Auch wenn unsere deutsche Bundesregierung den Legalisierungsprozess stark in die Länge zieht und wir uns nicht mehr auf inhaltlichen oder gar zeitliche Prognosen einlassen mögen, so hoffen wir doch auf die Umsetzung einer progressiven Reform der Cannabis-Gesetzgebung im Jahr 2024.
Fest steht, dass es vorläufig noch keine richtige Cannabislegalisierung mit reguliertem Handel geben wird, sondern eine abgeschwächte Entkriminalisierung, ohne legalen Verkauf und mit immerhin vorgesehenen Möglichkeiten zum Eigenanbau. Vielleicht ist es auch gar nicht so schlecht, dass der legale Umgang mit Cannabis zunächst einmal unkommerziell beginnt. Mit dem Anbau zu Hause und der Mitgliedschaft in einem Cannabis Club kommen wir erst einmal der Pflanze an sich näher, nicht als Produkt, sondern als natürliches Gewächs.
Weiterhin wirft das erwartete Gesetz und seine Umsetzung viele Fragen auf. Zum einen beherbergt der Entwurf einige schwache Passagen in der Logik, wie die maximal erlaubte Besitzmenge von 50 Gramm, die man bei Eigenanbau von drei Pflanzen kaum einhalten kann. Ferner gibt es einige Detailregelungen, die viel zu stark bürokratisiert sind und die nur mit großem Aufwand kontrolliert werden können. Doch abgesehen von diesen und anderen Kritikpunkten fragen wir uns vor allem, wie das Leben als Konsument nach der Gesetzesreform aussehen wird. Welche Auswirkungen wird es auf die Community haben? Welche auf die Branche, die Wirtschaft allgemein, oder auf die ganze Gesellschaft?
Wirtschaftliche Folgen der Entkriminalisierung
Von einer umfassenden Regulierung von Cannabis mit legalem Handel in lizenzierten Fachgeschäften wurden einerseits einige Ersparnisse im Bereich der Justiz und Strafverfolgung erwartet, andererseits auch hohe Steuereinnahmen, ein wenig wirtschaftlichen Aufschwung und auch Arbeitsplätze durch die neue legale Branche. Wie aber verhält es sich mit dem aktuellen Konzept des CanG Entwurfs? Klar ist, dass diese Liberalisierungsvariante keine großen Einnahmen für die Staatskasse bedeuten wird, da die Steuereinnahmen wegfallen, wenn nur privat oder im Verein ohne Profit angebaut werden wird.
Ob im Hinblick auf Strafverfolgung mehr oder weniger Geld eingespart werden kann, wird zu einem großen Teil vom Umgang der Landesbehörden mit den neuen gesetzlichen Gegebenheiten abhängen. Kaum jemand geht davon aus, dass sich die Polizei in Berlin auf die akribische Kontrolle von Cannabis Anbau-Clubs stürzen wird, da diese wohl gern ihre Ressourcen wichtigeren Problemen zukommen lassen würde. In Bayern oder Baden-Württemberg hingegen könnte das schon ganz anders aussehen. Unlängst kündigt die CSU an, dort mit Sonderkommissionen und einem straffen Regelwerk aufzufahren, was es streng zu kontrollieren gilt. So werden großzügige Einsparungen an dieser Stelle natürlich nicht realistisch sein.
Dennoch könnte auch die von der Ampel-Regierung angedachte Entkriminalisierung einen kleinen positiven ökonomischen Impuls setzen. In erster Linie freuen sich vielleicht die Hersteller, Vertriebe und Händler von Anbau-Ausrüstung und Pflanzenbedarf. Grow Equipment, Nutrition und alles, was dazu gehört, wird wohl jetzt schon langsam verstärkt gekauft werden. Samen und Stecklinge soll es in den Anbau-Clubs geben. Ob also in diesem Bereich legal Geld zu verdienen sein wird, ist daher eher zu bezweifeln.
Wenn nun tatsächlich Hunderte oder Tausende von neuen Vereinen entstehen, so ist dadurch wirtschaftlich ein gewisser Vorteil zu erwarten. Für die Vereinstreibenden bedeutet das Einnahmen durch Beiträge und Spenden, die dann auch wieder an verschiedenen Stellen ausgegeben werden wollen, sei es durch den Anbau, die Abgabestelle, Veranstaltungen des Vereins oder dergleichen mehr.
Was wird aus Aktivisten und Cannabis YouTubern?
Manch einer mag sie noch haben, die utopische Vorstellung, dass wir eine Legalisierung vonseiten der Regierung weitestgehend als Geschenk erhalten werden und dann einfach alles gut sein wird. Dann könnte man den Hanfverband auflösen und die in der Öffentlichkeit engagierten Aktivisten, wie Der Micha von Exzessiv, Mario von C.I.A. TV, Vince and Weed oder Hightere Gedanken wären mit einem Schlag ohne Aufgabe und Lebenssinn.
Aus mehreren Gründen ist diese Idee mehr als utopisch, nicht zuletzt, weil die eben genannten Influencer neben politischem Aktivismus auch andere Qualitäten haben. Ihr Content beinhaltet sehr vielfältige Themen rund um die Cannabispflanze, wie Tipps zum Anbau, Produkttests und vor allem auch Aufklärung. Mit einer Entkriminalisierung endet vielleicht die übermäßige Verfolgung von Cannabiskonsumenten, jedoch nicht ihre Stigmatisierung. Diese kann nur beendet werden, wenn die Gesellschaft umfassend über die Pflanze, ihre Eigenschaften, den Konsum und die damit verbundenen Chancen und Risiken informiert ist. Tatsächlich wird die Legalität von Cannabis die Tür öffnen für ganz neue Inhalte, die man als Content Creator erzeugen kann. Viele freuen sich wohl bereits über ausgiebigen Austausch über Strains, Anbau und das Vereinsleben.
Die Eindämmung des Schwarzmarkts
Leider müssen wir davon ausgehen, dass eine Entkriminalisierung von Cannabis als Genussmittel mit seinen Möglichkeiten zum Eigenanbau oder zum gemeinschaftlichen Anbau in Vereinen nicht die gleiche Auswirkung auf den Schwarzmarkt haben wird, wie eine richtige Legalisierung mit reguliertem Handel. Der Knackpunkt liegt hier in der Zielgruppe der Reform. Eine Legalisierung mit legalem Verkauf richtet sich an alle, die sich für den Konsum von Cannabis begeistern können. Die Entkriminalisierung, wie sie aktuell geschmiedet wird, tut dies nicht. Jemand, der in einer häufigen Frequenz Cannabis konsumiert, wird gern wahlweise einem Club beitreten oder seine eigenen Pflanzen züchten.
Wer aber nur ungefähr einmal im Monat konsumieren möchte oder noch seltener oder ganz unregelmäßig, für den ist das Zahlen eines fixen Mitgliedsbeitrags nicht unbedingt lohnend. Auch der Eigenanbau ist für so jemanden nicht unbedingt realistisch. Der Schwarzmarkt kann also nur in einem sehr geringen Maß durch die gegenwärtige Reform zurückgedrängt werden. Die etwas in den Hintergrund gerückte Säule zwei der Legalisierung in Deutschland kann dann vielleicht in den nächsten Jahren die Brücke schlagen zum legalen Handel, der dem Schwarzmarkt den Geldhahn zudrehen könnte.
Verbesserte Prävention durch Anbau Clubs?
Gleich mehrere große Ziele verfolgen die Regierungsparteien mit der Legalisierung von Cannabis: die Bekämpfung des Schwarzmarkts, verbesserter Gesundheits- und Jugendschutz, Ressourcen schonen in der Strafverfolgung, verbesserte Prävention, Konsumkompetenz und Harm Reduction durch Qualitätskontrolle.
Prävention ist ein Aspekt, bei dem das Cannabis Club Konzept eigentlich sogar einige Vorteile gegenüber dem Handel in Fachgeschäften hat. Eine Vereinsmitgliedschaft ist eine festere, engere Bindung. Ein Mitglied geht über einen längeren Zeitraum regelmäßig zur Abgabestelle und bezieht dort Cannabis. Problematisches Konsumverhalten oder andere Schwierigkeiten könnten anderen Mitgliedern mit höherer Wahrscheinlichkeit auffallen, sodass auch eher Hilfe angeboten werden kann. Im sozialen Gefüge eines Clubs ist auch die Schwelle niedriger, für das einzelne Mitglied, von sich aus Hilfe zu suchen.
Leider hat dies alles eine Voraussetzung, die im CanG Entwurf nicht vorgesehen ist: Die deutschen Anbau-Vereinigungen werden keine Social Clubs sein. Der Konsum wird nicht gestattet sein und so wird es wohl kaum diese lebendige Clubkultur geben, in der die Mitglieder gesellig beieinander sitzen und konsumieren. Man wird sein Cannabis abholen, oder Samen und Stecklinge einkaufen, und dann damit nach Hause gehen. Die Chance, dass man gegenseitig Anteil am Leben der anderen Mitglieder hat, sinkt damit enorm. Man wird nicht mitbekommen, wenn es einem anderen schlecht geht, oder wenn jemand zu viel konsumiert, sein Leben vernachlässigt und seine alltäglichen Herausforderungen nicht mehr bewältigen kann. Viele Clubmitglieder werden sich fremd bleiben und damit wird die Schwelle für die Inanspruchnahme von Hilfe sehr hoch sein.
Der Arbeit ist noch nicht getan
Ja, der DHV wird wohl noch lange nicht erwerbslos werden und auch alle anderen Aktivisten und Interessengemeinschaften haben allen Grund, ihr Engagement aufrechtzuerhalten. In manchen Punkten fängt die Öffentlichkeitsarbeit mit der Entkriminalisierung sogar erst an. Bei vielen skeptischen Menschen könnte die Tür dann einen Spalt offenstehen für Argumente und Aufklärung. Wer dann informativen Content erzeugt und verbreitet, kann einen wertvollen Beitrag für die breite Akzeptanz leisten. Und diese benötigen wir dringend, denn sie ist eine wichtige Voraussetzung für die Unterstützung von Forschung und Entwicklung auch im Bereich Medizinalcannabis. Sind die Vorurteile erst weg, wird die Bereitschaft steigen, wissenschaftliche Studien finanziell zu fördern oder aktiv zu betreiben.
Schließlich werden sich tapfere Aktivisten weiterhin dafür einsetzen müssen, dass der politische, rechtliche und gesellschaftliche Umgang mit Cannabis fair wird. Das CanG im aktuellen Zustand wird die Situation verbessern, aber von einer echten Legalisierung sind wir noch weit entfernt.
Wie viel Energie für die Sache steckt nach der Umsetzung der Säule eins des Cannabisgesetzes noch in den Aktivisten, die die Legalisierungsbewegung über die Jahre angeführt haben? Haben die über Jahre hinweg zu geringen Teilnehmerzahlen bei Demos und das mangelnde Engagement von vier Millionen Konsumenten ihre Spuren hinterlassen und ist die Streitlust dem Frust gewichen? Wahrscheinlich werden auch einige neue Enthusiasten ihren Weg als Aufklärer in den verschiedenen Bereichen rund um Cannabis beginnen, wenn die Legalität die Angst vor Konsequenzen schwinden lässt.
Spannende Zeiten stehen vor der Tür, insofern die Regierungskoalition das CanG final verabschieden und alsbald umsetzen wird. Die Arbeit ist auf jeden Fall noch nicht getan, egal, wie der Reformprozess nun weiter ablaufen wird.