Der betriebliche Arbeitsschutz spielt in Deutschland eine zentrale Rolle. Die Grundlage dafür bildet das „Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit“ (Arbeitsschutzgesetz – ArbSchG).
Dieses Gesetz und die darauf basierenden Vorschriften und Regeln legen dem Arbeitgeber mehr Pflichten auf als dem Arbeitnehmer. Durch kooperative Zusammenarbeit gelingt es, die Gefahren für die Angestellten deutlich zu senken und den Gesundheitsschutz im Unternehmen zu optimieren. Die industrielle Herstellung von Cannabis ist für Deutschland recht neu und es ist somit umso wichtiger präventiv zu bedenken, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Gesundheit der Mitarbeiter zu erhalten.
Aus Sicht der Arbeitssicherheit unterliegt die Produktion von Cannabis den gleichen Anforderungen, wie alle anderen Arbeiten. Je nach Arbeitsbereich und Aufgabe kann das Spektrum der Gefährdungen recht breit sein. Grob lassen sich die möglichen Gefährdungen in folgenden Kategorien einteilen.
- chemische
- physikalische
- biologische
Ein gutes Qualitäts- und Risikomanagement ist nicht nur die Grundlage für fundiertere Entscheidungen, sondern bietet auch den Aufsichtsbehörden zuverlässigere Daten, wie professionell ein z. B. Cannabis-Unternehmen potenzielle Risiken bewältigen kann.
Grundsätzlich muss der Arbeitgeber dafür Sorge tragen, dass für jede Tätigkeit eine Gefährdungsbeurteilung erstellt wird. Die Hierarchie der Maßnahmen für die Arbeitssicherheit ist vorgegeben (Technische Regeln für Betriebssicherheit TRBS 1111) und besteht aus folgenden Stufen.
S-T-O-P
- Substitution: Substituieren, d. h. ersetzen oder entschärfen von Gefahrenquellen, bis keine Gefahrenquelle vorhanden ist. Gefahrstoffe z. B. durch ungefährliche Stoffe und Hochspannungstechnik durch Niederspannungstechnik.
- Technische Maßnahmen: Gefahr vermeiden z. B. durch die Änderung des Arbeitsverfahrens bzw. Trennung von Arbeitnehmer und Gefahr durch die Kapselung gefährlicher Maschinen
- Organisatorische Maßnahmen: Begrenzung der Einwirkungszeit der gefährlichen Bedingungen auf den Arbeitnehmer, z. B. durch Zugangskontrollen.
- Persönliche Maßnahmen: Persönliche Schutzausrüstung, wie Sicherheitsschuhe, Sicherheitshandschuhe, Schutzbrillen, Staubmasken etc.
Eine Gefährdung, die nicht durch Substitution (Austausch) beseitigt werden kann, muss durch eine technische Lösung eliminiert werden. Sollte auch das nicht möglich sein, muss nach einer organisatorischen Problemlösung gesucht werden. Erst wenn auch das nicht zum Ziel führt, kommt die persönliche Schutzausrüstung (PSA) zum Einsatz. Auch in die korrekte Benutzung der persönlichen Schutzausrüstung ist der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zu unterweisen.
Auf der Gefährdungsbeurteilung basiert die schriftliche Betriebsanweisung, die dem Arbeitnehmer (vor der erstmaligen Verwendung des Arbeitsmittels und bei relevanten Änderungen des Arbeitsverfahrens) erklärt, wie die Tätigkeit sicher durchzuführen ist. Hierfür hat sich für die Dokumente eine leicht verständliche farbliche Struktur bewährt (die allerdings nicht vorgeschrieben ist):
- blau für Arbeitsmittel, orange für Gefahrstoffe
- grün für biologische Arbeitsstoffe und
- gelb für gentechnische Anlagen
Kommen Gefahrstoffe zur Anwendung, ist den Mitarbeitern der freie Zugang zu den Sicherheitsdatenblättern zu gewähren, auf denen die Informationen in den Betriebsanweisungen für Gefahrstoffe („orange“) basieren.
Grundsätzlich müssen Arbeitgeber (oder die verantwortliche Person) mindestens einmal jährlich ausreichend und angemessen über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit unterweisen und durch fachkundige Personen unterweisen zu lassen (Datum und Inhalt der Unterweisung dokumentieren!).
Dass bei der Einrichtung der Arbeitsplätze auf Ergonomie zu achten ist, erklärt sich von selbst. Ergonomie sorgt dafür, dass Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen gut an die Eigenschaften und Bedürfnisse des Menschen angepasst. Das dient nicht nur der Gesundheit der Arbeitnehmer, schützt vor Spätfolgen von Haltungsfehlern und erhöht die Leistungsfähigkeit. Verschiedene Komponenten wie Arbeitsmittel, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung müssen für einen ergonomisch gesunden Arbeitsplatz in Einklang gebracht werden.
Auswahl möglicher Gefahren
Physikalische Gefährdungen können in vielfältiger Form auftreten. Hier ein paar Beispiele:
Strahlung
Je nachdem, welche Art von Leuchtkörpern in einer Gewächshalle verwendet, kommen als Gefahrenquellen nicht nur die Hitzestrahlung und das grelle Licht infrage, sondern auch ein breites Strahlungsspektrum von Infrarot bis Ultraviolett. Vor der UV-Strahlung müssen nicht nur die Augen geschützt werden (Risiko einer Hornhautentzündung), sondern auch die Haut (Hautkrebsrisiko).
Kopfschutz
Je nachdem wie die Lampen montiert sind, könnte es auch notwendig sein, einen Kopfschutz zu tragen, um Verletzungen durch Anstoßen zu vermeiden.
Schutzhandschuhe
Besonders im Umgang mit Pflanzen (arbeiten in feuchter Umgebung), Düngemittel, Pestiziden und Reinigungsmitteln kann die Benutzung von Schutzhandschuhen angezeigt sein. Ebenso wie beim Hantieren mit scharfen Gegenständen (Messer und Scheren) in den Gefährdungsanalysen und Betriebsanweisungen muss festgehalten sein, welcher Typ von Schutzhandschuhen zu verwenden ist.
Hautmittel
Um Hautschädigungen vorzubeugen, müssen passende Hautschutzmittel ausgewählt und bereitgestellt werden. Für eine sachgerechte Anwendung (an Hautreinigung, Hautschutz und Hautpflege) ist ein Hautschutzplan zu erstellen.
Fußschutz
Stolpern, Rutschen und Stürzen sind die häufigsten Arbeitsunfälle. Somit sind bei feuchten Böden entsprechender Fußschutz notwendig.
Komprimierte Gase
Physikalisch betrachtet können hier Probleme mit Druck und Temperatur auftreten (Adiabatische Abkühlung / Joule-Thomson-Effekt).
Elektrische Geräte
Sind vor dem ersten Gebrauch und danach regelmäßig einer Prüfung zu unterziehen. Das gültige Prüfsiegel muss sichtbar aufgebracht sein.
Chemische Gefährdungen
Chemische Gefährdungen treten schon bei so einfachen Maßnahmen wie der Reinigung von Räumen und Gegenständen auf (chemische Reinigungsmittel / Desinfektionsmittel). Aber auch Düngemittel und eventuell verwendete Pestizide. Dass die Mitarbeiter ständigen Zugang zu den Sicherheitsdatenblättern haben, ist selbstverständlich.
Ozon entsteht beim Cannabisanbau durch eine chemische Reaktion von Stickoxiden mit flüchtigen organischen Verbindungen (wie Terpene), die von den Cannabispflanzen abgegeben werden. Ozon kann zu verminderter Lungenfunktion führen und eine vorhandene verschlimmern.
Kohlenmonoxid kann bei der Verwendung von Generatoren entstehen. Bereits kleine Kohlenmonoxid Konzentrationen in der Atemluft zu schwerwiegenden Vergiftungserscheinungen und nach kurzer Zeit tödlich wirken.
Kohlendioxid wird teilweise zur Steigerung des Pflanzenwachstums von Cannabispflanzen (und bei einigen Extraktionsverfahren) verwendet. In hoher Konzentration ist es ein Erstickungsmittel und verdrängt Sauerstoff. Symptome können sein: Kopfschmerzen, Schwindel, schnelles Atmen und Atembeschwerden, erhöhter Puls. In extremen Fällen Bewusstlosigkeit und Tod. Mit Gasüberwachungsgeräten lassen sich diese Arbeitsplätze sicher machen. Eine CO₂ Exposition muss schnell erkannt werden.
Biologische Gefährdungen
Biologische Gefährdungen könnten bei den Mitarbeitern auftreten, die mit der Pflanzenpflege betraut sind. Bei dieser Tätigkeit könnte es zu einem Kontakt mit Pestiziden, Insektiziden, Fungiziden, Bakterien und Pilzen kommen. Im Besonderen ist auf Schimmelpilze und deren Sporen zu achten, die in der für die Cannabispflanzen notwendigen hohen Luftfeuchtigkeit eine ideale Lebensgrundlage geboten bekommen. Schimmelpilze können zu einer Reihe von Krankheitsbildern führen (wie Atemnot, tränende Augen, laufende Nase, Nesselsucht und sonstige Hautreaktionen). Adäquate Gegenmaßnahmen für ein gesundes Arbeitsumfeld ist hier eine entsprechende Lüftung bzw. Filterung der Luft. Es gibt in Deutschland zurzeit keinen Grenzwert für Schimmel, aber die Grenzwerte anderer Länder können zu mindestens hilfreich bei der Analyse der Gefährdung hilfreich sein.
Die hier aufgeführten Gefährdungsbeispiele sind natürlich nicht abschließend, sondern nur eine kleine Auswahl.
Good Manufacturing Practice (GMP)
Unter GMP (Good Manufacturing Practice) versteht man Richtlinien zur Qualitätssicherung der Abläufe und der Umgebung in der Produktion von Arznei- und Lebensmitteln. Die Richtlinien der guten Herstellungspraxis sollen dafür Sorge tragen, dass die Qualität der Produkte stimmt – und das zu jeder Zeit.
Besonders bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in Kontakt mit den Produkten kommen, muss sichergestellt sein, dass sie die Produkte nicht verunreinigen.
Arbeitsschutz betrifft hier nicht nur die Mitarbeiter, sondern soll auch die Produkte vor möglichen Verunreinigungen schützen. Als Stichwort gilt hier die persönliche Schutzausrüstung (PSA), sie ist in allen Betrieben der Pharmaindustrie Pflicht. Jeder Arbeitsschritt muss vor Produktionsbeginn qualifiziert und validiert sein und wird während der Produktion genauesten dokumentiert. Es ist wichtig, auch die kleinste Veränderung vor der Anwendung von der zuständigen Behörde genehmigen zu lassen. Natürlich auch Änderungen in der Ausrüstung.
Die verschiedenen Extraktionsverfahren mit den damit verbundenen Arbeitssicherheitsvorkehrungen (Brand- und Explosionsschutz) sind hier aufgrund des Umfangs absichtlich nicht erwähnt.
Hilfreich für die Einstufungen bei den Gefährdungsanalysen ist die Risikomatrix. Sie stellt ein Risiko als die Kombination aus der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadens und dem Ausmaß dieses Schadens dar. Die Risikobeurteilung vollzieht sich somit in den Stufen.