Selbst wenn es stark nach Cannabis duftet, darf die Polizei nicht ohne Weiteres eine Wohnung betreten und durchsuchen. In einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren kommt es durch die Ermittlungsbehörden regelmäßig zu Eingriffen in grundrechtlich geschützte Bereiche. Solche Eingriffe können beispielsweise eine für die Ermittlungen erforderliche Überwachung der Telekommunikation oder die Durchsuchung von Wohnungen sein.
Diese Maßnahmen sind aber nicht immer per se verfassungswidrig. Grundrechtseingriffe können unter bestimmten Voraussetzungen gerechtfertigt werden, insbesondere wenn der konkrete Eingriff auch verhältnismäßig ist (vgl. dazu auch den Beitrag von Rechtsanwalt Dietrich im Hanfmagazin 02/2016).
Deswegen gelten im Strafprozess eine Reihe von Grundprinzipien und spezielle Verfahrensregeln, die zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit im Strafprozess unbedingt eingehalten werden müssen. Dennoch kommt es immer wieder zu Verfahrensfehlern durch die Ermittlungsbehörden, über deren rechtliche Auswirkungen dann unabhängige Gerichte zu entscheiden haben. Grundsätzlich können sich Fehler bei den Ermittlungen zugunsten des Beschuldigten auswirken. Eine besondere Rolle nehmen dabei sogenannte Beweisverwertungsverbote ein. Im Strafprozess kann zwischen Verboten der Beweiserhebung und Verboten der Beweisverwertung unterschieden werden.
Was ist ein Beweiserhebungsverbot
Ein Beweiserhebungsverbot verbietet es, einen Beweis in einer bestimmten Art und Weise zu erheben. Ein Beweiserhebungsverbot besteht zum Beispiel gemäß § 136a StPO bezüglich des Einsatzes verbotener Vernehmungsmethoden, zu denen Misshandlung, Quälerei oder Hypnose zählen. Es ist verboten, durch Misshandlung, Quälerei oder Hypnose ein Geständnis zu erzwingen.
Was ist ein Beweisverwertungsverbot
Ein Beweisverwertungsverbot hingegen reagiert in seinem Kern auf einen begangenen Verfahrensfehler und dient somit dem Schutz des Beschuldigten in einem Strafverfahren. Ein Beweisverwertungsverbot kann unter Umständen wegen der Missachtung eines Beweiserhebungsverbotes entstehen. Für die Fälle des Einsatzes verbotener Vernehmungsmethoden ist dieser Mechanismus ausdrücklich in § 136a Abs. 3 StPO vorgesehen. In diesem konkreten Fall reagiert also das Beweisverwertungsverbot direkt auf ein missachtetes Beweiserhebungsverbot.
Jedoch führt nicht jede rechtswidrige Beweiserhebung auch zu einem Verbot der Beweisverwertung. Grund dafür ist das staatliche Interesse an den erforderlichen Ermittlungen zur Aufklärung von Straftaten, welches dem Interesse des von den Ermittlungsmaßnahmen betroffenen Bürgers gegenübersteht. Auch eine allgemeine Regel, wonach sich ein Beweisverwertungsverbot wegen einer rechtswidrigen Beweiserhebung auch auf weitere, lediglich mittelbar erlangte Beweismittel erstreckt und damit sogar eine Art Fernwirkung erzeugt, gibt es in Deutschland nicht. Dieser Ansatz existiert wiederum im US-amerikanischen Recht und wird als „fruit of the poisonous tree doctrine“ beschrieben. Bildlich gesprochen führt dort ein rechtswidriger Zugriff auf die Beweisquelle zu einer „Vergiftung“ der Quelle selbst und sogar zu einer „Vergiftung “ der aus ihr zu gewinnenden Früchte, mit der Folge, dass diese ebenfalls nicht verwertbar sind.
Abwägungslehre
Im deutschen Strafprozess hingegen ist für ein etwaiges Bestehen und die Bestimmung der Reichweite eines Beweisverwertungsverbotes das Gewicht des Verfahrensverstoßes und dessen Bedeutung für die rechtlich geschützte Sphäre des Betroffenen gegen das staatliche Interesse an einer funktionierenden Strafrechtspflege abzuwägen. Man spricht diesbezüglich von der „Abwägungslehre“, die insbesondere von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes durch viele Einzelfallentscheidungen geprägt ist. Eine solche Abwägung ist immer dann vorzunehmen, wenn das Gesetz für eine bestimmte Verfahrenssituation ein ausdrückliches Beweisverwertungsverbot gerade nicht vorsieht. Regelmäßig entsteht eine solche Abwägungssituation, wenn im Rahmen einer ohne richterlichen Beschluss, also rechtswidrig durchgeführten Wohnungsdurchsuchung relevante Beweismittel sichergestellt wurden, die auf die Begehung von Straftaten hindeuten.
Es duftet im Flur
Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat mit seinem Beschluss vom 22. Januar 2015 – (248b Cs) 274 Js 5378/13 (16/14) noch einmal die Bedeutung des Richtervorbehalts im Zusammenhang mit Wohnungsdurchsuchungen klargestellt. Zwei Polizeibeamte hatten einen Wohnungsinhaber aufgefordert, die Wohnungstür zum Zwecke der Durchsuchung vollständig zu öffnen, nachdem sie starken Cannabis-Geruch aus der Wohnung vernommen hatten.
Als sich der Betroffene weigerte und die Beamten wegschubste, verschafften sich diese gewaltsam Zutritt in die Wohnung, in der sie mehrere Cannabispflanzen sowie bereits fast 50 Gramm geerntetes THC-haltiges Blattmaterial auffanden. Die Polizeibeamten begründeten die sofortige Durchsuchung mit Gefahr im Verzug. Das Amtsgericht Tiergarten erklärt in seinem Beschluss die Durchsuchung für rechtswidrig. Eine Wohnungsdurchsuchung bedarf grundsätzlich eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses. Nur in Ausnahmefällen ist eine Durchsuchung ohne richterlichen Beschluss zulässig. Allein der Geruch von Cannabis kann einen solchen Ausnahmefall jedoch nicht begründen.
Für das Amtsgericht ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffene dabei war, Cannabisprodukte als etwaige Beweismittel fortzuschaffen oder zu vernichten, was Gefahr im Verzug begründet hätte. Auch ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, wieso die Polizeibeamten nicht einmal versucht haben, vor Betreten der Wohnung einen für die Entscheidung zuständigen Richter oder zumindest einen zuständigen Staatsanwalt zu erreichen – zumal in Berlin ein gerichtlicher Bereitschaftsdienst existiert, bei dem zeitnah die notwendige Entscheidung hätte eingeholt werden können. Schließlich geht das Amtsgericht im vorliegenden Fall zwar nicht von einer absichtlichen Missachtung, jedenfalls aber von einer groben Verkennung des Richtervorbehalts durch die Polizeibeamten aus. Zudem lässt es grundlegende Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der durchgeführten polizeilichen Maßnahme erkennen.
In dem geschilderten Fall über die polizeiliche Wohnungsdurchsuchung allein aufgrund von Cannabis-Geruch sah das Amtsgericht Tiergarten die Rechte des Betroffenen derart verletzt, dass es nach Abwägung der gegensätzlichen Interessen ein Beweisverwertungsverbot bezüglich der sichergestellten Cannabis-Pflanzen annahm. Dies wirkt sich zwar positiv für den Beschuldigten im Strafverfahren aus, die sichergestellten Pflanzen erhält er dennoch nicht zurück, da sie entsprechend den Ausführungen des Gerichts der Einziehung unterliegen.
Bei einer Wohnungsdurchsuchung hat der Beschuldigte das Recht auf anwaltlichen Beistand. Sollte die Polizei eine Wohnungsdurchsuchung durchführen, empfiehlt es sich regelmäßig, unverzüglich einen Verteidiger zu konsultieren, welcher der Durchsuchung im besten Falle beiwohnen und die Rechtmäßigkeit des behördlichen Handelns überprüfen kann.