Nicht als erste Nation musste Deutschland realisieren, dass geltendes EU-Recht sowie weitere internationale Konventionen für eine Legalisierung von Cannabis als Genussmittel ein Hindernis sind, dessen Überwindung derzeit kaum möglich ist. Das zumindest vorläufige Lösungswort heißt daher Entkriminalisierung. Die Strafbarkeit des Umgangs mit Cannabis wird damit beendet und zumindest der nicht kommerzielle Umgang damit erlaubt. Will ein Konsument sich unter solchen Rahmenbedingungen legal mit Gras versorgen, kann er das durch den Eigenanbau von ein paar Pflanzen für den persönlichen Bedarf ebenfalls legal tun. Sollten dafür die Mittel, der Wille oder die nötigen Fertigkeiten fehlen, dann kann man Mitglied eines Cannabis Social Clubs (CSC) werden. Hier baut ein Verein gewissermaßen stellvertretend für seine Mitglieder Cannabis an und gibt es im Vereinslokal an diese ab. Dieses Non-Profit-Konzept für die legale Abgabe von Cannabis wurde schon mit Erfolg in anderen Ländern eingeführt, so zum Beispiel in Spanien.
Da der Konsum von Cannabis verständlicherweise nicht beworben werden soll, haben Cannabis Social Clubs sich in ihrer Erscheinung nach außen hin zurückzuhalten. Das wird bei einer Entkriminalisierung in Deutschland so sein, und das ist auch in Spanien so. Auch der CSC La Kalada in Barcelona ist schwer zu finden, denn kein Fenster, kein Schild und kein leuchtendes Hanfblatt kennzeichnen den Cannabis Club als solchen. Durch Betätigung einer unscheinbaren Klingel erhält man Einlass, man weist am Eingang die Mitgliedschaft nach, oder man lässt sich einen Mitgliedsausweis unter Vorlage eines Alters- und Identitätsnachweises neu ausstellen und betritt das Vereinslokal. Die Räumlichkeiten haben einen urbanen Flair mit Graffiti an den Wänden, gemütlichen Sitzgruppen und Tischen sowie zwei Theken. An einer erhält man Getränke und auch den einen oder anderen Snack, am anderen Tresen können sich die Mitglieder des La Kalada Clubs mit Cannabis und dem für den Gebrauch notwendigen Zubehör versorgen. Der Club hat sich mittlerweile schon einen Namen in der Szene gemacht, da einige Strains bei Cups Preise gewonnen haben.
Zusammen mit Freunden hat der Musiker Alessio Mondini (Jahki Revi) im Jahr 2012 La Kalada in Barcelona gegründet. Mondini kommt eigentlich aus Italien, lebt aber schon länger in Barcelona, wo der Umgang mit Cannabis etwas lockerer gehandhabt wird als in seiner Heimat, obwohl Cannabis in Spanien längst nicht umfänglich legalisiert ist. Die Cannabis Social Clubs, von denen es im Land etwa 1.500 geben soll, agieren in einer rechtlichen Grauzone und noch immer geraten sie in Konflikt mit den Behörden. Um dieses spannende Thema der Cannabis Social Clubs zu besprechen, hatten wir uns mit Alessio austauschen können.
Hanf Magazin: Zunächst einmal möchten wir unseren Lesern den Cannabis Social Club La Kalada ein wenig vorstellen. Kannst Du uns ein wenig über die Gründung erzählen? Wie hat sich alles von der Idee bis zur Eröffnung des Clubs entwickelt?
Alessio Mondini: Vor der eigentlichen Eröffnung für die Öffentlichkeit haben wir uns angeschaut, wie sich die Realität in Bezug auf Cannabis um uns herum verändert hat und auch wie die ersten Clubs aussahen, die bereits vor La Kalada eröffnet wurden. Als wir uns bewusst wurden, dass eine neue Ära für Cannabis begann, haben wir den Schritt gewagt.
Hanf Magazin: Eine notwendige Voraussetzung für die Eröffnung eines Cannabisclubs wie La Kalada sind die rechtlichen Rahmenbedingungen. Kannst du dich an deine Reaktion auf die Entkriminalisierung in dem Moment erinnern, als Du davon erfahren hast? Was war das für ein Gefühl?
Alessio Mondini: Leider hatten wir hier in Spanien noch nicht wirklich das Vergnügen, die Entkriminalisierung zu erleben. Gruppen von Cannabiskonsumenten haben sich mithilfe von Anwälten zusammengeschlossen, um einen legalen Weg zu finden, diese Art von Aktivität pseudolegal auszuüben. So wurde vielen von uns klar, dass es an der Zeit war, sich für diese neue Option zu interessieren und unsere Leidenschaft in einem minimal legalen Rahmen zu entfalten, zwar nicht rechtssicher, so doch zumindest nicht übermäßig verfolgt. Vor etwa sechs Jahren erließ die katalanische Regierung ein Gesetz, das es Cannabis Clubs erlaubt, den Anbau, den Transport und den Vertrieb von Marihuana durchzuführen. Wir waren froh, dass wir endlich innerhalb eines gesetzlichen Rahmens arbeiten konnten. Doch leider hat die spanische Regierung das Gesetz nach nur einem Monat aufgrund bestimmter Punkte für verfassungswidrig erklärt.
Hanf Magazin: Die deutsche Regierung will Cannabis bald legalisieren oder zumindest entkriminalisieren, aber der Prozess ist sehr langsam, so langsam, dass die Gemeinschaft bereits das Vertrauen verliert. Ist es für Dein Verständnis normal, dass man noch Monate und Jahre warten muss, bis eine Reform umgesetzt wird?
Alessio Mondini: Ich glaube, dass die Regierungen und Entscheidungsträger, die uns Konsumenten bis in jüngster Vergangenheit für Kriminelle hielten, jetzt langsam verstanden haben. Und ich verstehe auch, dass sie ihre Zeit brauchen, um einen Weg zu finden, der für sie funktioniert. Sobald sie diesen Weg gefunden haben, werden sie schnell die verschiedenen neuen Regeln umsetzen wollen.
Hanf Magazin: Nehmen wir an, in Deutschland wird es eine Entkriminalisierung geben, vielleicht ähnlich wie in Spanien. Welchen Rat würdest Du der deutschen Regierung mit Ihrer Erfahrung geben? Was sollte gleich geregelt werden, was anders?
Alessio Mondini: Ich hoffe, dass die Legalisierung darauf abzielt, den Umgang mit der Pflanze zu normalisieren und die Bevölkerung aufzuklären, einschließlich derjenigen, die gegen die skeptisch gegenüber Cannabis sind und die verschiedenen Vorteile nicht verstehen, die die Pflanze bietet. Sie ist aber auch angebracht für die wirtschaftliche Entwicklung unserer Gesellschaft in all ihren Facetten, und Cannabis bietet Hunderte Möglichkeiten. Schließlich, aber nicht weniger wichtig, ist der Genussmittel-Aspekt, der paradoxerweise die aktuelle Entwicklung von Cannabis überhaupt erst ermöglicht hat, mit illegalen Growern, die nie aufgehört haben, sich über ungerechte Gesetze hinwegzusetzen.
Hanf Magazin: Nun wollen wir auf La Kalada zurückkommen. Wie ist der Anbau und die Produktion von Cannabis für die Clubmitglieder organisiert? Kann jeder kommen und sagen: „Hallo, ich möchte Gras für den Club anbauen?“
Alessio Mondini: Der Anbau von Cannabis, das im Club abgegeben werden soll, erfolgt nach einer vorausgehenden Marktuntersuchung, die darauf abzielt, die Bedürfnisse und tatsächlichen Wünsche der Clubmitglieder zu verstehen. Sobald die richtige Genetik ausgewählt wurde, wird die Produktionsphase von einem Teil des Kalada-Teams geleitet, das mit seiner jahrelangen Erfahrung ein weltweit anerkanntes Niveau erreicht hat. Im Jahr 2019 haben wir mit einem US-amerikanischen Unternehmen zusammengearbeitet (Kalada x Kali Kosher), und unser Team hat drei Wochen in Kalifornien verbracht, um Seite an Seite mit einem der besten Unternehmen in Kalifornien zu arbeiten und Extraktionen durchzuführen. Das Ergebnis (Rosin and Water Hash) wurde an die besten Apotheken in Kalifornien geliefert.
Hanf Magazin: Welche Maßnahmen wendet Ihr an, um die Qualität Ihres Cannabis zu überprüfen und Schadstoffe zu vermeiden?
Alessio Mondini: Alles beginnt mit dem Produktionsprozess, bei dem die Arbeitsumgebung so sauber wie möglich sein muss und alle Werkzeuge bei jedem Gebrauch sterilisiert werden. Die Auswahl der verwendeten Produkte ist sicherlich ein weiterer Faktor, der die Qualität des Endprodukts beeinflusst. Nach der Fertigstellung wird das Produkt von spezialisierten Labors analysiert, um eventuelle Schadstoffe wie Schwermetalle und verschiedene Rückstände aufzuspüren.
Hanf Magazin: Das Innere des La Kalada Clubs ist mit vielen Kunstwerken im Graffiti-Stil gestaltet, auch die Merchandising Kollektion hat diesen Stil. Ist diese Szene die Zielgruppe des Clubs?
Alessio Mondini: Wir alle, die Gründer und Mitarbeiter von La Kalada, haben eine „Underground“-Vergangenheit in dem Sinne, dass wir alle in alternativen linken Milieus wie Hausbesetzungen in den 80er, 90er- oder 2000er-Jahren aufgewachsen sind. In dieser Zeit gab es in Italien und ganz Europa eine große künstlerische und kulturelle Begeisterung, die uns deutlich geprägt hat. Bei La Kalada versuchen wir, diese Erfahrungen, die uns geprägt haben, zusammen mit dem, was uns umgibt, darzustellen, immer in Begleitung von großartiger Musik und gutem Marihuana.
Hanf Magazin: Nun stellen wir uns vor, dass wir die Möglichkeit hätten, Cannabis Social Clubs in Deutschland zu haben. Würdest Du einen Club nach dem Vorbild von La Kalada in Deutschland gründen wollen?
Alessio Mondini: Natürlich ist es der Traum eines jeden, seine Arbeit international zu verbreiten und seine eigene Philosophie und sein Cannabis-Geschäftsmodell in andere Länder zu bringen, in denen dies legal möglich ist. Ein Beispiel ist Thailand, wo wir ein Cannabis-Resort-Projekt auf der Insel Koh Samui entwickeln. Dank der neuen Gesetzgebung waren wir in der Lage, alle notwendigen Lizenzen legal zu erhalten, um das Geschäft, das wir als Marihuana-Konsumenten erfunden haben, offiziell zu betreiben.
Während Deutschland noch immer auf die Entkriminalisierung wartet, bewähren sich Cannabis Social Clubs wie La Kalada auch als Harm Reduction Maßnahme. Die Qualität der Produkte ist besser und sicherer, außerdem fängt ein positiver sozialer Rahmen auch Menschen mit Neigung zu problematischen Konsummustern besser auf. Auch in Thailand ist Cannabis nun legal und sogar der Handel ist erlaubt. Die Gründer von La Kalada haben mittlerweile auf der Insel Koh Samui ihren Cannabis Shop samt Appartements, Bar und Restaurant, das La Kalada Resort, eröffnet.