Mit dem Inkrafttreten des „Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz — CanG)“ erhielten in Deutschland circa 4,5 Millionen Menschen ein Stück Freiheit zurück. Wer einzig gewisse Mengen Cannabis für den Eigengebrauch besitzt oder eine Anzahl von nur drei Pflanzen in der eigenen Wohnung wachsen lässt, muss sich nicht länger fürchten, Ärger mit der Polizei zu bekommen. Dinge, die noch vor dem 1. April 2024 geahndet wurden und teils sogar zu Haftstrafen führen konnten, sind nun legal.
Das führt unter anderem auch dazu, dass bereits verurteilte Cannabisnutzer das Recht erhalten haben, ihre Geschichte neu beurteilt zu bekommen. Im Idealfall führt das sogar dazu, dass in Gefängnissen sitzende Personen jetzt wieder freigelassen werden müssen, da ihr Vergehen nicht länger als Straftat gewertet werden kann. Während sich Beamte in der Justiz zwar über die Mehrarbeit beschweren, die durch eine erneute Sichtung der genauen Tatbestände entsteht, so darf nicht vergessen werden, dass fortan wesentlich weniger derartiger Fälle auf den Schreibtischen der Gerichte landen werden und man sich auf lange Sicht viel Aufwand spart.
Dazu kommt auch der gewonnene Gerechtigkeitsfaktor, der speziell bei friedliebenden Cannabiskonsumenten in der Vergangenheit viel zu kurz kam. Wenn Menschen einzig wegen BtM-Verstößen in den Knast wandern mussten, jetzt aber nicht länger zu Unrecht in den Gefängnissen ihre aufgebrummten Strafen absitzen müssen, sollte dies den einst dafür sorgenden Personen nur vernünftig vorkommen, die rechtlichen Schräglage möglichst schnell zu beseitigen. Während dieses Prozedere in anderen Gefilden der Welt bei ähnlichen Bedingungen schon in wirklich großem Maße stattfand, wurden in Deutschland erst wenige Menschen aus den Strafanstalten entlassen, die nach dem heute gültigen Cannabisgesetz nichts Falsches mehr getan haben.
Selbst ein Präsident Biden erkennt den Sinn
In den USA, wo bereits in über 24 Bundesstaaten Cannabis zu Genusszwecken erwachsener Bewohner freigegeben worden ist, hat die Legalisierung dafür gesorgt, dass in den vergangenen fünf Jahren über 23 Millionen Personen begnadigt wurden. Selbst der Präsident der Vereinigten Staaten, Joe Biden, forderte schon im Jahr 2022 bundesweite Begnadigungen von Menschen, die einzig wegen Cannabiskonsums oder Marihuanabesitzes inhaftiert worden waren. Niemand solle im Gefängnis sitzen, nur weil er Cannabis konsumierte oder besessen habe, so Biden im Oktober des genannten Jahres.
Ähnliche Vorstellungen über geltendes Recht hatte man sogar auch in Thailand, wo ebenfalls nach der Legalisierung von Cannabis im Jahr 2022 geschätzt mehr als 4000 Häftlinge entlassen wurden und jegliche Strafverfahren im Zusammenhang mit Cannabis gestoppt und nicht länger weiter verfolgt werden sollten. In Deutschland, wo schon seit der Wahl der aktuellen Regierung bekannt war, dass die Prohibition nicht länger als sinnvoll erachtet wird und eine Überarbeitung der Gesetzeslage angestrebt werde, beklagt man sich nach der Umsetzung des Vorhabens über damit einhergehenden Umstände aufseiten der Justiz und Strafverfolgungsbehörden.
Die Polizei würde nicht wissen, wie die neuen Regeln tatsächlich umgesetzt werden könnten, die Justizbehörden klagen, dass man alte und eigentlich abgeschlossene Fälle jetzt erneut zu überprüfen habe. Da die Mühlen hierzulande wohl besonders langsam mahlen, wurden aus diesem Grund bislang auch nur vereinzelt Menschen aus den Gefängnissen entlassene, da nach der neuen Rechtslage keinen Grund mehr für eine Bestrafung vorhanden ist.
Freiheit für Kiffer
In Berlin-Brandenburg heißt es, dass circa zehn bis 15 Prozent der abgeschlossenen Fälle, die mit geringem Besitz oder dem Anbau von bis zu drei Cannabispflanzen in Verbindung stehen, nicht länger als strafbar angesehen werden können. Es wird behauptet, dass die Justizbehörden daher gleich mehrere Tausend Gerichtsurteile erneut zu überprüfen haben. Hier könnte ein Teil des genannten Prozentsatzes eine Neufestsetzung der Strafe oder ein Straferlass erfahren, sodass einige Inhaftierte wieder aus den Gefängnissen entlassen werden müssen. Allein in Berlin wären es nach RBB-Informationen etwa 6.000 Verfahren, die erneut aufgerollt gehören.
Bis zum 28. März seien 3.200 Verfahren diesem Prozess unterzogen worden, was dazu geführt habe, dass bislang aber nur eine einzige Person zurück auf freien Fuß gesetzt werden konnte. Ein Sprecher des brandenburgischen Justizministeriums teilte dem Sender hingegen mit, dass insgesamt 4.000 Urteile einer neuen Prüfung unterzogen werden müssten. Aktuell habe man damit begonnen, in diesem Zusammenhang stehende Haftstrafen erneut unter die Lupe zu nehmen, was vier Personen die Freiheit schenkte. Auch in Mainfranken profitierten ehemalige „Straftäter“ von der neuen Situation. Laut BR.de seien zwei Personen in Würzburg freigelassen worden, während im Raum Schweinfurt mehrere Menschen erst gar nicht ihre jetzt doch zu Unrecht verhängten Strafen antreten mussten.
Bemängelter Arbeitsaufwand wird kritisiert
Während die arbeitende Schicht in den Justizbehörden sich über die anfallenden Überprüfungen beschwert und selbst Oberstaatsanwälte davon sprechen, dass die Teillegalisierung zu einem immensen Mehraufwand führen würde, wird auch diese Wahrnehmung von anderen Seiten mit gewisser Berechtigung kritisiert. So kontert die Neue Richtervereinigung beispielsweise, dass der Justizapparat von der neuen Gesetzeslage nicht „überrumpelt“ worden wäre, da der Bundesrat sich schon seit vergangenem September mit dem Gesetzentwurf beschäftigt habe und man daher also eigentlich wissen musste, was einen erwartet.
„Es wäre also möglich – und geboten gewesen, Vorkehrungen für den Gesetzeserlass zu treffen“ wird die Vereinigung zitiert. Auch der Soziologe Dr. Bernd Werse von der Goethe-Universität Frankfurt minimiert die Klagen der Justiz aufgrund der tatsächlich notwendigen Herangehensweise. Er weist darauf hin, dass die Amnestie in erste Linie auf Leute abziele, die aktuell wegen eines Cannabisdeliktes in Gefängnissen säßen, das jetzt nicht mehr strafbar sei. Nur in Einzelfällen wäre eine Entlassung aus der Haft laut den Staatsanwaltschaften geboten. Für alle anderen Personen, die die Amnestieregelung beträfe, hätte man deutlich mehr Zeit zur Bearbeitung.
Die Justiz würde sich auch nicht strafbar machen, wenn sie nicht sofort Geldstrafen storniere oder zurückzahlen würde. Es klingt daher in den Ohren der Legalisierungsbefürworter gleich doppelt so merkwürdig, wenn man sich in den Justizbehörden jetzt über die wichtige Aufarbeitung eines durchgesetzten (Un)Rechts beklagt, das schon vor Monaten nicht zwanghaft länger Gehalt hätte haben müssen. Oder, dass man verspätet begonnene Sichtungen von Strafverfahren als schlimmes Übel wahrnimmt, anstatt sich über die Rückkehr von „fälschlicherweise“ Gefangengenommenen in ihre Freiheit zu erfreuen.
Dass der Staat mit jedem Entlassenen dazu auch noch bare Münze spart, wird in dem ganzen Kontext ebenso vergessen. Laut FragdenStaat.de belaufen sich die Kosten pro Inhaftiertem auf 3281,40 € pro Monat – vom Steuerzahler finanziert. Das CanG ist also wirklich etwas Gutes!