Auf YouTube gibt es eine nicht ganz unbekannte Videoreihe, in der Rapper öffentlich kiffen, in Deutschland, vor laufender Kamera. In einem Video hat sich beispielsweise Sierra Kidd zu Marvin Game ins Auto gesetzt, um über sein neues Album zu sprechen, Musik zu hören und dabei zu kiffen. Zwar sind die Videos von zweifelhafter Qualität, unabhängig davon sollte man aber meinen, dass ein solches Kiffer-Video für die meisten Menschen im 21. Jahrhundert kaum erwähnenswert wäre.
Etwas anders sieht, dies die Hamburger Polizei. Diese hat Ermittlungen gegen eine Person eingeleitet, die am 9. Dezember 2017 ein Facebook-Foto mit einem vermeintlichen Joint veröffentlicht haben soll. Auf mehreren Cannabis-Blogs kursiert nun das dazugehörige Schreiben der Polizei Hamburg. Dem Empfänger wird darin erklärt, dass man gegen ihn wegen einer Straftat ermittle.
„Durch Internetrecherche wurde bekannt, dass Sie gegen das BTMG verstoßen haben, indem Sie Joints in Bildern (Facebook) aufzeigten“.
Das wirft mehrere Fragen auf. Wie hat die Polizei von dem Foto erfahren und warum sieht sie sich genötigt, Ermittlungen einzuleiten? Eine Sprecherin der Polizei Hamburg hat den Vorfall inzwischen bestätigt. Das Bild habe „ein Hinweisgeber“ der Behörde gemeldet, woraufhin die Polizei die Ermittlungen aufgenommen habe. Auf dem gemeldeten Foto sei die verdächtigte Person zusammen mit einer „rauschgiftverdächtigen Substanz“ zu sehen. Dies genüge für die Annahme eines Anfangsverdachts. Nun werde wegen § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG ermittelt.
„Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein.“
Wann darf die Polizei einen Anfangsverdacht annehmen?
Der Anfangsverdacht ist immer Grundvoraussetzung für ein Strafermittlungsverfahren. Erst wenn Anhaltspunkte für das Vorliegen einer verfolgbaren Straftat vorliegen, dürfen Ermittlungsmaßnahmen eingeleitet werden. Der Anfangsverdacht schützt Betroffene so vor Ermittlungen aufgrund bloßer Vermutungen. Eine wirklich hohe Hürde, stellt dies aber in der Praxis nicht dar.
Im vorliegenden Fall hat ein „Hinweisgeber“ die Polizei über das Foto informiert. Dies genügte den Beamten offensichtlich für die Annahme eines Anfangsverdachts. Es ist allerdings der bisher erste und einzige bekannte Fall, in dem die deutsche Polizei allein aufgrund eines Facebook-Fotos gegen einen potenziellen Kiffer ermittelt. Ganz ungewöhnlich ist die Vorgehensweise jedoch nicht.
Erst vor wenigen Wochen ist die Rapperin „Schwesta Ewa“ in einem Stuttgarter Hotel von einer Spezialeinheit der Polizei festgenommen worden. Sie hatte zuvor ein Foto von Waffen ins Internet gestellt. Weil die Beamten in dem Hotelzimmer keine Waffen fanden, wurde die Rapperin wieder freigelassen. Das Waffen-Foto hatte sie nach eigenen Angaben einfach aus dem Internet kopiert.
An diesem Punkt stellt sich also die Frage, warum die Polizei vor einem Einsatz nicht einfach die umgekehrte Bildersuche bei Google benutzt. Damit wäre nicht nur bei Waffen, sondern auch bei Fotos von Drogen auf einfache Art und Weise geklärt, ob es sich um ein selbst geschossenes Bild oder lediglich um ein aus dem Internet kopiertes Foto handelt.
Grundsätzlich besteht bei dem Hochladen von solchen Fotos daher immer die Gefahr, dass man Ärger mit den Strafverfolgungsbehörden bekommt. Eine Strafanzeige wegen einer Betäubungsmittelstraftat kann nämlich von jedem Bürger erstattet werden. Anschließend sammelt die Polizei Indizien und Beweise, dazu ist sie von Amts wegen verpflichtet. Im Laufe des Verfahrens erhält auch der Beschuldigte selbst die Gelegenheit, sich zu äußern. Im hier vorliegendem Fall wurde er durch ein Schreiben der Polizei Hamburg über das Ermittlungsverfahren informiert. Allen Betroffenen sei bereits an dieser Stelle geraten, auf die Vorwürfe zu schweigen und einen, auf Betäubungsmittel spezialisierten Fachanwalt für Strafrecht zu kontaktieren.
Darf die Polizei mein Haus durchsuchen?
Die größte Sorge bei einem Strafverfahren wegen Drogenbesitzes besteht natürlich vor einer Hausdurchsuchung. Diese Sorge ist auch nicht völlig unbegründet und eher die Regel als die Ausnahme in diesem Deliktsbereich.
Im Falle einer Hausdurchsuchung kann in der Regel nur der Kontakt zu einem spezialisierten Anwalt helfen. Die Durchsuchung an sich kann zwar an Ort und Stelle meist nicht verhindert werden, aber der Durchsuchungsbeschluss kann anschließend als rechtswidrig angegriffen werden. Das ist vorwiegend für die Frage interessant, ob gefundene Beweismittel im Strafverfahren verwendet werden dürfen. Größtenteils steht und fällt der Vorwurf mit genau diesen Beweismitteln.
Die Chancen, die Durchsuchungsbefehle in diesen Fällen anzugreifen, stehen meist gut. Denn obwohl die Durchsuchungen auch schon bei kleineren Drogenvergehen regelmäßig angeordnet werden, sieht das Grundgesetz dafür hohe Hürden vor. Art. 13 Abs. 1 GG bestimmt die Unverletzlichkeit der Wohnung. Eine Hausdurchsuchung durch die Polizei ist deswegen nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt.
Die wohl wichtigste Voraussetzung ist, dass der Durchsuchungsbeschluss von einem Richter ausgestellt wurde. Nur bei „Gefahr im Verzug“ darf auch die Staatsanwaltschaft oder notfalls die Polizei die Durchsuchung anordnen. Vor allem bei der Frage, ob „Gefahr im Verzug“ vorlag, werden häufig Fehler von den Ermittlungsbehörden begangen.
Auch müssen beim Durchsuchungsbeschluss einige Formvorschriften eingehalten werden. Der Durchsuchungsbeschluss muss den Tatvorwurf beschreiben und den äußeren Rahmen (Ziel und Grenzen) der Durchsuchung festlegen. Außerdem muss die Durchsuchung verhältnismäßig sein. Hierbei geht es um die Frage, ob die Eingriffshandlung im Verhältnis zum Gegenstand der Untersuchung gerechtfertigt ist. Es sind die Schwere des Eingriffs und das Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung gegeneinander abzuwägen. Eine Durchsuchung ist insbesondere dann unverhältnismäßig, wenn die Schwere des Delikts sehr geringfügig ist. Hiergegen wird immer wieder verstoßen.
Im vorliegenden Fall, mit dem Facebook-Foto, müsste eine Hausdurchsuchung sicherlich als unverhältnismäßig angesehen werden. Nach aktuellem Kenntnisstand ist solch eine auch nicht erfolgt. Kommt es doch zu Durchsuchungen heißt es Ruhe zu bewahren und keine Angaben zur Sache zu machen. Am besten kontaktiert man umgehend einen spezialisierten Anwalt. Strafverteidiger haben für solche Notfälle in der Regel eine Telefonnummer, unter der sie rund um die Uhr zu erreichen sind.
Wie geht es danach weiter?
Nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens sind drei Szenarien im Strafverfahren möglich: Das Verfahren wird eingestellt, es wird ein Strafbefehl erlassen oder die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage.
Liegen keine ausreichenden Beweismittel vor, wird die Staatsanwaltschaft das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO einstellen. Dies ist im vorliegenden Fall der wahrscheinlichste Ausgang. Außer dem Foto hat die Polizei wohl keine weiteren Anhaltspunkte. Insbesondere kann dem Betroffenen aller Wahrscheinlichkeit nach ein illegaler Besitz eines Betäubungsmittels im Sinne des § 29 BtMG nachgewiesen werden.
Bei sehr geringen Tatvorwürfen, insbesondere wenn es nur um kleine Mengen für den Eigenbedarf geht, kann das Verfahren auch wegen Geringfügigkeit nach § 153 StPO eingestellt werden. In etwas schwereren Fällen auch gegen Auflagen nach § 153a StPO. Das Betäubungsmittelstrafrecht kennt darüber noch einige Besonderheiten, so etwa die Einstellung nach § 31 BtMG, die je nach Einzelfall greifen können.
Kommt es nicht zur Einstellung des Verfahrens, kann die Staatsanwaltschaft entweder einen Strafbefehl beantragen oder Anklage erheben. Der Strafbefehl dient in erster Linie der Beschleunigung des Strafverfahrens und kommt nur bei leichten und mittleren Taten in Betracht. Hier erhält der Betroffene vom Gericht in einem schriftlichen Verfahren einen „Strafvorschlag“, zumeist eine Geldstrafe. Akzeptiert er diese Strafe, so hat sich das Verfahren für ihn erledigt. Ist er mit der vorgeschlagenen Strafe nicht einverstanden, kann er innerhalb von zwei Wochen Einspruch einlegen und es findet eine Hauptverhandlung statt. Insbesondere beim Erhalt eines Strafbefehls sollte umgehend anwaltlicher Rat gesucht werden, da das Verstreichen der Frist erhebliche Konsequenzen haben kann.
Hat sich die Staatsanwaltschaft nicht für einen Strafbefehl entschieden, entweder weil die Tat schwer wiegt oder der Beschuldigte schon mehrfach auffällig geworden ist, wird sie Anklage erheben. Dies führt dann regelmäßig zu einer öffentlichen Hauptverhandlung vor dem zuständigen Gericht.
Dazu muss es aber in den meisten Fällen gar nicht kommen. Insbesondere, wenn der Vorwurf so dünn ist, wie im Ausgangsfall. In vielen Fällen ist nicht klar, was auf einem Foto zu sehen ist und wer tatsächlich an den gezeigten Drogenbesitz hatte. Deswegen ist davon auszugehen, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren rund um das Foto auf Facebook schnellstmöglich einstellen wird.
Auch sonst stehen aber für Beschuldigte die Chancen gut, sofern es lediglich um den reinen Besitz von Betäubungsmitteln geht. In vielen Fällen können diese Strafverfahren bereits im Ermittlungsverfahren zu Ende gebracht werden. Eine öffentliche Hauptverhandlung ist selten notwendig und auch eine Vorstrafe droht in diesen Fällen nicht. In allen Fällen gilt aber, dass keine unbedachte Äußerung getätigt wird und in der Regel der Gang zu einem spezialisierten Fachanwalt für Strafrecht angeraten ist.