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Der Markt für Cannabis-Präparate ist aktuell wirtschaftlich sehr vielversprechend. Eine zum Teil positive Medienberichterstattung und neue wissenschaftliche Erkenntnisse sowie teilweise Gesetzesliberalisierungen fördern das Vermarktungsinteresse an entsprechenden Präparaten. Die juristischen Fallstricke sind jedoch nach wie vor hoch. Als Laie sind insbesondere die unterschiedlichen Produktkategorien, wie zulassungspflichtige Arzneimittel, Betäubungsmittel, Nahrungsergänzungsmittel, angereicherte Lebensmittel oder Aromaprodukte schwer auseinanderzuhalten. Dieser Beitrag gibt einen ersten Überblick über Chancen und Risiken und entsprechende juristische Problemfelder.
Zunächst darf es sich bei den Produkten nicht um zulassungspflichtige, pharmakologische Funktionsarzneimittel gemäß § 2 Abs. 1 AMG handeln. Isoliertes Cannabidiol ist als arzneilicher Wirkstoff in der Arzneimittel-Verschreibungspflichtverordnung geführt und wird von den Behörden regelmäßig als zulassungspflichtiges Arzneimittel qualifiziert.
Anders sieht es dagegen bei Produkten aus, die nicht isoliertes Cannabidiol enthalten, sondern bei denen Cannabidiol natürlicher Bestandteil ist, z. B. bei Hanf-Ölen oder Hanf-Extrakten. Für solche Produkte liegt in der Regel kein therapeutischer Wirksamkeitsnachweis in diesen Dosierungen und Konzentrationen vor, was die Einstufung als Funktionsarzneimittel ausschließt.
Von den Überwachungsbehörden wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass allein aufgrund des Gehalts an Cannabidiol von einer pharmakologischen Wirkung auszugehen sei und ein therapeutischer Wirksamkeitsnachweis nicht notwendig ist. Nach der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverwaltungsgerichts bedarf es jedoch des Nachweises einer therapeutischen Eignung für das konkrete Produkt in seiner spezifischen Konzentration und Zusammensetzung.
Darüber hinaus darf das Produkt natürlich nicht wie ein Arzneimittel präsentiert werden, da es sonst unabhängig von seiner objektiv nachweisbaren Wirkung als Präsentationsarzneimittel einzustufen ist.
Weiterhin darf es sich bei den Produkten nicht um Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes handeln. Dies kann vermieden werden, wenn zertifizierter Nutzhanf eingesetzt wird, der THC-Gehalt 0,2 % unterschreitet, das Produkt zu gewerblichen Zwecken vertrieben wird und ein Missbrauch zu Rauschzwecken durch einen entsprechenden Verarbeitungsgrad auszuschließen ist.
Handelt es sich um Produkte, die zum oralen Verzehr bestimmt sind, die keine pharmakologische Wirkung eines Funktionsarzneimittels aufweisen und keine Betäubungsmittel sind, handelt es sich um Lebensmittel. Bei Lebensmitteln ist zu unterscheiden zwischen Lebensmitteln des Alltags und sog. Nahrungsergänzungsmitteln. Nahrungsergänzungsmittel sind gemäß § 1 Abs. 1 NemV Lebensmittel, die die allgemeine Ernährung ergänzen und ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen enthalten, mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung, die in abgemessenen kleinen Mengen, wie Kapseln, Tabletten, Pastillen, Flüssigampullen in den Verkehr gebracht werden. Diese Produkte müssen vor dem ersten Inverkehrbringen gemäß § 5 NemV beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) angezeigt werden.
Für beide Produktkategorien, Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel gilt die sog. Novel-Food-Verordnung 2015/2283/EG. Diese Verordnung bereitet aktuell erhebliche Schwierigkeiten bei der Vermarktung von CBD-haltigen Lebensmitteln.
Das Problem bei sog. neuartigen Lebensmitteln besteht darin, dass sie ohne vorherige Genehmigung nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen. Eine solche Genehmigung ist auf europäischer Ebene einzuholen und bedarf der Zustimmung aller europäischer Mitgliedsstaaten. Sie ist sehr kostenintensiv, da Sicherheitsstudien durchgeführt werden müssen und das Genehmigungsverfahren dürfte mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Ohne Novel-Food-Genehmigung ist ein neuartiges Lebensmittel nicht verkehrsfähig.
Ob Hanf- und CBD-Produkte unter die Novel-Food-Verordnung fallen, ist von den jeweiligen Details abhängig.
Gemäß Art. 3 Abs. 2 der VO 2015/2283/EG sind neuartige Lebensmittel nur die Lebensmittel, die vor dem 15. Mai 1997 unabhängig von den Zeitpunkten der Beitritte von Mitgliedsstaaten zur Union nicht in nennenswertem Umfang in der Union für den menschlichen Verzehr verwendet wurden und in mindestens eine der folgenden Kategorien fallen:
i) Lebensmittel mit neuer oder gezielt veränderter Molekularstruktur, soweit diese Struktur in der Union vor dem 15. Mai 1997 nicht in Lebensmitteln oder als Lebensmittel verwendet wurde,
ii) Lebensmittel, die aus Mikroorganismen, Pilzen oder Algen bestehen oder daraus isoliert oder erzeugt wurden,
iii) Lebensmittel, die aus Materialien mineralischen Ursprungs bestehen oder daraus isoliert oder erzeugt wurden,
iv) Lebensmittel, die aus Pflanzen oder Pflanzenteilen bestehen oder daraus isoliert oder erzeugt wurden, ausgenommen Fälle, in denen das Lebensmittel eine Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel in der Union hat und das Lebensmittel aus einer Pflanze oder einer Sorte derselben Pflanzenart besteht oder daraus isoliert oder erzeugt wurde, die ihrerseits gewonnen wurde mithilfe
— herkömmlicher Vermehrungsverfahren, die vor dem 15. Mai 1997 in der Union zur Lebensmittelerzeugung eingesetzt wurden, oder
— nicht herkömmlicher Vermehrungsverfahren, die vor dem 15. Mai 1997 in der Union nicht zur Lebensmittelerzeugung eingesetzt wurden, sofern diese Verfahren nicht bedeutende Veränderungen der Zusammensetzung oder Struktur des Lebensmittels bewirken, die seinen Nährwert, seine Verstoffwechselung oder seinen Gehalt an unerwünschten Stoffen beeinflussen,
v) Lebensmittel, die aus Tieren oder deren Teilen bestehen oder daraus isoliert oder erzeugt wurden, ausgenommen Tiere, die mithilfe von vor dem 15. Mai 1997 in der Union zur Lebensmittelerzeugung verwendeten herkömmlichen Zuchtverfahren gewonnen wurden, sofern die aus diesen Tieren gewonnenen Lebensmittel eine Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel in der Union haben,
vi) Lebensmittel, die aus von Tieren, Pflanzen, Mikroorganismen, Pilzen oder Algen gewonnenen Zell- oder Gewebekulturen bestehen oder daraus isoliert oder erzeugt wurden,
vii) Lebensmittel, bei deren Herstellung ein vor dem 15. Mai 1997 in der Union für die Herstellung von Lebensmitteln nicht übliches Verfahren angewandt worden ist, das bedeutende Veränderungen der Zusammensetzung oder Struktur eines Lebensmittels bewirkt, die seinen Nährwert, seine Verstoffwechselung oder seinen Gehalt an unerwünschten Stoffen beeinflussen,
viii) Lebensmittel, die aus technisch hergestellten Nanomaterialien im Sinne der Definition unter Buchstabe f dieses Absatzes bestehen,
ix) Vitamine, Mineralstoffe und andere Stoffe, die im Einklang mit der Richtlinie 2002/46/EG, der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 oder der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 verwendet werden, sofern
— ein Herstellungsverfahren, das vor dem 15. Mai 1997 in der Union nicht zur Lebensmittelerzeugung eingesetzt wurde, gemäß Buchstabe a Ziffer vii dieses Absatzes angewandt wurde oder
— sie technisch hergestellte Nanomaterialien im Sinne der Definition unter Buchstabe f dieses Absatzes enthalten oder daraus bestehen,
x) Lebensmittel, die vor dem 15. Mai 1997 in der Union ausschließlich in Nahrungsergänzungsmitteln verwendet wurden, sofern sie in anderen Lebensmitteln als Nahrungsergänzungsmitteln gemäß Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 2002/46/EG verwendet werden sollen.
Ob ein Produkt als neuartiges Lebensmittel einzustufen ist, entscheiden letztlich die lokalen Behörden vor Ort und ggf. nach entsprechender Überprüfung die Gerichte. Als Orientierungshilfe hat die Europäische Kommission einen sog. Novel-Food-Katalog veröffentlicht. Zahlreiche Behörden orientieren sich an diesen Veröffentlichungen der Europäischen Kommission bei der Bewertung von Produkten. Entsprechende Publikationen der Europäischen Kommission sind allerdings nicht rechtlich verbindlich.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Europäische Kommission ihre Veröffentlichungen in Bezug auf Hanf-Extrakte in den jüngsten Monaten gleich mehrfach geändert hat. Grundsätzlich gilt, dass isoliertes Cannabidiol als neuartiges Lebensmittel gilt und daher genehmigungspflichtig ist. Ein entsprechender Novel-Food-Antrag ist aktuell anhängig. Aktuell sind somit isolierte Cannabidiol-Produkte neuartig und ohne Genehmigung als Lebensmittel nicht verkehrsfähig.
Die Pflanze Cannabis sativa wird dagegen von der Europäischen Kommission als nicht neuartig in klassischen Lebensmitteln qualifiziert, dies gilt für Produkte, die aus Cannabis-Samen, Samenöl, Hanfsamengeschmack, entfetteten Hanfsamen hergestellt werden. In Bezug auf CBD-Extrakte vertritt die Europäische Kommission aktuell die Auffassung, dass es sich hierbei ebenfalls um neuartige Lebensmittelzutaten handelt, für die eine Genehmigung vorliegen muss.
Aufgrund der nicht gegebenen rechtlichen Verbindlichkeit steht es natürlich jedem Vertreiber frei, dennoch einen Nachweis darüber erbringen zu können, dass sein Produkt und seine Zutaten bereits vor 15. Mai 1997 in nennenswertem Umfang in der EU als Lebensmittel verwendet wurden, um damit die Novel-Food-Eigenschaft ausschließen zu können.
Darüber hinaus liegen einzelne Stellungnahmen der zuständigen Behörden aus Großbritannien, aber auch der Tschechischen Republik vor, die in Nahrungsergänzungsmitteln entsprechende Extrakte als nicht neuartig qualifiziert haben.
In der Vergangenheit hat die Europäische Kommission ferner darauf abgestellt, dass nur solche CBD-Extrakte verwendet werden dürften, die den Gehalt an CBD gegenüber der natürlichen Cannabis-Sativa-Pflanze nicht unnatürlich angereichert haben.
Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Novel-Food-Verordnung z. B. nicht für Aromastoffe gilt. Liegt somit z. B. ein Aromaextrakt vor, der mit einem herkömmlichen Lebensmittelzubereitungsverfahren für den Verzehr aufbereitet wurde und weist das Produkt vor diesem Hintergrund aromatische Eigenschaften auf, kann also Geschmack oder Geruch positiv beeinflussen, kommt eine Verwendung als Lebensmittelaroma in Betracht. Dann wäre der Anwendungsbereich der Novel-Food-Verordnung nicht gegeben und die Produkte könnten ohne Genehmigung in den Verkehr gebracht werden. Dies ist natürlich dann auch bei der Deklaration entsprechend umzusetzen.
Ebenfalls gilt die Novel-Food-Verordnung nicht für Produkte, die nicht zum oralen Verzehr bestimmt sind, wie Raumluftverbesserer u. ä. Solche Produkte dürfen dann aber auch nicht in der Werbung zum oralen Verzehr angeboten werden und müssen den entsprechenden regulatorischen Vorgaben in Bezug auf die Kennzeichnung entsprechen.
Im Ergebnis gibt es somit in der Regel immer eine Lösung, die naturgemäß sehr von den jeweiligen Details des Einzelfalls abhängt.