Wer medizinischen Hanf ärztlich verschrieben bekommt und nach einer Verkehrskontrolle Probleme wegen der Nachweisbarkeit von Marihuana hat, sollte sich dieses Gerichtsurteil zu THC am Steuer unbedingt genauer anschauen. Vor dem Oberlandesgericht Zweibrücken wurde ein Cannabispatient freigesprochen, dem die zentrale Bußgeldstelle eine Ordnungswidrigkeit in Höhe von gleich mal 1000,00 € sowie einen Monat Fahrverbot aufdrücken wollte – Juristen sprechen bereits von einer wichtigen Grundsatzentscheidung.
1 Gramm Gras pro Tag beeinträchtigt die Fahrtüchtigkeit nicht
Besagter Cannabispatient nimmt therapeutische Cannabinoide wegen Depressionen, posttraumatischer Belastungen und Schlafstörungen ein. Bis zu einem Gramm Hanfblüten täglich beträgt die verordnete Dosierung. Dieses Volumen THC hat laut Attest keinerlei negative Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit. Außerdem lag der letzte Hanfkonsum vor dem Drogentest durch die Polizei bereits drei Stunden zurück.
Viele wissenschaftliche Studien weisen diesen Zeitraum als in den allermeisten Fällen vollkommen ausreichenden Abstand für ein sicheres Führen von KFZ aus. Leider hat die moderne Cannabisforschung noch keine wirkliche Beachtung in der Rechtspraxis bundesdeutscher Amtsstuben gefunden. Freizeit-Kiffer und auch Hanfpatienten müssen zumindest mit dem Versuch einer Bestrafung per fetter Geldbuße rechnen.
Nachbesserungen an der Legalisierung führten zwar zu einer leichten Anhebung der straffreien THC-Grenzwerte, doch jene nun geltenden 3,5 ng/ml Blutserum bleiben von höheren Limits in anderen westlichen Ländern und wissenschaftlichen Empfehlungen ziemlich weit entfernt. Gefragt ist die dritte Gewalt im Staat und tatsächlich nimmt eine endlich aktivere Richterschaft zunehmend nicht nur Behördenwillkür gegen Verkehrsteilnehmer ins Visier, sondern beispielsweise auch die lange überfällige Anhebung der „nicht geringen Menge THC“.
In Dubio pro reo: Oberlandesgericht bestätigt Freispruch für THC am Steuer
Das Cannabisgesetz ist seit 1.4.2024 juristische Realität und gilt, was Richter in Deutschland dieser Tage viel schneller respektieren als einige politische Parteien. Während die CDU/CSU von einer erneuten Kriminalisierung ganzer Bevölkerungsschichten träumt, entscheidet man bei der Jurisdiktion nicht mehr nur im Zweifel für Konsumierende von Haschisch und Marihuana, sondern immer häufiger ganz grundsätzlich.
Entsprechend deutlich bestätigte das Oberlandesgericht Zweibrücken (1 Orbs 2 SsBs 22/23) ein vorheriges Urteil samt Freispruch durch das untergeordnete Amtsgericht. Zur Begründung wird auf einen in § 24 Abs. 2 S. 3 StVG festgehaltenen Ausnahmefall verwiesen: Strafen gegen Verkehrsteilnehmer sind demnach unzulässig, wenn die Einnahme von medizinischem Cannabis zur Linderung konkreter Erkrankungen stattfindet!
Genau das ist bei einer Verordnung von Grasblüten durch den Arzt gegeben. Das vorliegende Attest zur Fahrtüchtigkeit beglaubigt offiziell, dass der Cannabispatient drei Stunden nach dem letzten Hanfkonsum auch bei einer Nachweisbarkeit von THC am Steuer sitzen darf. Laut Richter hat der Betroffene in keinem Moment fahrlässig gehandelt, sondern die Cannabinoide stets gemäß ärztlicher Verschreibung konsumiert, sich verantwortungsbewusst an die Wartezeit gehalten und sollte deshalb von allen Anklagen samt Bußgeldbescheiden freigesprochen werden.
Cannabiskonsum und Autofahren: Am besten einen Rechtsanwalt einschalten!
Zum Abschluss noch ein kurzer Blick ins Strafgesetzbuch (StGB). Bei psychoaktiven Substanzen am Steuer und einer entsprechenden Nachweisbarkeit sind besonders § 315 und § 316 relevant. Berauschtes Autofahren, egal ob nun besoffen oder bekifft, kann theoretisch sogar mit einem Jahr Knast bestraft werden. Fahruntüchtigkeit wegen Gras und Konsorten bezieht sich nicht nur auf den Straßenverkehr, sondern auch auf mögliche Gefährdungen von Bus und Bahn, von Schiffen und Flugzeugen.
Der zugedröhnte Pilot im Dienst hat dabei selbstredend schärfere Sanktionen zu erwarten als ein gewöhnlicher Autofahrer mit mehr als 3,5 ng/ml THC im Blut. Das erstmalige Überschreiten dieser Limits ahndet der Gesetzgeber „nur“ als Ordnungswidrigkeit, die zwar teuer ausfallen kann, jedoch nicht mehr zwangsläufig mit dem Zwang zur Teilnahme an einer MPU verbunden ist. Zum „Idiotentest“ müssen lediglich Wiederholungstäter oder Leute, denen ein Dauerkonsum von Hanf zweifelsfrei nachgewiesen wird.
Zur Anwendung kommt das Straßenverkehrsgesetz mit § 24a, Absatz 1a. „Drogeneinfluss“ ist dort genauso geregelt wie Alkohol. Wer wegen Cannabis mit Strafe respektive Ordnungswidrigkeiten rechnet, kann und sollte vorzugsweise umgehend einen Rechtsanwalt einschalten. Dank Legalisierung und einer zunehmend fairer urteilenden Justiz dürften gerissene Advokaten vor Gericht für ihre Mandanten einiges herausholen – vor allem, wenn es sich wie in Zweibrücken explizit um Patienten mit Hanf vom Arzt handelt.