cannabisgeruch im Treppenhaus, ein aufmerksamer Nachbar ruft die Polizei, die – dann sogar erlaubt ohne Durchsuchungsbeschluss – daraufhin die Wohnung durchsucht und eine Plantage mit allem Drum und Dran auffindet. Reicht dies bereits für den Nachweis von Handeltreiben aus?
Manchmal schon. Hier gilt fast ausnahmslos die Faustformel: Je größer die Menge, desto eher ist es Handeltreiben. Wer viel Material zu Hause hat, kann das nach Ansicht vieler Gerichte unmöglich nur für den Eigenkonsum haben. Sofern man sich auf eine „überraschend so nicht geplante außergewöhnlich gute“ Ernte beruft, sollte man darauf gefasst sein, dass das durch weitere Fragen abgeklopft wird.
Auch bei kleineren Mengen nimmt die Rechtsprechung Handeltreiben an, wenn weitere Indizien hinzukommen. Das sind etwa das Auffinden von Geldbeträgen in vielen kleinen Scheinen, Feinwaagen oder Verpackungsmaterial. Wenn man sein Zeug also regelmäßig für den täglichen Bedarf draußen in praktische kleine Druckverschlusstüten verpackt und zu Hause noch der 500er-Karton rumsteht, außerdem noch etwas Geld aus ein, zwei kleinen „Nebenjobs“ vorhanden ist und daneben am besten die Waage liegt, weil man sich damals in Zeiten vor dem eigenen Anbau beim Ankauf des Eigenbedarfs nicht übers Ohr hauen lassen wollte, ist man ganz weit vorne bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten, wenn es um Handeltreiben geht. Auch spielt übrigens oft die finanzielle Situation des Beschuldigten eine Rolle. Wer über ein geringes Einkommen verfügt, soll eher ein Motiv haben, sich etwas „nebenher“ zu verdienen.
Alles in allem hat hier immer eine Gesamtwürdigung aller Umstände zu erfolgen. Man sollte sich in der Vorbereitung seiner Verhandlung mit seinem Rechtsanwalt daher Mühe geben und Erklärungen für „verdächtige“ Umstände parat haben, wenn der Richter fragt.
Im Ergebnis ist es wichtig, bei einer Durchsuchung zunächst einen kühlen Kopf zu bewahren und keine unüberlegte Aussage zu machen, die einem später als widersprüchlich ausgelegt wird. Vor allem, wenn es mögliche (missverstandene) Indizien für ein Handeltreiben gibt, muss man sich zeitnah mit einem Fachanwalt für Strafrecht – und nicht dem Hausanwalt, der neben der Mietsache auch den Handyvertrag bearbeitet – zusammensetzen. Wie wir oben gezeigt haben, ist es wichtig zu kämpfen, um den Verdacht des Handeltreibens zu entkräften.