Für Freunde von Cannabis ist es nicht gerade leicht, ohne Kontakte mit der Strafjustiz durchzukommen, denn wir leben (noch) in Zeiten der Prohibition in Deutschland. Wenn die Polizei bei jemandem eine größere Menge Cannabis auffindet, dann folgt daher derzeit zwingend immer ein Strafverfahren, das in der Regel zu einer Anklage beim Amtsgericht (Schöffengericht) führt. Das ist jedenfalls immer dann der Fall, wenn der Grenzwert zur „nicht geringen Menge“ – § 29a BtMG – überschritten wird. Denn dann liegt grundsätzlich ein Verbrechenstatbestand mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr vor.
Das Missliche an der Situation ist, dass die nicht geringe Menge bereits bei 7,5 g reinem THC liegt. Das ist ein Bereich, den man selbst mit einem kleinen Grow zum Eigenkonsum in der Erntezeit ganz schnell erreicht und regelmäßig sogar deutlich überschreitet. Bitte lest hierzu unbedingt den Artikel: „Nicht geringe Menge – großes Problem„.
Wie aber soll man sich dann im Strafverfahren, also bei der Polizei und in der Gerichtsverhandlung zu der Frage des Eigenkonsums äußern? Ja oder Nein? Ein entschiedenes „Jein“ würde ich sagen, denn es kommt immer auf die Situation im Einzelfall und die weiteren Auswirkungen des Verfahrens an. Es gibt Fälle, in denen ist es vollkommen unsinnig und schädlich ist, vom eigenen Konsum zu plaudern, während es andererseits Fälle gibt, in denen nur der Hinweis auf den Eigenkonsum noch die Rettung vor dem Knast bedeuten kann.
Zur Verdeutlichung ein paar Beispiele
Fall 1: Wer mit 10 Gramm erwischt wird, sollte zum Konsum schweigen.
Warum? Weil auch ohne Angaben zum Eigenkonsum die Staatsanwaltschaft in der Regel bei Mengen dieser Größenordnung eine Bestimmung zum Eigenkonsum annehmen wird und das Verfahren einstellen oder mit einer Geldstrafe abschließen wird – je nach der regionalen Handhabung und je nachdem, ob es schon Eintragungen im Bundeszentralregister gibt.
Damit ist das Verfahren nicht vorbei, da regelmäßig eine Meldung an die Fahrerlaubnisbehörde erfolgt. Und jetzt wird es spannend:
Wenn die Fahrerlaubnisbehörde Akteneinsicht nimmt und hierbei feststellt, dass Eigenkonsum eingeräumt wurde, hat sie es bei der Entziehung der Fahrerlaubnis leicht.
Am schlimmsten ist es, wenn gegenüber der Polizei noch eingeräumt wurde, dass ein Konsum von beispielsweise 2 oder 3 Gramm täglich erfolgt. Viele Konsumenten neigen zu solchen spontanen Angaben, um trotz der gefundenen Menge plausibel zu machen, dass man kein Dealer ist. Ich lese das in Akten immer wieder. Das ist ein schwerer Fehler. Jedenfalls wenn man über einen Führerschein verfügt und diesen gerne behalten möchte.
Selbst wenn nur ein wöchentlicher Konsum eingeräumt wird, ist auch dies nach der Fahrerlaubnisverordnung ein regelmäßiger Konsum, der es der Behörde leicht macht, eine Entziehungsverfügung mit sofortiger Wirkung zu erlassen. Denn bei regelmäßigem Konsum ist es völlig egal, ob irgendein Zusammenhang des Konsums mit der Teilnahme am Straßenverkehr besteht. Dann flattert nach Anhörung durch die Fahrerlaubnisbehörde die kostenpflichtige Entziehung der Fahrerlaubnis mit Sofortvollzug und Beschlagnahme des Führerscheins ins Haus!
Ergibt sich aus der Akte indes nichts zum Eigenkonsum, dann muss die Fahrerlaubnisbehörde dies zumindest abklären und kann einen regelmäßigen Konsum nicht einfach unterstellen.
Und wer im Strafverfahren zur Frage des Konsums geschwiegen hat, kann jetzt, ohne Nachteile befürchten zu müssen, sagen: „Ich habe niemals konsumiert. Das Gras war nicht für mich bestimmt.“
Denn die Strafe ist ja bereits rechtskräftig….
Fall 2: Wer mit einem Kilo aufwärts erwischt wird, sollte sich zum eigenen Konsum vielleicht besser äußern…
Hier droht in Deutschland immer noch zwingend Freiheitsstrafe, die im günstigeren Fall noch zu Bewährung ausgesetzt werden kann. Dafür ist die Frage, ob die gefundenen Betäubungsmittel (auch) zum Eigenkonsum bestimmt waren, ein wichtiges Kriterium. Die Frage, ob ein Gericht noch einmal eine Bewährungsstrafe ausspricht oder ob stattdessen eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung verhängt wird, entscheidet sich häufig gerade daran. Für ein Gericht ist es wichtig, ob es sich um einen Betäubungsmittelkonsumenten handelt, der handelte, um auch seinen Eigenkonsum zu ermöglichen, oder um einen reinen Händler, dem es nur ums Geld geht.
Viel wichtiger können der Eigenkonsum und seine Feststellung noch werden, wenn es darum geht, statt einer Haftstrafe eine Therapie anzutreten. Denn wenn feststeht, dass die Tat aufgrund Betäubungsmittelabhängigkeit begangen wurde, kann man auch bei einer Haftstrafe ohne Bewährung in eine Therapiemaßnahme gehen, anstatt sich bei der JVA zum Haftantritt zu melden.
Dies ist auch bei bloßen Cannabiskonsum möglich. Paragraph 35 BtMG ermöglicht es, die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren zurückzustellen, wenn der Verurteilte die Tat aufgrund Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat und statt der Strafe eine Therapie antritt. Dann wird die in der Therapie verbrachte Zeit auf die Strafe angerechnet und nach erfolgreichem Abschluss der Therapie die Reststrafe automatisch zur Bewährung ausgesetzt (§ 36 BtMG).
Das ist der Bereich, in dem man den Führerschein wohl oder übel sausen lassen muss und an die Freiheit, sich überhaupt noch zu bewegen (wenn auch zu Fuß…), denken sollte…
Therapie statt Strafe gibt es regelmäßig nur, wenn über die Abhängigkeit in der Strafverhandlung gesprochen wurde… Das kann selbstverständlich auch über eine Erklärung des Verteidigers geschehen.
Die Zurückstellung von Strafen in Hinblick auf eine Therapie ist übrigens nicht nur bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz möglich, sondern auch bei anderen Taten, die aufgrund der Betäubungsmittelabhängigkeit begangen wurden, etwa Betrugsstraftaten, um an Geld zu gelangen, bei Diebstählen im Sinne von Beschaffungskriminalität, etc. Hier wird leider häufig vor Gericht – absurderweise aus Furcht vor höherer Strafe – zur Frage der Abhängigkeit als Ursache geschwiegen. Das hat dann regelmäßig zur Folge, dass später eine Zurückstellung einer Freiheitsstrafe zugunsten einer Therapie nicht mehr möglich ist. Denn die nachträgliche Feststellung, dass eine schon gerichtlich abgeurteilte Tat aufgrund Betäubungsmittelabhängigkeit begangen wurde, ist zwar möglich, aber schwierig. Besonders schwierig bzw. fast unmöglich wird das, wenn sich in den Akten überhaupt nichts zum Drogenkonsum des Betroffenen oder gar zu einer Abhängigkeit findet. Wenn also Knast droht: Konsum (besser „Abhängigkeit“) offenbaren, um die Therapiehintertüre der §§ 35, 36 BtMG zu öffnen!
Fall 3: Wer mit 200 g erwischt wird, sollte sich gut beraten lassen
Hier ist man locker im Bereich der nicht geringen Menge (in der Regel ist man das je nach Wirkstoffgehalt schon bei 50-70g), also ist man im Strafrahmen des § 29a BtMG mit einer Strafdrohung von 1 bis 15 Jahren. Dennoch: Dass man für eine solche Menge in Deutschland, wenn man den Besitz einräumt keine Bewährung bekommt, ist doch zum Glück eher unwahrscheinlich. Ein Verteidiger sollte mit dem zuständigen Richter vor Ort klären können, ob ein bloßes Geständnis nach Anklage ausreichend ist. In dieser steht meist nichts vom Eigenkonsum.
Dann kann man, wenn sich eine Bewährungsstrafe auch ohne Angaben zum Eigenkonsum erreichen lässt, auf die Äußerung hierzu verzichten.
Man muss im Übrigen in den Fällen, in denen keine Angaben zum Konsum erfolgen, diesen ja nicht unbedingt aktiv bestreiten. Es genügt ja: „Zu der Frage ob und ggf. in welchem Umfang mein Mandant selbst Drogen konsumiert hat, werden keine Angaben gemacht.“.
Fazit:
Angaben zum Eigenkonsum lohnen sich in der Regel nur, wenn wirklich eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung in Haus steht. Dann ist nämlich eine Therapie statt der Strafe möglich und dann werden gerichtliche Feststellungen zu einer Betäubungsmittelabhängigkeit benötigt. In kleineren Fällen schaden Angaben zum Eigenkonsum in der Regel mehr als sie nützen. Jedenfalls dann, wenn man einen Führerschein hat und diesen behalten möchte….