Wer im März 2017 mit dem Inkrafttreten vom Cannabis als Medizin Gesetz meinte, dass er eine schlüsselfertige Lösung präsentiert bekommt, der hat sich geirrt. Dabei ist es doch absehbar, dass bei einer derartigen Umstellung ein Entstehungs- und Entwicklungszeitraum notwendig ist, um alle aufkommenden Problembereiche nachzuschleifen. Demnach gab oder gibt es noch keine genügende Gebührenordnung für das Verschreiben von Marihuanablüten oder cannabinoidhaltiger Fertigarznei sowie die verschreibenden Ärzte unter Regresspflicht genommen werden können.
Das Cannabis als Medizin Gesetz wird umgesetzt
Ärzte haben eine Gebührenordnung, nach der sie abrechnen können. Einige ihrer Tätigkeiten sind damit lukrativer als andere. Beim Verordnen von Marihuanablüten kann bereits von einem „Ehrenamt mit hohem Risiko“ gesprochen werden, da die Ärzte einen sehr hohen Zeitaufwand hatten und haben, als auch ein hohes Risiko. Dieses Risiko gilt ganz allgemein und heißt Regresspflicht. Wenn der Arzt sein Budget überschreitet, für eine Situation nicht die billigeren Therapiemöglichkeiten verwendet, Gebühren fehlerhaft berechnet oder sich einfach nicht an die Regeln hält, kann er in Regress genommen werden und muss aus eigener Tasche zahlen. Bei den normalen Medikamenten und üblichen medizinischen Maßnahmen weiß man bereits, wo die Grenzen liegen. Beim Cannabis weiß man es noch nicht genau und viele Mediziner sind bei viel Arbeit für wenig Geld und nicht abwägbarem Risiko übervorsichtig mit der Verschreibung von Marihuana.
Regresspflicht wirkt Jahre zurück
Wer als Arzt viel Marihuana verschreibt, welches die Krankenkassen erstatten müssen, der verursacht hohe Kosten, da man mit einem großen Patientenandrang rechnen kann. Die Patienten geben einander Tipps. Wenn dieser Arzt in den Blickwinkel der Krankenkasse oder anderer Institutionen gerät, die alles prüfen lassen, kann das für den Arzt teuer werden. Wenn diesem unterstellt wird, dass andere Therapiemöglichkeiten, die erheblich günstiger gewesen wären, nicht genügend ausgeschöpft waren, kann er über mehrere Jahre zurück auf den Kosten sitzen bleiben.
Die Ärzte müssen damit erst einmal abwarten, wie solche Fälle der Regresspflicht gegen Ärzte, die „fehlerhaft“ Marihuana verschrieben haben, verlaufen. Bis solche Ergebnisse vorliegen, werden jedoch Jahre vergehen. Bis dahin müssen alle alternativen Therapiemöglichkeiten sehr gewissenhaft geprüft und die Formalitäten genau bearbeitet werden, um auf der sicheren Seite zu bleiben. Dieses gründlichere Arbeiten ist zugleich zeitintensiver und damit weniger lukrativ. Für viele Patienten heißt das leider, dass sie weiterhin nach Ärzten suchen müssen, die ihnen Marihuana verschreiben.
Es tut sich bereits einiges
Ärzte, die Marihuana verschreiben, müssen unter anderem die Patienten aufklären oder einige Daten anonymisiert sammeln, damit diese ausgewertet werden können. Dafür wurde nun eine Gebührenordnung verabschiedet, die rückwirkend zum 01.10.2017 wirkt.
Der Patient muss über die bindende Datenerhebung aufgeklärt werden, wofür der Arzt 28 Punkte oder eben 2,95 Euro abrechnen darf. Für die Datenerfassung samt der Übermittlung werden 92 Punkte oder 9,70 Euro abgerechnet. Wenn der Arzt den Patient bei der Antragstellung für die Kostenübernahme bei der Krankenkasse unterstützt, darf er 143 Punkte oder 15,06 Euro abrechnen. Wenn bedacht wird, dass die Verschreibung von Cannabismedikamenten derzeit noch mehr Besprechungsbedarf mit den Patienten hat, als es bei anderen Medikamenten der Fall ist, sind das für den Arzt gewiss keine anständig bezahlten Arbeitsstunden. Aber immerhin gibt es jetzt diese Gebührenregelung, die gewiss noch weiter ergänzt und nachgebessert wird.
Ärzte haben mit ihren Praxen ein Budget, mit dem sie im Jahr auskommen müssen. Nur Medikamente für chronische Leiden gehen an diesem Budget vorbei. Alles, was an Medikamenten nicht für chronische Leiden verschrieben und durch Krankenkassen erstattet wird, wird vom Budget runtergerechnet. Da die Krankenkassen die Cannabismedizin nur bei schweren und chronischen Leiden erstatten müssen, wäre das also für die Ärzte kein Problem. Wer keine schweren chronischen Leiden hat oder die Kostenübernahme abgelehnt wurde, der kann dennoch zum Arzt, und sich ein Privatrezept für Marihuanablüten oder cannabinoidhaltige Fertigarzneimitteln verschreiben lassen. Dieses zahlt man dann jedoch aus eigener Tasche, kann aber dennoch eine Kostenübernahme bei den Krankenkassen beantragen.
Ohnehin: Wer die Kosten erstattet haben möchte, der schickt zuerst den Antrag los und lässt sich dann das BtM Rezept ausstellen. Wird der Antrag abgelehnt und lässt sich die Ablehnung nicht anfechten, dann zahlt der Patient selbst. Ansonsten zahlt die Krankenkasse rückwirkend bis zum Antragsdatum. Zur Sicherheit kann auch die Bewilligung abgewartet werden, um wirklich kein Kostenrisiko zu haben, wobei schwerwiegende Hanfpatienten derart leiden, dass ihnen Geld schon fast egal ist.
Fazit zur Regresspflicht
Die Regresspflicht ist jedem Arzt bekannt und soll vereiteln, dass unnötige Kosten generiert werden, womit die Gesundheitskosten explodieren könnten. Das ist nicht immer zum Vorteil der Patienten, wenn die Ärzte das immer im Hinterkopf behalten. Marihuana oder cannabinoidhaltige Fertigarzneimittel sind letztlich auch nur ganz normale Medikamente, derzeit aber noch Neuland. Mit dem Cannabis als Medizingesetz hat eine Initialzündung eingesetzt. Erst in der Entwicklung werden sich viele Probleme zeigen, die dann nach und nach bearbeitet und damit behoben werden. Mit der Zeit können die Ärzte dieses Problem also genau wie bei anderen Medikamenten abschätzen und sich damit ohne Übervorsicht sicher bewegen.
Bis dahin bleibt es jedoch wichtig, alternative Therapiemöglichkeiten oder günstigere Therapieansätze genügend zu erwägen und sich bei angestrebter Kostenübernahme durch die Krankenkassen nur gut begründet für die Marihuanablüten zu entscheiden. Das ist für viele Patienten, die bereits wissen, wie viel besser ihnen Marihuanablüten helfen, für die ersten Jahre also noch unschön, wenn ihre Ärzte übervorsichtig agieren. Dennoch sollte man auch dafür schon dankbar sein, wenn diese wenigstens mitwirken und man sein Marihuana in begründeten Fällen aus der Apotheke erhält und die Kassen es möglichst auch bezahlen.