Noch immer gibt es sehr viele kranke Menschen, für die Cannabis eine gute Behandlungsoption wäre, die jedoch keinen Zugang zu Medizinalhanf erhalten. Einige Krankheitsbilder, wie zum Beispiel ADHS, wurden auch bereits von Gerichten als Indikation für eine Cannabismedikation abgelehnt, wenn Patienten für eine Kostenübernahme vor Gericht zogen.
Für einiges an Aufmerksamkeit sorgt derzeit ein etwas ungewöhnlicher Fall, der vor dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen verhandelt und negativ für den Patienten entschieden wurde. Der Mann führt sein Leiden auf eine übergroße Hodenprothese zurück.
Nach der Tumorentfernung zu große Prothese eingesetzt bekommen
Der mittlerweile 42 Jahre alte Patient hatte infolge einer Krebserkrankung vor Jahren einen Hoden verloren. Dieser wurde bei einer Operation durch eine Prothese ersetzt, die allem Anschein nach jedoch zu groß sein soll. Gegen die andauernden Schmerzen ließ der Patient sich also irgendwann Cannabis in Form von Blüten verschreiben und beantragte dann die Übernahme der Behandlungskosten durch die Krankenkasse.
Diese lehnte ab und schlug vor, die zu große Hodenprothese gegen eine passende auszutauschen. Den Vorschlag wiederum lehnte der Patient ab, begründet mit der Furcht vor drohender Impotenz. Schließlich stellte er bei Gericht den Antrag auf eine Eilentscheidung über die von der Kasse geforderte Kostenübernahme.
Sind Hodenprothesen als Grund für eine Cannabistherapie ausgeschlossen?
Das Landessozialgericht in Celle entschied am Ende zu Ungunsten des Patienten und gegen den Eilantrag. Da er die Hodenprothese bereits sechs Jahre trage, sei er nicht akut krank, daher bestehe kein Anlass für eine Eilentscheidung, heißt es in der Begründung. Außerdem, so das Gericht, stünden dem Patienten andere Therapieoptionen zu Verfügung, und er habe seine Ablehnung gegenüber dem Austausch der Prothese nur zögerlich begründet.
Es ist schwer einzuschätzen, ob das Leiden des Mannes durch das Gericht grundsätzlich nicht als Grund für eine Cannabistherapie anerkannt werden konnte, oder ob formelle Details wie der Eilantrag und eine zögerliche Ablehnung des Gegenvorschlags der Krankenkasse eine wichtige Rolle bei der Entscheidung gespielt haben können.
Natürlich sind so eine Geschichte, die Erkrankung und die Folgen in ihren Einzelheiten extrem selten. Daher kann man die Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen über die Kostenübernahme bei Rückenschmerzen durch eine zu große Hodenprothese wahrscheinlich kaum jemals als Präzedenzfall herangezogen werden. Dem Patienten aber bleibt nun nur die Wahl zwischen dem eventuell riskanten Austausch der Prothese und einer teuren Behandlung mit Cannabis auf eigene Rechnung.