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Eigentlich sollen wir Bürger innerhalb der freien Welt möglichst viele Freiräume haben. Einzuschränken wären unsere Freiheiten nur dann, wenn wir fremdschädigend wirken, die Rechte anderer missachten oder möglicherweise die Sicherheit wirklich gefährdet ist. Richter Müller erklärt sogar, dass etwas erst dann in das Strafrecht gehört, wenn die Mehrheit der Bevölkerung das für richtig hält. Damit wäre noch offensichtlicher das Cannabisverbot verfassungswidrig, so ist es in seinem Vortrag am neunten Juni auf der Mary Jane Berlin 2018 zu verstehen. Die Mehrheit der Bürger möchte den einfachen Kiffer nicht mehr verfolgen. Die geringe Menge ist jedoch keine legale Menge. Damit wird die Entscheidung vom Verfassungsgericht, dass bei geringen Mengen keine Strafverfolgung stattfinden soll, durch die Politik bislang ignoriert. Es kann von Strafverfolgung abgesehen werden, muss aber nicht.
Wenn sich das Recht aushebelt
Gesetze soll es geben, um das tägliche Leben zu regeln, um die Bürger zu schützen, aber so, dass möglichst wenig ihrer Freiheiten beschnitten werden. Jugendrichter Andreas Müller hat in seiner Tätigkeit bereits beim Verfassungsgericht angerufen. Wenn in seinen Augen das Cannabisverbot verfassungswidrig ist, dann ist das sogar seine Pflicht. Wenn er Gesetzte anwenden muss, die er nicht für verfassungskonform hält, muss er beim obersten Verfassungsgericht anrufen und dieses prüfen lassen. In seinem Vortrag erklärt er, dass er im Jahr 2002 der letzte Richter sei, der wegen Cannabis beim obersten Verfassungsgericht anrief.
Ob das Cannabisverbot verfassungswidrig sei, wurde eher schleppend mit einer ungewöhnlich langen Antwort geprüft. Diese besagt, dass es verfassungskonform ist, Bürger für Cannabisdelikte zu belangen. Dennoch muss Andreas Müller sich nicht verstecken. Medial trat er einiges los und selbst die geringe Menge wurde in Brandenburg auf sechs Gramm festgesetzt sowie in Berlin erhöht. Das Thema wurde dann aber doch massiv durch den Spiegel abgebügelt, der ein siebenjähriges kiffendes Mädchen auf dem Cover hatte. Das überzogene Spiel mit der Angst um unsere Kinder hat die Diskussion gekippt und schon war das Cannabisverbot in seiner „Richtigkeit“ begründet.
Cannabisverbot verfassungswidrig, oder nicht?
Ob das Cannabisverbot verfassungswidrig ist, kommt wie so oft auf den Blickwinkel an. Die Gesellschaft darf sich immerhin gegen schädigende Einflüsse schützen. Im dritten Reich kamen Homosexuelle ins KZ, in der jungen BRD kamen sie in den Knast, später vielleicht auch in Therapie. Homophobe Personen werden das gewiss für gut und richtig erklären, da der deutsche Volkskörper sonst durch Homosexualität zersetzt wird.
Aber solange man alles mit sich selbst oder miteinander auslebt, wo ist dann der Geschädigte? So ähnlich ist es beim Cannabiskonsum. Hier könnte man noch argumentieren, dass es schädlich ist und damit den Krankenkassen und deswegen der Gesellschaft auf der Tasche liegt. Der ein oder andere nimmt vielleicht wirklich Schaden durch seinen Cannabiskonsum. Mit jedem, der dadurch profitiert, müsste man sich jedoch in den gesellschaftlichen Gewinn rechnen.
Beim Alkohol oder Tabak ist das hingegen anders. Wir sollen weniger davon konsumieren, es gehört aber zu unserem Gesellschaftsbild dazu. Dabei stammt der Tabak sogar aus der Neuen Welt und ist genau wie Bananen, Tomaten und Kartoffeln kulturfremd, wohingegen der Hanf seit Langem heimisch war.
Beim Alkohol und Tabak kommen die wenigsten auf die Idee, es zu verbieten, obwohl die Gesellschaft für die Folgeschäden offensichtlich in die Tasche greifen muss. Man könnte aber noch weiter ausholen. Motorradfahren ist gefährlich. Motorradfahrer erklären, dass in den meisten Fällen jemand anderes einen Unfall verursacht, dennoch zieht der Motorradfahrer den Kürzeren. Auch hier wird die Gesellschaft in die Tasche greifen. Selbst einige Sportarten, Lebensmittel oder Lebensweisen können über die Krankenkassen ziemlich teuer sein. Wenn der Cannabiskonsum der Gesellschaft Schaden zufügt, da einige gesundheitlichen Schaden nehmen, dann wäre auch all das zu verbieten. Warum nicht einfach Cannabis regulieren und wie beim Alkohol, Tabak und Motorradfahren Altersbeschränkungen einführen und kontrollieren?
Selbst wenn selbstschädigendes Verhalten letztlich der Gesellschaft direkt oder indirekt auf der Tasche liegt, so muss eine Gesellschaft das bis zu einem gewissen Grad mitmachen, da freiheitseinschränkende Maßnahmen einen noch größeren Schaden am freien Bürger innerhalb unserer freien Welt darstellen würden.
Die Feinheiten der Justiz
„Wer vor Gericht besser lügt, der gewinnt“, so jemand, der schon vor Gericht stand. Natürlich soll man vor Gericht und auch ansonsten nicht lügen. Es liegt aber doch etwas Wahrheit in dieser Aussage. Die Kunst lautet, sich geschickt zu verhalten, um zu seinem Recht zu kommen. Es könnten zwei identische Fälle an zwei verschiedenen Gerichten mit einem Freispruch und einer harten Strafe ausgehen. Der eine hat sich geschickter angestellt und hatte auch Glück mit seinem Anwalt, Richter und den Schöffen. Der andere hätte sich genauso geschickt anstellen können, er hätte dennoch auf Granit gebissen. Es ist immer auch etwas Glück dabei, wie ein Prozess ausgeht, da die Justiz einen Ermessensspielraum hat. Selbst wenn eine Straftat fest steht, so kann noch immer die Minimal- oder Maximalstrafe ausgesprochen werden.
Auch wenn seit eh und je das Cannabisverbot verfassungswidrig ist, wenn dieser ganze War on Drugs nur ein geschickt getarntes Verbrechen an der Menschheit ist, so hilft einem das wenig, wenn das Gegenüber am längeren Hebel sitzt und prinzipiell nicht will.