Die Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bei einer geringen Menge Cannabis nach § 31 a BtMG – Grundlagen und Unterschiede in den einzelnen Bundesländern in Deutschland und in Österreich.
Häufig höre ich von Mandanten Worte wie “Man hat mich mit 4 Gramm Gras erwischt. Das ist doch als geringe Menge erlaubt“.
Nein! Es ist ein Gerücht aus einem Missverständnis heraus, dass der Besitz einer geringen Menge Cannabis legal sei. Dieses Gerücht wird durch die Praxis mancher Polizeibeamte genährt, die beim Auffinden einer geringen Menge Cannabis erst gar kein Ermittlungsverfahren einleiten.
Der Besitz von Cannabis ist in jedem Fall strafbar! Die Frage ist nur, ob die Staatsanwaltschaft das von ihr zwangsläufig eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren einstellt. Dies hängt einerseits von dem Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 31 a BtMG ab, andererseits von den jeweiligen Ausführungsrichtlinien zur Anwendung des § 31 a BtMG des Bundeslands, in dem die Tat begangen wurde.
Nach § 31 a BtMG kann bei bloßen Konsumenten von Betäubungsmitteln in geringen Mengen eingestellt werden, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre, kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht und der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge erwirbt, anbaut, einführt usw. Alle vorgenannten Tatbestandsmerkmale müssen erfüllt sein, damit eine Einstellung überhaupt in Betracht kommen kann. Das beschlagnahmte Betäubungsmittel wird gleichwohl eingezogen, also nicht wieder ausgehändigt.
Auch bei wiederholter Tatbegehung zum gelegentlichen Eigenverbrauch geringer Mengen ist die Anwendung des § 31 a BtMG für Gelegenheitskonsumenten nicht ausgeschlossen, hierbei dürfen die Cannabismengen der Einzeltaten nicht zusammengerechnet werden.
Die Staatsanwaltschaften der einzelnen Länder behandeln den Gelegenheitskonsumenten unterschiedlich. Während beispielsweise in Berlin ein Aufgreifen mit einer geringen Menge wenigstens 6 Monate zurückliegen muss, verlangt Bayern einen Mindestzeitraum von 12 Monaten. Wird ein Konsument danach erneut mit einer geringen Menge Cannabis aufgegriffen, kann § 31 a BtMG nur Anwendung finden, wenn zwischen der fraglichen und der davor liegenden Tat ein deutlich größerer Zeitunterschied liegt oder besondere Umstände wie eine Betäubungsmittelabhängigkeit hinzutreten.
Ein öffentliches Interesse an Strafverfolgung richtet sich nach der Bewertung des Einzelfalls.
Regelmäßig bejaht wird dieses Merkmal, wenn die Tat eine Fremdgefährdung verursacht, insbesondere der Konsum eine Verführungswirkung auf Kinder oder Jugendliche z. B. bei Konsum in Schulen, Kindergärten, Jugendheimen, Spielplätzen hat, wenn der Konsum in der Öffentlichkeit in prahlerischer Weise zur Schau gestellt wird wie bei der Hanfparade oder der Konsum in Kasernen, Krankenhäusern, JVAs, Diskotheken oder ähnlichen Einrichtungen erfolgt. Ein Absehen von der Strafverfolgung kommt auch nicht in Betracht, wenn bei dem Cannabiskonsum nachteilige Auswirkungen auf die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs zu befürchten sind. Die geringe Schuld wird verneint bei Wiederholungstätern innerhalb eines kurzen Zeitraums. Andererseits kann eine Cannabisabhängigkeit eine geringe Schuld begründen oder zumindest in der Gesamtschau begründen.
Die Menge an Cannabis, die noch als “Geringe Menge“ angesehen wird, haben die einzelnen Bundesländer unterschiedlich geregelt.
Hierbei wird nicht zwischen Gras und Haschisch unterschieden, Haschöl ist aufgrund seines deutlich höheren THC-Gehalts indes ausgenommen. Ausgegangen wird bei der Mengenbestimmung häufig von Cannabis mit einem mittleren Wirkstoffgehalt. Dieser wird bei ca. 6 % THC vermutet. Bei höherer THC-Konzentration kann daher von den jeweiligen Höchstmengen abgewichen werden. In der Praxis stellt es jedoch die Ausnahme dar, dass die Ermittlungsbehörden den Wirkstoffgehalt von Cannabis bestimmen lassen, soweit es vom Gewicht her der vom jeweiligen Bundesland definierten “Geringen Menge“ entspricht. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die einzelnen Bundesländer zwischen Regeleinstellungen und “Kann-Einstellungen“ unterscheiden. Eine Regeleinstellung heißt, dass das Verfahren bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen eingestellt werden soll. Eine “Kann-Einstellung“ besagt lediglich, dass die Staatsanwaltschaft unter Abwägung der Einzelumstände das Verfahren einstellen kann.
Bundesland | Bestimmung |
BW | Bis zu drei Konsumeinheiten Regeleinstellung, d.h. ca. 6 Gramm Cannabis/Haschisch |
Bayern | Einzelfallprüfung, wobei drei Konsumeinheiten Haschisch oder Marihuana zu je zwei Gramm, also insgesamt ca. 6 Gramm, als geringe Menge im Sinne des § 31 a BtMG angesehen werden. Nur bei Gelegenheitskonsumenten wird § 31 a BtMG in Bayern auf Wiederholungstäter angewandt. Als Gelegenheitskonsumenten werden in der Regel solche Täter angesehen, die im letzten Jahr vor der Feststellung der Tat nicht auffällig geworden sind. |
Berlin | Bezieht sich die Tat auf den Umgang mit Cannabisharz oder Marihuana zum gelegentlichen Eigengebrauch in einer Bruttomenge von nicht mehr als 10 Gramm, so ist das Ermittlungsverfahren grundsätzlich einzustellen. Die Staatsanwaltschaft kann einstellen bei einer Bruttomenge von nicht mehr als 15 Gramm zum gelegentlichen Eigenverbrauch, sofern hinsichtlich des Wirkstoffgehalts von einer geringen Menge ausgegangen werden kann und die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben sind. Achtung! Eine Ausnahme hiervon gilt seit dem 31.03.2015: Wenn eine Grün- und Erholungsanlage durch Drogenhandel bzw. damit zusammenhängende Straftaten erheblich beeinträchtigt ist, werden dort Besitz, Erwerb und Konsum von Cannabisprodukten auch dann strafrechtlich verfolgt, wenn die sichergestellte Menge unterhalb der als Eigenbedarfsgrenze definierten zehn Gramm liegt. Wann eine Grünanlage als besonders beeinträchtigt gilt, obliegt der gemeinsamen Einschätzung von Polizeipräsident und Generalstaatsanwalt. Diese Einschätzung erfasst vorerst nur den Görlitzer Park und unmittelbar angrenzende Straßen. |
Brandenb. | Regeleinstellung bis 6 Gramm. |
Bremen | Regeleinstellung bei nicht mehr als etwa 6 bis 8 Gramm ( über 8 bis 10 Gramm “Kann-Einstellung“) |
Hamburg | Regeleinstellung bis 6 Gramm |
Hessen | Regeleinstellung bis 6 Gramm (über 6 bis 15 Gramm “Kann-Einstellung“). |
Meckl. Vorp. | Einzelfallentscheidung, bei besonders gelagerten Einzelfällen keine Verfolgung bei < als 5 Gramm |
Nieders. | Regeleinstellung bis 6 Gramm (über 6 bis 15 Gramm ”Kann-Einstellung”). Soweit keine Fremdgefährdung vorliegt, wird bei ausschließlichem Eigenverbrauch von Cannabis bis zu 6 Gramm auch im ersten Wiederholungsfall bei nicht BtM-Abhängigen eingestellt. Bei größerem Tatzwischenraum auch Einstellung in weiteren Wiederholungsfällen. Bei BtM-Abhängigen kommt eine Einstellung auch in Betracht, wenn bereits mehrere Verurteilungen wegen Verstößen gegen das BtMG vorliegen oder die Tat während einer Bewährungszeit begangen wurde. |
NRW | Regeleinstellung bis 10 Gramm bei durchschnittlichem Reinheitsgehalt (6 % THC). Diese Mengen werden aber lediglich als Richtwert angesehen. Liegen Anhaltspunkte für eine besonders gute oder eine besonders schlechte Qualität vor, kommt eine Verschiebung der Grenze der geringen Menge im Einzelfall in Betracht. |
Rheinl.Pfalz | Regeleinstellung bis 10 Gramm ohne Fremdgefährdung. |
Saarland | Grs. gilt eine Höchstmenge von 6 Gramm. Eine Einstellung aus anderen Gründen ist möglich, soweit die Menge nicht mehr als 10 Gramm beträgt. Auch bei wiederholter Tatbegehung zum gelegentlichen Eigenverbrauch ist eine Einstellung nicht ausgeschlossen. Hierbei dürfen die Cannabismengen nicht zusammengerechnet werden. |
Sachsen | Inoffizieller Grenzwert für die „geringe Menge“ ist 6 Gramm Cannabis, die drei Konsumeinheiten entsprechen. Es existiert kein ministerieller Erlass. Hier erfolgt immer eine Prüfung des Einzelfalls, bei dem alle Voraussetzungen des § 31 a BtMG gemeinsam festgestellt werden müssen. |
Sachs.Anhalt | Bis zu drei Konsumeinheiten – wobei in der Regel zu Gunsten der beschuldigten Person von etwa 6 Gramm ausgegangen wird (auch in Wiederholungsfällen). |
Schl.Holstein | Regeleinstellung bis zu 6 Gramm. |
Thüringen | Regeleinstellung bis 6 Gramm; es ist auf die gewogene Menge ohne Rücksicht auf den THC-Gehalt abzustellen. Regeleinstellung gilt auch für den ersten Wiederholungsfall innerhalb eines Jahres. |
Österreich | Als “Geringe Menge“ gilt in Österreich in Gegensatz zu Deutschland hingegen ein Reinsubstanzgewicht von max. 20 Gramm THC. Hier ist also nicht das Bruttogewicht der Cannabissubstanz zugrunde zu legen, sondern sein Wirkstoffgewicht. Auf das Bruttogewicht von Cannabisprodukten bezogen bedeutet dies abhängig vom Wirkstoffgehalt eine Menge von 100 – 600 Gramm Gras oder Hasch. Strafverfahren wegen des Erwerbs und Besitzes geringer Mengen Cannabis müssen im Allgemeinen für eine Probezeit von zwei Jahren eingestellt werden. |