In meiner anwaltlichen Praxis erlebe ich leider immer wieder, dass Ermittlungsrichter dem Drängen von Polizei und/oder Staatsanwaltschaft nur allzu leicht, ohne vorherige, ausreichend gründliche Prüfung des Sachverhalts, nachgeben, ihrer Kontrollpflicht sichtlich nicht genügen und im Ergebnis schlicht rechtswidrige Durchsuchungsbeschlüsse erlassen. Hierzu genügt in der leider nur allzu oft erlebten, alltäglichen Praxis als Anwalt, oftmals eine vage Aussage, eines wiederum anderweitig Verfolgten, die wiederum zumeist im Lichte des § 31 BtMG erfolgte.
Derartige Durchsuchungsbeschlüsse sind, sieht man von den Fällen der „Gefahr im Verzug“ einmal ab, Grundlage für einen, aus Sicht des jeweils Betroffenen durchaus unerwünschten, zumeist frühmorgendlichen Besuch der Staatsmacht.
Die Staatsmacht begehrt sehr zum Missvergnügen des Betroffenen, gelegentlich zur Kurzweil und Freude der innig geliebten Nachbarn, mal uniformiert, mal in zivil, manchmal aber auch in voller Sturmausrüstung und schwer bewaffnet, doch immer nachdrücklich Zugang zur Wohnung des Betroffenen bzw. verschafft sich diesen Zugang widrigenfalls auch in Eigenregie. Im Worst Case Fall handelt es sich hierbei um Eure Wohnung!
Hausdurchsuchung, was nun?
Ich möchte Euch, liebe Leser des Hanf-Magazins, hiermit einen kurzen Leitfaden an die Hand geben, damit Ihr diese Krisensituation erfolgreich meistern, Klippen umschiffen und elementare Fehler vermeiden könnt. Diese Checkliste ersetzt, wenngleich nach bestem Wissen und Gewissen erstellt, explizit keine anwaltliche Beratung, erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und soll nur Eurer ersten rechtlichen Orientierung dienen.
1. Ruhe bewahren – kein Widerstand – höflich und respektvoll auftreten – das Gleiche auch einfordern!
Nervosität, Panik, Ärger, ein kurzer Schockzustand, all das ist in diesem Moment absolut verständlich. Bleibt cool; tief durchatmen!
Beachtet, dass jedweder Widerstand gegen die Durchsuchungsmaßnahme von den Polizeibeamten mit unmittelbarem Zwang beantwortet wird. Körperlicher Widerstand ist daher absolut sinnlos. Möglicherweise macht Ihr Euch sogar strafbar, sofern ihr im „Eifer des Gefechts“ unbedachte Äußerungen von Euch gebt, die gemeinhin als Beleidigung angesehen oder aufgefasst werden können oder Ihr Euch, noch viel schlimmer, gegen die Polizeibeamten zur Wehr setzt („Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“), d.h. handgreiflich werdet, diese möglicherweise sogar verletzt („Körperverletzung“). All dies würde zwingend zu einer Verschlechterung Eurer Lage führen. Kooperiert soweit irgendwie möglich mit den Polizeibeamten! Leistet unter keinen Umständen körperlichen Widerstand!
Tretet gegenüber den Polizeibeamten höflich, korrekt und respektvoll auf! Das Gleiche könnt und sollt Ihr allerdings bitte auch, sofern notwendig, mit dem gebotenen Nachdruck von den Polizeibeamten Euch gegenüber einfordern. Ist der erste „Schock“ vorbei, die Situation von den Polizeibeamten „eingefroren“ und die Wohnung „gesichert“, besteht kein Grund für lautes Schreien, unangemessene Kommentare o.ä.. Ihr seid Beschuldigter in einem Strafverfahren; nicht mehr und nicht weniger!
2. Wer leitet die Durchsuchung?
Erfragt bei den Polizeibeamten, wer die Leitung innehat. Notiert Euch den Namen und den Dienstgrad dieses Beamten; verlangt mit diesem sprechen zu dürfen. Erfragt und notiert Euch das polizeiliche und/oder staatsanwaltliche Aktenzeichen.
3. Rechtsgrundlage erfragen! Warum?
Rechtsgrundlage für die Durchsuchungsmaßnahme ist zwingend, entweder
a) die sogenannte „Gefahr im Verzug“, d.h. die Beamten „besuchen“ Euch gerade ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss, weil ein solcher in der gebotenen Eile nicht eingeholt werden kann, die umgehende Durchsuchung aber unerlässlich erscheint, oder
b) ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss.
Im ersteren Fall lasst Euch von dem Polizeibeamten in Ruhe erklären, warum er meint, zur Durchsuchung berechtigt zu sein und verlangt, sofort Euren Anwalt kontaktieren zu dürfen; bevor Durchsuchungsmaßnahmen ergriffen werden!
Im letzteren Fall lasst Euch den Durchsuchungsbeschluss, ebenfalls immer bevor irgendwelche Durchsuchungsmaßnahmen erfolgen, von dem leitenden Polizeibeamten zeigen, bzw. Euch eine Ausfertigung dieses Beschlusses zur Prüfung aushändigen. Bittet um kurze Gelegenheit zur Prüfung des Beschlusses.
Überprüft den Durchsuchungsbeschluss , explizit bevor irgendwelche Durchsuchungsmaßnahmen ergriffen werden, auf die nachfolgenden Punkte hin:
aa) Seid Ihr überhaupt der richtige Adressat?
bb) Stimmt die Adresse?
cc) Was umfasst der Durchsuchungsbeschluss? Was dürfen die Polizeibeamten, was möglicherweise aber auch nicht, gemäß diesem Beschluss denn durchsuchen?
Ist bspw. ein Kellerabteil, der Speicher oder ein auch ein Zimmer Eurer Wohnung, weil z. B. dieses Zimmer an einen anderen Mitbewohner untervermietet wurde, analog der Garage oder auch bspw. auch nur Eurer Kfz vom Durchsuchungsbeschluss gar nicht umfasst? Dann wäre eine Durchsuchung rechtswidrig. Weist den leitenden Polizeibeamten natürlich nur, wenn die Erforderlichkeit hierfür besteht, umgehend auf diesen Umstand hin. Erfolgt wieder Eures Hinweises dennoch eine Durchsuchung, so besteht darauf, dass dies im Protokoll auch entsprechend vermerkt wird.
4. Anwalt kontaktieren
Sofern irgend möglich bittet, bevor die Durchsuchungsmaßnahme beginnt, die Polizeibeamten, umgehend Euren Anwalt hinzuziehen, bzw. diesen sofort telefonisch kontaktieren zu dürfen.
Die bei Polizeibeamten unerklärlicherweise verbreitete Unsitte Euch dies zu untersagen, ist, sofern der Ermittlungserfolg durch Euren Anruf nicht gefährdet werden kann, weil ihr kooperiert, die Szenerie bereits von den Polizeibeamten „eingefroren“ und damit gesichert wurde, schlicht rechtswidrig. Verstößt die Polizei gegen dieses elementare Recht, d.h. untersagt Euch, die Euch zu jedem Zeitpunkt zu ermöglichende Kontaktaufnahme mit einem Anwalt Eurer Wahl, so kann dies zu einem späteren Zeitpunkt durchaus, bspw. mittels Dienstaufsichtsbeschwerde, aufsichtsrechtlich geahndet und sanktioniert werden. Dementsprechend gilt: Ihr könnt Euer Recht durchaus nachdrücklich einfordern; achtet aber bitte auf einen stets höflichen und respektvollen Umgangston.
5. Zeugen hinzuziehen!
Sofern irgendwie möglich, empfehle ich weiterhin, einen Zeugen, d.h. selbstredend eine Person Eures Vertrauens (Nachbar? Freund? Mitbewohner?), zur Durchsuchung als Zeuge hinzuziehen. Ein solcher ist unerlässlich, um später ggfs. die Art und Weise der Durchführung der Durchsuchungsmaßnahme monieren und etwaige Umstände, die evtl. wiederum evtl. zu Beweisverwertungsverboten führen könnten, auch vor Gericht belegen zu können. Verzichtet auf dieses Recht nicht.
6. Keine aktive Mitwirkung!
Ihr seid gesetzlich verpflichtet, die gegen Euch gerichtete Durchsuchungsmaßnahme zu dulden. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Niemand kann Euch allerdings zwingen, die Polizeibeamten, in welcher Form auch immer, aktiv zu unterstützen. Dementsprechend empfehle ich die Durchsuchungsmaßnahme schweigend zu beobachten und nur, allerdings ausschließlich verbal, zu intervenieren, wenn Euer Eigentum beschädigt oder z.B. Kalender, Bücher und/oder sonstige Eurer Schriftstücke widerrechtlich gelesen werden sollten. Reagieren solltet Ihr selbstverständlich auch immer dann, wenn von den Polizeibeamten mutwillig Unordnung produziert, Eure Kleidung lieblos behandelt, achtlos auf den Boden geworfen oder ähnliche Verhaltensweisen praktiziert werden sollten. Beachtet bittet dennoch, dass die Polizeibeamten nicht verpflichtet sind, dass angerichtete Chaos wieder zu beseitigen.
7. In keinem Fall eine Aussage machen!
Macht keine Aussage!
Diskutiert mit den Polizeibeamten nicht bspw. lang und breit über die Herkunft irgendwelcher Pflanzen. Es ist im Moment der Durchsuchung auch vollkommen irrelevant, ob Eure lila-farbenen Blumen möglicherweise stärker riechen, als Eure grünen. Jeder Eurer Kommentare wird naturgemäß von den Polizeibeamten geistig vermerkt und dann Eingang in den Ermittlungsbericht finden, bzw. vor Gericht verwertet werden. Tut Euch und Eurem Anwalt einen riesigen Gefallen. Schweigt! Ich sage dies mit nunmehr neun Jahren Berufserfahrung als Anwalt im Btm-Bereich. Es ist egal ob ihr schuldig seid oder nicht. Ob Ihr mit dem rauchenden Colt über einer Leiche kniet und Euch gegenüber ein Polizeibeamter steht oder ob ihr mit Eurem Partner auch gerade noch im Bett liegt, die Tür soeben aufgebrochen wurde und ihr vollkommen unschuldig seid. Schweigt zum Tatvorwurf; reduziert die notwendige Kommunikation mit den Polizeibeamten auf ein absolutes Minimum.
8.Keine Deals abschließen!
Die Polizeibeamten sind sozusagen die ausführende Hand der Staatsanwaltschaft. Kein Polizeibeamter ist befugt, Euch gegenüber verfahrensbeendende Zusagen zu machen oder Euch irgendwelche „Deals“ anzubieten.
9. Sicherstellungsprotokoll verlangen – keine Unterschriften leisten!
Sofern im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahme Gegenstände beschlagnahmt oder sichergestellt werden sollen, ist Euch diesbezüglich zwingend ein Protokoll (den Durchsuchungsbeschluss sollte Ihr ja bereits haben; siehe oben) auszuhändigen, in dem diese jeweils einzeln aufgeführt werden müssen. Besteht auf ein solches Protokoll; überprüft dieses gründlich und moniert Fehler umgehend.
Leistet keinerlei Unterschriften. Solche mögen aus Sicht der Polizei, bereits zu deren eigener rechtlichen Absicherung, durchaus sinnvoll sein. Ihr hingegen seid gerade Adressat einer mehr als belastenden, polizeilichen Maßnahme und damit wohl kaum verpflichtet, für Euch im besten Falle neutrale, im worst-case-Fall aus Verteidigersicht evtl. aber nachteilige Unterschriften zu leisten.