Die Vorfreude auf den Besuch eines Musikfestivals währt mitunter mehrere Monate, denn manche kaufen sich ihre Tickets bereits lange vor dem Event und bereiten sich geradezu akribisch darauf vor. Jede Kleinigkeit wird geplant, angefangen von ausgefallenen Outfits bis zu einer langen Liste von Tools und Gadgets, die den Aufenthalt bei dem oftmals dreitägigen Spektakel so angenehm wie möglich machen.
Für viele Festivalgänger gehören auch die einen oder anderen Bewusstseins-beeinflussenden Substanzen dazu. Auch wenn viele der infrage kommenden Drogen gefährlicher sind, erweist sich Cannabis an dieser Stelle als besonders problematisch, und das hat in der Hauptsache zwei Gründe. Zunächst einmal nimmt eine für drei Tage ausreichende Menge Cannabis einfach mehr Platz im Gepäck in Anspruch als das Äquivalent in Pillen, LSD-Trips oder diverse weiße Pülverchen. Lediglich solche Dinge wie Magic Mushrooms haben ein vergleichbar großes Volumen vorzuweisen.
Das andere Thema ist der Geruch. Nichts, was wir auf einem Festival zum Vergnügen konsumieren, verbreitet einen ähnlich penetranten Duft wie eine gut gezüchtete Hanfblüte.
Für Polizeibeamte, die motiviert sind, einigen jungen und junggebliebenen Menschen das Leben schwer zu machen, ist Cannabis die Substanz, nach der sie bei Kontrollen an rund um Festivals am liebsten Ausschau halten, da sie verhältnismäßig einfach aufzuspüren sind. Außerdem sind die Besitzer zumeist friedlich und Harmonie liebend, sie leisten kaum Widerstand gegen die unnötigen Schikanen und vor allem die jüngeren von ihnen können von Beamten leicht eingeschüchtert werden, sodass sie sich nicht selten sogar kooperativ zeigen.
Summerjam bringt mit Reggae auch Cannabis nach Köln
Summerjam ist ein Festival, bei dem sich musikalisch und kulturell alles um Reggae dreht. Reggae wiederum ist die Musik, die Rastafari Kultur rund um den Globus verbreitet. Und für Rastafari gehört der Konsum von Cannabis zu den spirituellen Gebräuchen, die Pflanze ist heilig und unterstützt die Verbindung zwischen dem Menschen und dem Göttlichen. Die Meditation mittels Cannabisgenuss vertieft den Dialog mit Jah, oder ermöglicht diesen überhaupt erst. Die wenigsten der Besucher des Summerjam sind wahrscheinlich echte Rastafari, wobei zu diskutieren wäre, woran das festzumachen ist, aber eine große Zahl der Leute nutzt Cannabis, und möchte gerade das auch am Festival tun.
Prinzipiell ist kein Musikgenre so eng mit der Hanfpflanze verbunden wie Reggae. Am Summerjam ist diese Tatsache sehr präsent, genauso wie auch Marijuana präsent ist, und das wissen auch die Strafverfolgungsbehörden. Deswegen werden eigentlich jedes Jahr großangelegte Kontrollen im Zeitraum des Festivals durchgeführt, bei denen in der Hoffnung auf einen mehr oder weniger großen Drogenfund reichlich Autos und Menschen durchsucht werden.
Kreatives Versteck vs. findige Durchsuchungsmethoden
Anders als bei Festivals mit elektronischer Musik sind beim Summerjam, der bereits seit 1986 veranstaltet wird, kaum andere Drogen im Umlauf, daher liegt auch der Einsatzschwerpunkt der Behörden bei den Kontrollaktionen seit Jahren auf Cannabis. Die Polizei weiß, dass die Besucher Cannabis mit zum Festival bringen, die Konsumenten wissen, dass die Beamten Kontrollen durchführen. Seit über 35 Jahren findet also mit dem Summerjam auch das Katz-und-Maus-Spiel statt. Was ist besser, das Gespür der Polizisten oder das Versteck im Auto oder im Gepäck des Schmugglers?
Beim Verstecken von Drogen werden Menschen ja seit jeher kreativ, egal ob die Substanzen über Grenzen oder nur in eine Festival Area gebracht werden sollen. Das ist den Polizeibeamten natürlich bewusst und so gehen auch sie mit den Jahren auf ihrer Suche immer raffinierter vor. Man könnte sagen, Festivalbesucher und Polizei lernen voneinander und entwickeln ihre Fertigkeiten aneinander.
Bundesländer könnten Verfolgung von Cannabisdelikten einschränken
Wie wir wissen, soll 2023 das Jahr sein, in dem die deutsche Bundesregierung nach Jahrzehntelanger Prohibition einen anderen Weg einschlagen will und den Besitz, Konsum und auch den Eigenanbau von Cannabis legalisieren möchte. Auf diese Absicht hat die Ampelkoalition sich bereits im Koalitionsvertrag verständigt. Nun sollte man meinen, dass allein die Absichtserklärung der Regierung die ihr unterstehenden Behörden dazu veranlasst, die Jagd nach Cannabiskonsumenten stark einzuschränken und dem keine Priorität mehr einzuräumen. Leider ist dem nicht so, nach wie vor werden im Zusammenhang mit konsumnahen Delikten Tausende Strafanzeigen wegen Cannabis geschrieben.
Was bedeutet das eigentlich? Haben die Behörden des Landes kein Vertrauen in den Erfolg des Vorhabens der Bundesregierung? Oder ignorieren sie einfach den Willen und die Absicht zur Entkriminalisierung und handeln einfach nach eigenem Gutdünken? In Deutschland ist Polizei in erster Linie Angelegenheit der Länder, und so könnte längst ein Bundesland beschließen, der Verfolgung von Cannabis, insbesondere von Konsumenten, keine Priorität mehr einzuräumen und daher dafür kaum noch Ressourcen bereitzustellen.
Summerjam 2023 – Ein Vorgeschmack auf bessere Zeiten?
Wie sieht es jetzt aus im Jahr, in dem sich endlich etwas bewegen soll? Werden beim diesjährigen Summerjam immer noch so viele Kontrollen durchgeführt? Werden wieder Hunderte und Tausende durchsucht und schikaniert, oder lässt der Verfolgungsdruck für Cannabiskonsumenten angesichts anstehender Reformen bereits nach? Um herauszufinden, ob und inwiefern sich vielleicht schon etwas getan hat, schaut man sich am besten die Situation vor Ort an.
Auf dem Weg zum Summerjam Festival waren wie in jedem Jahr an einigen Stellen wieder Einsatzkräfte positioniert, sowohl das Ordnungsamt als auch die Polizei war in stattlicher Zahl präsent. Das allein ist aber noch kein Problem, schließlich bedeutet dies noch nicht, dass wieder eine Jagd nach Cannabis und den jeweiligen Besitzern abgehalten wird.
Vermutlich wird es vielleicht die ein oder andere Kontrolle gegeben haben, persönlich konnte im Rahmen des Summerjam Besuchs aber keine beobachtet werden. Im Vergleich zu einigen Summerjam Festivals in der Vergangenheit gab es in diesem Jahr auch auffallend wenige Berichte in den Medien über Vorfälle oder Einsätze im Zusammenhang mit Cannabis.
Polizei auf dem Festivalgelände – Freund oder Feind?
Anders als bei anderen Festivals sind beim Summerjam auch Polizeibeamte in Uniform auf dem Festivalgelände unterwegs. Sie patrouillieren in kleinen Gruppen umher und sehen nach dem Rechten. Bei einem so großen und teilweise unübersichtlichen Event wie dem Summerjam ist das gar nicht verkehrt, schließlich könnte die Maßnahme Taschendiebstahl einschränken und eventuell Gewalttaten verhindern. Dennoch fühlt es sich natürlich irgendwie falsch an, wenn man bei einem Joint zum Beispiel Alborosie live on Stage „Fly 420“ singen hört, während einem die Polizei dabei über die Schulter schaut. Ob tatsächlich Cannabiskonsumenten von ihnen drangsaliert worden sind, kann hier nicht aufgeklärt werden, doch es schien ihnen im Allgemeinen doch eher um den ordentlichen Ablauf der Veranstaltung zu gehen.
Cannabis als Medizin als hemmende Hürde für Beamte
Zum Anfang 2023 soll es in Deutschland etwa 170.000 Cannabispatienten gegeben haben, Tendenz steigend. Die Häufigkeit, mit der eine polizeiliche Durchsuchung einen solchen Patienten erwischt, steigt mit dieser Zahl ebenso. Dies könnte auch hilfreich für andere Cannabiskonsumenten sein, denn das Durchsuchen einer Person nach Cannabis wird für Polizeibeamte damit immer unattraktiver. Zum einen verändert der positive medizinische Nutzen der Pflanze die öffentliche Wahrnehmung, auch die mancher Polizisten. Und zum anderen, wer macht schon gern als derjenige von sich reden, der bei einem Musikfestival einen Patienten diskriminiert hat? Vielleicht ist schon dies Grund genug, auch offensichtlich kiffende Festivalbesucher in Ruhe zu lassen. Am Summerjam und auch sonst können der medizinische Konsum und der Gebrauch von Cannabis zum Spaß oft nicht voneinander unterschieden werden.
Andere Kontrollschwerpunkte nach der Entkriminalisierung
Fragen wir uns also nun, wie sich die Situation mit Polizeikontrollen rund um Festivals in Zukunft entwickeln wird, wenn Cannabis legal und konsumbezogener Umgang mit der Pflanze nicht mehr zu bestrafen ist. Es wäre geradezu illusorisch anzunehmen, die Behörden würden den Veranstaltungen fernbleiben und Delikten nachgehen, bei denen tatsächlich eine Form von Fremdschädigung stattfindet.
Trotzdem ist auch klar, dass es vermutlich Veränderungen geben wird. Die Beamten müssen den Schwerpunkt ihrer Kontrollen teilweise auf andere Substanzen verlagern, zudem könnten verstärkt THC im Straßenverkehr oder die Überschreitung der erlaubten Besitzmenge fokussiert werden. Ohnehin hängt die bei einem Festival meist konsumierte Droge in der Regel auch von der Musikrichtung ab.
Die Beobachtungen, die im Rahmen dieses Beitrags gemacht wurden, bezogen sich auf das Summerjam Festival, vermutlich die größte Reggae Veranstaltung, die es in Deutschland gibt. Nach einer Entkriminalisierung von Cannabis könnte dieses Festival und eine Großzahl seiner Besucher wohl Frieden mit den Strafverfolgungsbehörden schließen … außer man parkt ungünstig und wird abgeschleppt!