Cannabis ist schon lange keine verpönte Droge mehr. Immer wieder wird die Legalisierung gefordert, wenn auch nicht von den großen Volksparteien. Dieses Jahr hat sich sogar die Bundesregierung getraut, den Zugang zu Cannabis zu erleichtern, zumindest für Schmerzpatienten. Denn schon lange ist bekannt, dass gerade chronisch erkrankte Menschen eine kontrollierte Menge Cannabis bei der Linderung ihrer Schmerzen helfen kann. Und auch bei den Gerichten setzt sich diese Erkenntnis mittlerweile durch. Das zeigt ein Beschluss des Oberlandesgerichts Naumburg (OLG) vom 10.2.2015 – 2 Rv 16/15, in der die schmerzlindernde Wirkung von Cannabis von dem Gericht thematisiert und anerkannt wurde.
Verstoß gegen das BtmG durch Anbau von Cannabis
In dem vom OLG Naumburg zu verhandelnden Fall wollte die Polizei eigentlich nur die Eigentumsverhältnisse bezüglich eines Autoradios klären. Mit dem Fund einer Cannabiszucht hatten die Beamten wohl nicht gerechnet, als der Angeklagte sie wegen des Autoradios in seine Wohnung bat. In der Wohnung fiel den Polizeibeamten dann die Indoor-Anlage des Angeklagten auf, die mit drei Pflanzen der Gattung Cannabis mit einer Höhe von 30 cm bestückt war. Gut ein Jahr später befasste sich das Amtsgericht Quedlinburg mit dem Vorfall.
In der Hauptverhandlung ließ sich der Angeklagte zu den Tatvorwürfen ein und gab an, das Cannabis zur Linderung seiner durch Arthrose am Knie verursachten Schmerzen anzubauen. Es handele sich lediglich um einen Anbau zum Eigenbedarf, weil die vom Arzt verschriebenen Schmerzmittel ihm nicht helfen würden. Das Amtsgericht ließ sich von dieser Argumentation nicht beeindrucken und verurteilte den Angeklagten wegen unerlaubten Anbaus sowie unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 30,00 €, insgesamt also 3.000,00 €.
Einstellung wegen Geringfügigkeit
Gegen das Urteil des Amtsgerichts legte der Angeklagte Sprungrevision zum OLG Naumburg ein, das sich liberal gab und das Verfahren gegen den Angeklagten wegen Geringfügigkeit nach § 153 Abs. 2 S. 1 StPO einstellte.
Zur Begründung führte das OLG Naumburg zwei Aspekte an. Zum einen rügte das OLG, dass dem schriftlichen Urteil keine Angaben zum Wirkstoffgehalt des Betäubungsmittels entnommen werden konnten. Die Feststellungen zum Wirkstoffgehalt sind aber nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung nicht entbehrlich. Werde, wie in dem zu verhandelnden Fall, ein Gutachten aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht erstellt, so habe das Gericht seinem Urteil einen Wirkstoffgehalt zugrunde zu legen, der nach den Umständen in Betracht kommt. Fehle eine solche gebotene Feststellung, sei das Urteil nach Ausführungen des OLG der Aufhebung zugänglich.
Zum anderen sei aber auch zu beachten, dass im Falle der Zurückweisung der Sache ein erheblicher Zeitablauf zu beobachten sei. Die schmerzlindernde Wirkung von Cannabisprodukten sei seit Langem bekannt, was durch die Pläne der Bundesregierung, die strafrechtliche Ahndung einzuschränken und den Zugang von Schmerzpatienten zu Cannabis zu erleichtern, bestätigt werde.
Und tatsächlich hat das Gesundheitsministerium, passend zur Veröffentlichung der Entscheidung des OLG Naumburg, Anfang diesen Jahres einen Gesetzesentwurf veröffentlicht, der die Verkehrsfähigkeit und Verschreibungsfähigkeit von Cannabis sicherstellen und dadurch insbesondere schwerwiegend chronisch erkrankten Schmerzpatienten bei fehlenden Therapiealternativen die Anwendung von Cannabis ermöglichen soll. Außerdem soll die Kostenübernahme durch die Krankenkasse ermöglicht werden. Die Aussage des OLG Naumburg, die schmerzlindernde Wirkung von Cannabis sei schon lange bekannt, schlägt sich nun also auch in der Gesetzgebung nieder. Das bedeutet gleichwohl nicht, dass der Anbau von Cannabis straflos wäre.
Der Gesetzesentwurf sieht vielmehr vor, Cannabis kontrolliert anbauen zu lassen und nicht jedem Schmerzpatienten eine Cannabis-Aufzucht zu ermöglichen. Der Eigenanbau bleibt demzufolge strafbar. Dennoch ist zu erwarten, dass Staatsanwaltschaft und Gerichte Fälle wie den des OLG Naumburg wegen Geringfügigkeit mangels Vorliegens des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung einstellen werden, wenn es sich um den Cannabis-Eigenanbau von austherapierten Schmerzpatienten handelt. Denn jetzt, wo die schmerzlindernde Wirkung von Cannabis endgültig in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, besteht zumindest für den gemäßigten Eigenanbau zur Schmerzlinderung wohl kein Strafverfolgungsinteresse mehr.